Die neue Webasto-Wallbox ist eher unscheinbar. Kompakt, schwarz, ohne großartige Displays oder sonstige Effekthascherei. Doch der Name Unite lässt schon erahnen, wohin die Reise bei den kleinen Wechselstrom-Ladesäulen geht. Intelligent und vernetzt müssen sie sein. Die Unite setzt zudem das lokale dynamische Lastmanagement um. So wird das Stromnetz nicht zu sehr unter Stress gesetzt, aber auch bei Bedarf die Ladeleistung reduziert, wenn zu viele Batterien am Stromnetz saugen – und zwar für mehr als eine Wallbox.
Bis zu 32 Wallboxen im Verbund
„Mit der Unite können wir 32 Wallboxen auf einem Niederspannungskreis betreiben, die untereinander kommunizieren und die Ladeleistung dynamisch anpassen“, erklärt Karl Kolmsee, Director Product Portfolio bei Webasto. Damit eignet sich die Unite für Tiefgaragen in Mietshäusern oder großen Parkplätzen vor Supermärkten und Fitness-Studios.
Damit nicht genug. Ab Herbst nutzt die Wallbox zwei zertifizierte Zähler. Einer für die Messgeräterichtlinie MID (Measurement Instruments Directive), die in vielen Ländern Europas Anwendung findet und dann (ab Herbst) einer für die Eichrechtskonformität in Deutschland und Österreich. Damit können private und gewerbliche Nutzer ihre Ladeleistung steuerkonform abrechnen. Dass sich diese Stromtankstellen bequem per App steuern lassen, ist fast schon selbstverständlich.
Nur wenige Meter von dem Webasto-Stand entfernt, spielt der spanische Konkurrent Wallbox auch die Einer-für-Alle-Karte und stellt die „Pulsar Max“ vor. Ebenfalls eine kleine handliche Wallbox mit einer Beleuchtung (ganz können die Iberer dann doch nicht aus ihrer Haut), die durch das Energiemanagementsystem Power Sharing bis zu 50 Nutzer nutzen können. Der Preis ist mit rund 750 Euro vergleichsweise überschaubar. Vor allem wenn man in Betracht zieht, dass die Hightech-Wallboxen auch gerne mal über 1.000 Euro kosten, was vor allem nach dem Auslaufen der stattlichen Förderung für private Wallboxen durchaus ein Argument ist.
Energiespeicher als Partner
Bei der EnerSys 123-Ladestation lautet das Motto „alles in einer“. Denn die 30-kW-Ladesäule bietet die Möglichkeit, sie mit einen 20-kW-Energiespeicher zu ergänzen und diesen mit einer 10-kW-Fotovoltaik-Anlage zu füllen. Auch wenn diese Stromtankstelle deutlich größer als eine Wallbox ist, ist ihre Flexibilität interessant – speziell für Flottenbetreiber oder auch Hoteliers. Eleganter sind der schmale, fast schon grazile Elinta Charge „CityCharge V2“ aus Litauen, die auch den „Red Dot“-Designpreis gewonnen haben und deswegen hier Erwähnung finden.
Auf der „Power2Drive Europe“, der internationale Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität in München, war die Anzahl der Wallboxanbieter immens. Manche Hersteller von Ladeeinrichtungen wie Webasto, Mennekes, Heidelberg, ABL, Keba, Schneider Electric und Kostal sind hierzulande vielen Elektromobilisten im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Förderprogramm der Bundesregierung bekannt, andere kannten bislang nur echte Insider.
Strom fließt in zwei Richtungen
Neben der Konnektivität müssen die Heimstromtankstellen in Zukunft immer potenter und flexibler sein. Bei einer Wallbox sind mittlerweile 22 kW-Ladeleistung Standard. UU GreenPower bietet bereits auf dem Papier eine Vehicle-to-Grid-Funktionalität, die aber aktuell noch ein Versprechen in die Zukunft. Laut Webasto-Manager Kolmsee dauert es aber wohl noch etwa fünf Jahre, bis dieses Detail einsatzbereit ist.
Neben der Leistungsfähigkeit haben die portablen Ladegräte längst nichts mehr mit den steinschweren unhandlichen Brocken vergangener Tage gemeinsam. Bei vielen Ladern, die den Zusatz „Go“ im Namen tragen, geht aber hauptsächlich um das sichere Stromtanken an der Haushaltssteckdose. Einen Schritt weiter geht – ähnlich wie der bekannte „Juice-Booster“ aus der Schweiz der mobile „Porty“-Lader des slowakischen Herstellers ejoin: sie liefert die Kombination aus extrem kompakten Abmessungen und eine Lademöglichkeit mit bis zu 22 kW.
„Das Auto wird zur Stromquelle“
Über die neuesten Trends der Messe haben wir uns nach dem Rundgang mit Webasto-Manager Kolmsee eingehender unterhalten.
Herr Kolmsee, das bidirektionale Laden scheint immer wichtiger zu werden. Wie ist der Stand der Dinge?
Beim bidirektionalen Laden unterscheidet man drei Anwendungsfälle: Vehicle to load, wo das Auto als Stromquelle für Elektrogeräte dient. Das wird sich sehr schnell durchsetzen. Der zweite Ansatz ist Vehicle to home. Da speist die Autobatterie das Stromnetz des eigenen Hauses. Das dritte ist das Vehicle to grid. Mit Vehicle to home und Vehicle to grid steigen die Anforderungen an die Wallbox, entweder einen Stromkreislauf aufzubauen oder sich zu synchronisieren.
Woran hakt es bei den letzten beiden Anwendungsfällen noch?
Beide erfordern das passende Fahrzeug und die entsprechenden Regularien. Webasto testet bereits Prototypen eines bidirektionalen DC-Ladegerätes. Aber wir bringen das erst auf den Markt, wenn klar ist, in welche Richtung sich dieser entwickelt. Das Vehicle to home-Laden wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren etablieren. In der D-A-CH-Region werden jedes Jahr 150.000 neue Heimspeicher installiert. Hier dient das Fahrzeug dann als zusätzlicher Speicher.
Das DC-Laden stresst allerdings auch den Akku des Elektroautos, der schneller altert…
Sie haben recht, dass das behutsame AC-Laden für das Batteriemanagement besser ist. Allerdings ist die Batterieentwicklung inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie extrem viele Ladezyklen abdecken können. Das heißt, dass die Frage AC- oder DC-Laden ist für den Fortschritt der Elektromobilität nicht mehr entscheidend.
Also verkraften diese Akkus auch Vehicle to grid?
Das ist ein guter Punkt. Ich habe mich eben auf das Be-Laden einer Batterie bezogen. Bei Vehicle to grid, wo der Fahrzeugbatterie netzdienliche Leistung abgefordert wird, also die Akkus bis auf einen bestimmten Prozentsatz extrem schnell entladen werden, müssen sich die Fahrzeughersteller und die Energieversorger darauf einigen, was zugelassen wird und was nicht. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Wie weit liegt die Zukunft entfernt?
Wir sprechen da eher über fünf als über zwei Jahre.
Was muss eine Wallbox können, damit Vehicle to grid funktioniert?
Es liegt nicht an der Technik. Wir kennen das bidirektionale Laden aus dem Wechselrichterbereich. Fotovoltaikanlagen stellen ja genau das dar. Es geht vielmehr um die Frage, wie preiswert man diese Technologie anbieten kann und eben um die Regularien, die das Zusammenspiel zwischen dem Eigentümer des Fahrzeugs und dem Energieversorger definieren. Wenn Sie an einer öffentlichen Ladesäule stehen, muss diese das Auto erst einmal erkennen. Dazu brauchen wir die ISO 15118, also einen Standard für die bidirektionale Kommunikation zwischen Elektroauto und Ladestation. Die ist noch nicht überall implementiert.
Wie schaut es bei der Batterie aus?
Nicht jede Batterie ist dafür geeignet. Wir sprechen da von Akkus aus dem Bereich der leichten Nutzfahrzeuge mit einer Kapazität von 150 Kilowattstunden und mehr. Das gilt auch für Busse, die in der Nacht stehen und einen Zwischenpuffer haben. In diesem Bereich ist Vehicle to grid auch eine Leistung, die ich bewusst abgebe.
Das Förderprogramm für die Anschaffung von privaten Wallboxen ist inzwischen ausgelaufen. Wie hat sich die Auftragslage seitdem entwickelt?
Nach dem Ende der Förderung ließ die Nachfrage kurzzeitig nach. Das zeigt, dass der Kunde im Bereich der Wallbox eine hohe Preissensitivität hat. Es zeigt aber auch, dass sie Wallbox im allgemeinen Markt angekommen ist. Noch vor drei, vier Jahren war das ein Tech-Produkt, bei dem der Preis keine Rolle spielte. Mittlerweile sind die Wallboxen Consumer Electronics und deswegen ist die kurze Nachfragedelle vorbei. Wir beobachten eine Ausdifferenzierung des Marktes. Wir haben auf der einen Seite eine ganz einfache Wallbox, die auch mit niedrigen Leistungen installiert wird. Auf der anderen Seite haben wir Wallboxen, die in ein Gesamtsystem integriert werden. Da ist dann der Preis nicht ganz so wichtig, sondern die Integrationsfähigkeit. Das gilt vor allem für den halböffentlichen Bereich.
Was wird eine Wallbox in Zukunft kosten?
Wir haben heute eine Preisspanne zwischen 450 und 1.500 Euro. Wobei die günstigen Geräte nicht mehr billiger werden. Im oberen Bereich wird es noch ein bisschen abschmelzen und sich der Preis etwa bei 1.200 Euro für sehr hochwertige Produkte einpendeln.
Hoffen Sie, dass die Bundesregierung die Förderung der Wallboxen wieder aufnimmt?
Generell freut sich jedes Unternehmen über eine Förderung ihrer Produkte. Andererseits hat der Wegfall der Förderung dazu geführt, dass der halböffentliche Bereich, also mit Industriekunden wie Fuhrparkunternehmen oder Supermarktparkplätzen, gestärkt wird. Das ist eine Stärke von Webasto. Wir werden der Politik nicht sagen, was sie zu tun hat. Zumal der halböffentliche Bereich in Deutschland und anderen europäischen Ländern nach wie vor gefördert wird.
Können Sie denn die Nachfrage auch bedienen? Stichwort Halbleiterkrise.
Jedes Unternehmen ist von der Halbleiterkrise betroffen. Wir kaufen unsere PCB-Boards weltweit ein und können deswegen alle unsere Wallboxen liefern. Das liegt daran, dass Unternehmen wie Webasto, Siemens oder ABB die Erfahrung haben, wie man Lieferketten auch unter solchen Umständen aufrechterhält.
Wie sehen Sie die Zukunft der Wallbox?
Wir haben eine Reservierungsfunktion entwickelt, mit der mehrere Nutzer sich einen bestimmten Zeitraum freischalten können. Das ist vor allem für Tiefgaragen von Mietshäusern oder großen Parkplätzen von Unternehmen interessant. Der halböffentliche Bereich, also das Fitnessstudio, das Hotel oder der Supermarkt werden immer wichtiger.
Wie wirkt sich die steigende Anzahl der Wallboxen auf das Stromnetz aus?
Natürlich ist das Stromnetz gestresst. Genau deswegen ist die Konnektivität zwischen Stromnetz und der Ladelösung so wichtig. Sie müssen die großen Verbraucher wie die Ladelösung oder die Wärmepumpe intelligent regeln können.
Witzig ist ja, dass die abgebildete Webasto ein Lizenzprodukt von Vestel ist…