Am Rande von Deutschlands Autobahnen und Bundesstraßen könnten Solarkraftwerke mit einer Leistung von 48 bis 54 Gigawatt gebaut werden. Damit würde die Photovoltaik-Gesamtleistung in Deutschland um rund 50 Prozent steigen. Das haben Noch-Bundesverkehrsminister Volker Wissing und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch Gladbach von der IP SYSCON GmbH, einem Spezialisten für Geoinformationssysteme (GIS) in Hannover, sowie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg ermitteln lassen. Die Partner identifizierten bundesweit insgesamt 250.000 potenziell geeignete Flächen für die Installation von PV-Anlagen zur Produktion von Solarstrom.

Warum Autobahnen ideale Standorte für Photovoltaik sind

In dieser Studie wurden die neuesten solaren Einstrahlungsmodelle mit einem leistungsfähigen GIS-System kombiniert“, so BASt-Präsident Markus Oeser. „Damit wurden bundesweit sämtliche Flächen entlang von Bundesfernstraßen auf ihre potenzielle Tauglichkeit zur Installation von PV-Anlagen untersucht. Derzeit arbeiten wir in der BASt daran, die Methodik der Potenzialermittlung mithilfe von KI-Einsatz noch weiter zu verfeinern.“

Lärmschutz und mehr
Massive Lärmschutzwand mit teiltransparenter Ausführung und »Standard«-PV-Modulen. Foto: R. Kohlhauer GmbH

Zu den Vorteilen der Nutzung von Flächen an Fernstraßen für die Gewinnung von Solarstrom zählt unter anderem die Tatsache, dass keine anderweitig nutzbaren Flächen, etwa Äcker umgewidmet werden müssen, die für die Nahrungsmittelproduktion wichtig sind. Auch die Beeinträchtigung der Landschaft ließe sich verschmerzen, eher jedenfalls als eine Photovoltaikanlage auf einer malerischen Alm in den Alpen.

Jede Menge Solarstrom für Elektroautos

48 Gigawatt entsprechen in Deutschland einer jährlichen Stromproduktion von 48 Terawattstunden (TWh), das sind fast zehn Prozent des aktuellen Strombedarfs. Elektroautos verbrauchen im Durchschnitt etwa 2250 Kilowattstunden im Jahr bei einer Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern. Der Strom von der Straße würde demnach für den Betrieb von rund 20 Millionen rein elektrische Pkw reichen. Derzeit gibt es in Deutschland knapp 1,6 Millionen Elektroautos. Dazu kommen knapp eine Million Plug-in-Hybrid-Pkw.

Elektromobilität leistet vor allem dann einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen, wenn die benötigte Energie regenerativ erzeugt wird“, meint Oser, womit er zweifellos Recht hat. Wenn der Strom nah am Abnehmer, etwa bei Ladestationen an Fernstraßen, produziert wird, ist der Effekt noch größer, weil der Strom zum Abnehmer nur über kurze Entfernungen transportiert werden muss. Das wiederum kann nur gelingen, wenn sichergestellt ist, dass der Solarstrom auch ins Auto kommt.

Ohne Stromspeicher geht es nicht

Dabei können zwei Maßnahmen helfen, die sich gegenseitig ergänzen. Unabdingbar ist die Installation von Speichern, in denen die Solarenergie zwischengelagert wird, um auch bei fehlender Sonne möglichst viel Solarstrom in die Batterien fließen zu lassen. Zum anderen lässt sich die Ladezeit in kleinerem Umfang durch den Preis steuern. Wenn die Sonne scheint, ist Strom deutlich billiger als etwa nachts. Derartige wetterabhängige flexible Strompreise gibt es bereits an einigen Ladestationen.

Sonnenstrom am Straßenrand
Summe des berechneten Leistungspotenzials (grau) und des geschätzten erschließbaren Leistungspotenzials (grün) von PV-Anlagen an Verkehrsflächen sowie Unsicherheitsbereich zum minimalen und maximalen Abschlag der untersuchten Flächenarten. Grafik: BASt
Sonnenstrom am Straßenrand
Summe des berechneten Leistungspotenzials (grau) und des geschätzten erschließbaren Leistungspotenzials (grün) von PV-Anlagen an Verkehrsflächen sowie Unsicherheitsbereich zum minimalen und maximalen Abschlag der untersuchten Flächenarten. Grafik: BASt

Der größte Anteil der Solarstromproduktion an Fernstraßen entfiele mit 24 bis 48 Gigawatt peak (peak weist darauf hin, dass die angegebene Listung nur bei optimaler Sonneneinstrahlung erreicht wird) auf die so genannten Straßenbegleitflächen. Das sind Areale wie Böschungen und Seitenstreifen, die dem Bund gehören, derzeit aber nur als Grünflächen genutzt werden, gefolgt von den Lärmschutzwänden (3,2 bis 4,2 GWp) und den Parkflächen (1 bis 1,2 GWp). Ein bisschen könnten auch die Dächer von Gebäuden bringen, etwa die der Tank- und Raststätten.

Unberücksichtigt in der Studie blieb noch die Möglichkeit, Teile der Straßen zu überbauen, also Solarzellen über den Fahrbahnen zu installieren. Hier böten sich transparente Module an, die einen großen Teil des Tageslichts durchlassen. Auf relativ kurzen Abschnitten könnten auch klassische Zellen montiert werden, die kein Licht durchlassen, ohne dass künstliche Fahrbahnbeleuchtungen installiert werden müssten. Eine 80 Meter lange Versuchsanlage über der Autobahn 81 nahe Hegau in Baden-Württemberg hatte Wissing im Sommer 2023 in Betrieb genommen.

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