Flusswärmepumpen könnten bei der kommunalen Wärmeversorgung eine zentrale Rolle spielen. Bundesweit läuft die Technologie allerdings noch unter dem Radar. Dabei sind insbesondere in Bayern die Voraussetzungen gut. Das ist auch das Ergebnis des aktuellen Energieatlas für Bayern. Die Potenziale von Aquathermie schildert im Interview Sylvia Auerswald, Referentin für Wasserkraft bei der Vereinigung Wasserkraftwerke Bayern (VWB).
Frau Auerswald, Flusswärmepumpen sind noch wenig verbreitet in Deutschland. Wie sieht die Lage in Bayern aus?
Die nachhaltige Wärmeversorgung ist eine der zentralen Herausforderungen der Energiewende – und Bayern gehört zu den Bundesländern, in denen Flusswärme zunehmend konkret wird. Es gibt bereits mehrere Vorreiterprojekte, darunter Rosenheim. Das Projekt der Stadtwerke Rosenheim, das Flusswärme aus dem Mühlbach seit 2022 für die Fernwärme nutzt, wurde vom Bayerischen Wirtschaftsministerium nun als „Gestalter der Energiewende“ ausgezeichnet und gilt als Leuchtturmprojekt für kommunale Wärmelösungen mit Aquathermie. Darüber hinaus beschäftigen sich vor allem die Stadtwerke weiterer großer und mittelgroßer Städte mit entsprechenden Planungen, etwa in Bamberg, Nürnberg oder Fürth. Aus den Reihen unserer Mitgliedsbetriebe wissen wir, dass Aquathermie bereits erfolgreich genutzt wird – sowohl zur Eigenversorgung als auch in kleineren Quartiersprojekten. Bayern profitiert dadurch von einem Erfahrungsvorsprung gegenüber anderen Bundesländern, in denen Aquathermie oft noch in der Planungsphase steckt.
Welche Potenziale sehen Sie in Bayern – und welche Vorteile gegenüber anderen Bundesländern?
Bayern ist traditionell ein Wasserkraftland – was vor über 100 Jahren der Stromerzeugung diente, kann heute einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten. Bestehende Wasserkraftanlagen bieten sowohl die nötige Infrastruktur für die Wärmeentnahme aus Flüssen als auch erneuerbaren Strom für den Betrieb von Wärmepumpen direkt vor Ort. Studien zeigen, dass bereits eine geringe Abkühlung der Flüsse ausreichen würde, um einen erheblichen Teil des Wärmebedarfs von Haushalten und Gewerbe zu decken. Aquathermie an bestehenden Wasserkraftanlagen macht hier besonders Sinn, da dort die baulichen Voraussetzungen bereits vorhanden sind und sich Wärmetauscher und Anschlussleitungen ressourcenschonend und sicher installieren lassen.
„Die Technologie ist ausgereift, die ökologische Bewertung positiv.“
Die Technologie ist ausgereift, die ökologische Bewertung positiv. Die Flussabkühlung durch Wärmepumpen wird überwiegend als unkritisch oder sogar vorteilhaft eingestuft. Die politische Unterstützung wächst, auch das bayerische Wirtschafts- und Umweltministerium betonen die Bedeutung der Aquathermie für die Wärmewende. Bayern profitiert so von einem hohen Potenzial und geeigneten Standorten. Außerdem zeigt es: Wasserkraft kann weit mehr sein als ein Stromlieferant. In der kommunalen Wärmeplanung kann sie zum lokalen Knotenpunkt werden, an dem Stromerzeugung, Wärmepumpen und Wärmenetze sinnvoll zusammenkommen.
Können Sie das konkreter machen?
Rechenbeispiele zeigen, wie effizient Aquathermie sein kann: An einer Wasserkraftanlage an der Donau liefert ein zweistufiges System mit zwei Wärmepumpen 29 kW für die Fußbodenheizung und 8 kW für Brauchwasser und Heizkörper. Das Verhältnis von eingesetztem Strom zu erzeugter Wärme liegt bei rund 1:2,5. Bei einem Erzeugerpreis von 12 Cent/kWh ergibt sich damit ein Wärmepreis von etwa 5 Cent/kWh – also rund halb so hoch wie bei Heizöl. In einem anderen Fall wurde in Oberfranken ein Wärmetauscher in Form von rund 400 Metern Leitung im Bachbett verlegt. Die Anlage arbeitet mit einer 9-kW-Wärmepumpe, erreicht bei einer Vorlauftemperatur von 37 Grad einen sehr guten Leistungsfaktor von 4,7 und kombiniert damit die Vorteile von Erd- und Flusswärme.
Stimmen die Rahmenbedingungen für die Umsetzung solcher Projekte?
Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat ein Merkblatt zur Wärmegewinnung aus Fließgewässern veröffentlicht, das Betreibern Orientierung für Antragstellung und Betrieb bietet. Zudem schafft das kürzlich verabschiedete Geothermie-Beschleunigungsgesetz erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen für wasserrechtliche Genehmigungen von Flusswärmeprojekten und sieht verbindlich verkürzte Verfahren vor. Das erhöht die Planungssicherheit für Kommunen, Stadtwerke und Betreiber. Gleichzeitig bleibt Luft nach oben: Aquathermie hätte in diesem Gesetz aus Sicht der Wasserkraft noch stärker adressiert werden können. Entscheidend wird sein, wie konsequent die neuen Regelungen vor Ort umgesetzt werden und ob die Genehmigungsbehörden personell und fachlich ausreichend ausgestattet sind. Klar ist: Besonders dort, wo Aquathermie gemeinsam mit Wasserkraft gedacht wird, lassen sich Projekte effizient, wirtschaftlich und naturverträglich realisieren – zum Vorteil von Kommunen, Betreibern und Wärmeverbrauchern.
(Quelle: Energate)
