In einer Sache sind sich alle Experten einig: In den nächsten Jahren wird die Elektromobilität Fahrt aufnehmen, werden Häuser und Wohnungen in wachsendem Umfang mit Hilfe elektrischer Wärmepumpen beheizt. Doch woher soll der dafür benötigte Strom kommen – und wie kann er bezahlbar bleiben? Schon jetzt müssen viele Fahrer von Elektroautos tief in die Tasche greifen, wenn sie auf öffentliche Ladesäulen angewiesen sind. Ab 17. Januar hebt EnBW die Preise für den Ladestrom kräftig an, je nach Tarif um bis zu 20 Cent pro Kilowattstunde. Konkurrent Allego hatte bereits im vergangenen Herbst seine Tarife erhöht. Seitdem kostet die Kilowattstunde Gleichstrom an der Schnellladesäule 75 Cent bei Ladeleistungen von über 50 kW.

Und wenn die Zahl der Elektroautos wie geplant weiter steigt und immer mehr Wärmepumpen ans Netz gehen, könnte es Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz kommen. So warnte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller von den Grünen, bereits vor Stromrationierungen und eine Drosselung von Ladeleistungen für Elektroautos auf eine Mindestversorgung: Auch an Schnellladern würden dann mit maximal 10 kW betrieben, um eine Reichweite von 50 Kilometern in drei Stunden Ladezeit zu gewährleisten.

Schnell laden - viel zahlen
Wer sich nicht vertraglich binden will, zahlt im Schnelladepark von EnBW in Kamen ab dem 17. Januar bis zu 61 Cent pro Kilowattstunde. Fremdkunden sogar noch ein paar Cent mehr. Foto: Rother
Schnell laden – viel zahlen
Wer sich nicht vertraglich binden will, zahlt im Schnelladepark von EnBW in Kamen ab dem 17. Januar bis zu 61 Cent pro Kilowattstunde. Fremdkunden sogar noch ein paar Cent mehr. Foto: Rother

Dem Industrieland Deutschland mangelt es infolge einer verfehlten Energiepolitik an elektrischem Strom. Vor allem an windstillen Tagen und solchen ohne Sonnenschein ist das Land in hohem Maße von Importen aus dem Ausland abhängig. Und daran hat der Ausbau der Erneuerbaren bislang wenig geändert. Immerhin: Nach Untersuchungen des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben die Wind und Fotovoltaik bei der Nettostromerzeugung in Deutschland 2022 deutlich zugelegt.

Viel Sonne im Sommer

Laut dem ISE haben die deutschen Photovoltaikanlagen im vergangenen Jahr etwa 58 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt und davon circa 53 TWh ins öffentliche Netz eingespeist. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zeigt also durchaus Wirkung. PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 6,1 Gigawatt wurden 2022 neu in Betrieb genommen, was die installierte Leistung der Anlagen bis Ende November auf etwa 66 Gigawatt steigen ließt. Aufgrund der sonnenreichen Sommermonate stieg die Solarstromerzeugung im Vergleich zu 2021 sogar um 19 Prozent zu. Von April bis August und im Oktober war die monatliche Stromerzeugung der PV-Anlagen sogar höher als die der Kohlekraftwerken. Und zwischen März bis September wurde mit Sonnenkraft mehr Strom erzeugt als mithilfe von Gaskraftwerken.

Grafik: Fraunhofer-Institut Solar Energiesysteme
Kohle, Wind und Gas
Grafik: Fraunhofer-Institut Solar Energiesysteme

Für die Windmüller im Land war 2022 hingegen eher ein durchschnittliches Jahr. Windkraftanlagen vor und an der Küste sowie im Landesinneren produzierten rund 123 TWh Strom, etwa neun TWh mehr als im Jahr zuvor. Damit setzte sich 2022 die Windkraft an die Spitze der deutschen Stromerzeuger – gefolgt von Braunkohle, Solar, Steinkohle, Erdgas, Biomasse, Kernkraft und Wasserkraft. Die Stromproduktion mit Wasserkraft ging aufgrund des heißen Sommers im Vergleich zu 2021 hingegen um drei TWh auf nurmehr 16 TWh zurück.

Anteil der Erneuerbaren Energien steigt

Unterm Strich haben die Erneuerbaren im Jahr 2022 zusammen rund 244 TWh Strom erzeugt, 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr (227 TWh). Das wirkt sich auch auf den Anteil der regenerativen Energien an der öffentlichen Nettostromerzeugung aus: Der stieg um vier Prozent auf 49,6 Prozent (Anteil an der Last 50,3 Prozent).

Grafik: Fraunhofer-Institut Solar Energiesysteme
Kernenergie auf dem Rückzug
Grafik: Fraunhofer-Institut Solar Energiesysteme

Bei allen Fortschritten der grünen Stromerzeuger ist Deutschland aber von der Energie-Autarkie noch weit entfernt. Ebenso wie von einer Entspannung an der Preisfront. Hoffnung macht allerdings die Unternehmensberatung McKinsey. In ihrer Studie „Zukunftspfad Stromversorgung“ kommen die Experten zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2025 eine Strompreissenkung machbar ist – bei einem massiven und deutlich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch einer weiterhin intensiven Nutzung von Gaskraftwerken sowie einer Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke bis 2025. Das ist eine bittere Pille für alle, die das Ende der fossilen Energien und den Ausstieg aus der Kernkraft herbeisehnen.

McKinsey: Erdgas vorerst unverzichtbar

„Gas wird als stabile und vergleichsweise emissionsarme Ergänzung noch für mehr als zehn Jahre ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Energiesystems sein, denn der Energiebedarf steigt und der Ausbau erneuerbarer und konventioneller Erzeugungskapazitäten und Netze läuft noch nicht schnell genug“, heißt es in der McKinsey-Studie. Gas spiele eine entscheidende Rolle, um den Strompreis zu stabilisieren und das Klima zu entlasten.

„Sinkende Erdgaskosten sind der entscheidende Schlüssel, um die CO2-Emissionen der Stromerzeugung zu reduzieren. Wenn die Erdgaskosten hoch bleiben, könnte bei der Stromerzeugung zu viel Kohle zum Einsatz kommen“, erklärt Alexander Weiss, Leiter weltweiten Energieberatung bei McKinsey. Eine Reduzierung des Gaspreises ist nach Ansicht der Studien-Autoren nur durch langfristige Verträge mit Gasproduzenten möglich. Die Auswirkungen sind eindeutig. „Bei einer signifikanten Senkung des Gaspreises auf den prognostizierten LNG-Preis von 28 Euro/MWh im Jahr 2025 könnte der Strompreis auf bis zu 75 Euro/MWh fallen“, stellen die McKinsey-Analysten fest.

Zehn Jahre länger am Netz
Die belgische Regierung hat kürzlich beschlossen, den Atomreaktor Doel 4 bei Antwerpen zehn Jahre länger laufen zu lassen. Für die deutschen Anlagen ist am 15. April Schluss. Foto: Nicolas Hippert/unsplash
Zehn Jahre länger am Netz
Die belgische Regierung hat kürzlich beschlossen, den Atomreaktor Doel 4 bei Antwerpen zehn Jahre länger laufen zu lassen. Für die deutschen Anlagen ist am 15. April Schluss. Foto: Nicolas Hippert/unsplash

Sollte sich die Bundesregierung dazu durchringen, die Laufzeiten der Kernkraftwerke über den April 2023 hinaus zu verlängern, könnte 2025 der Strompreis im Großhandel zusätzlich um fünf bis 15 Euro/MWh sinken. „Einzelmaßnahmen werden voraussichtlich nicht ausreichen, um die Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit in Einklang zu bringen – ein Gesamtpaket und eine konzertierte Aktion aller Akteure ist notwendig“, mahnt Weiss.

Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus: Eine weitere Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) bislang kategorisch ausgeschlossen. Heißt: In Deutschland dürften die Strompreise eher weiter steigen als sinken.

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3 Kommentare

  1. Siggi Maierhof

    5 bis 15 Euro 7 MWh …. wie bitte?

    Also 1,5 Cent pro kWh (ist geläufiger für uns Kunden) … Das ist echt eine brutale Preiserhöhung.
    😉

    Was will man damit auslösen?

    Aber eine schöne Grafik für die Stromerzeugung …. freu mich, wer vorne liegt! 🙂

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  2. haarthhoehe

    Ende der fossilen und Ausstieg aus Kernkraft? Uran ist auch ein fossiler Brennstoff und die freiwerdende Spaltungsenergie heizt das Klima zusätzlich an. Das ist der Unterschied zu den Ökoenergien, die ihr Potential aus der Umwelt entnehmen und einen Kreislauf bilden. CO2 kommt ja auch noch dazu. Ich wünsche einen richtig heißen Sommer 2023.

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    • Franz W. Rother

      Da ist was dran

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