Die Technische Universität Berlin forscht an in Offshore-Windkraftanlagen integrierten Elektrolyseuren. Diese sollen mit Hilfe des Windstroms das Meerwasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Der so hergestellte grüne Wasserstoff könnte über Pipelines oder in Tanklastern an Land gelangen und anschließend in Brennstoffzellen-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Damit könne der Energieträger einen wichtigen Beitrag zur deutschen Energiewende leisten und eine gute Alternative zu kostspieligen Stromnetzanbindungen zur Küste beziehungsweise Stromweiterleitungen von der Nordsee in Richtung Süddeutschland bieten. Zumal der Transport des Wasserstoffs über das vorhandene Erdgas-Leitungsnetz oder auch per Kesselwagen deutlich preiswerter und gesellschaftlich eher akzeptiert ist als der Stromtransport über Hochspannungsleitungen.
Das TU-Vorhaben ist Teil des Leitprojekts „H2Mare“, das Anfang des Jahres einen Förderzuschlag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhalten hat. In diesem Zusammenhang forscht das Fachgebiet Elektrochemie der TU Berlin auch an einer weitergehenden Verwendung des auf See gewonnenen Wasserstoffs in „Offshore-Power-to-X-Verfahren“: Durch Zugabe von CO2 aus der Luft könne er auch in Ausgangschemikalien für die Industrie wie Methan, Methanol oder Ammoniak umgewandelt werden.
Meerwasser als Herausforderung
Hauptaugenmerk der TU-Wissenschaftler liegt zunächst auf der Erforschung der Auswirkungen von salzhaltigem Wasser auf Katalysatoren und Membranen der Elektrolyseure. Der Ionen- und Salzgehalt des mehr oder weniger gereinigten Meerwassers, so die Befürchtung, könne zu Auflösungs- und Korrosionsvorgängen im Elektrolyseur führen. „Eine direkte Nutzung von Meerwasser ist grundsätzlich wünschenswert, stellt allerdings die Katalysatoren und Membranen der Elektrolyseure möglicherweise vor bisher unerforschte Herausforderungen“, gibt Peter Strasser, Leiter des Fachgebiets Elektrochemie an der TU Berlin, zu bedenken.
Ein auf Manganoxid basierender Katalysator, der sich trotz des hohen Natriumchloridgehalts des Meerwassers für die Elektrolyse eignet, kam schon in den 1980er Jahren erfolgreich zum Einsatz, war damals jedoch noch unwirtschaftlich. Mehr Erfolg versprachen die Forschungen der letzten Jahre, die statt auf ein saures auf ein alkalisches Milieu im Elektrolyseur setzen, erklärt Strasser.
Denn „das reaktionsfreudige Chloridion aus dem Natriumchlorid kann in sauren Membranelektrolyseuren, insbesondere an der Sauerstoffelektrode, zu einer Vielzahl von unerwünschten chemischen Nebenreaktionen führen, die die Bildung von molekularem Wasserstoff und die Lebensdauer beeinträchtigen.“
In modernen alkalischen Membranelektrolyseuren hingegen kann dasselbe Chloridion die Leistung der Sauerstoffkatalysatoren sogar verbessern. Dort beschleunigt es ihre Aktivierung. Eine von Strasser geleitete Forschungsgruppe hat eine derartige, auf nanostrukturierten Nickel-Eisen-Hydroxid-Schichten für die Anode und Platin-Nanopartikeln für die Kathode basierende Membranelektrolysezelle bereits 2018 100 Stunden lang erfolgreich im Betrieb getestet.
Die TU Berlin beabsichtigt nun, diese Technik gemeinsam mit Forschern des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht im Rahmen des „H2Mare“-Projektes weiterzuentwickeln.
TU Berlin kriegt Fördermittel aus „H2Mare“-Programm
Einen Prüfstand mit einer ganzen Stackzelle für die Meerwasserelektrolyse, der bei einem Kilowatt elektrischer Leistung unter realistischen Bedingungen betrieben wird, baut die TU Berlin derzeit am Fachgebiet Elektrochemie auf. Dieser soll zeigen, wie es um die Robustheit und Lebensdauer der verwendeten Materialien auf hoher See steht. Als problematisch könnten sich auch filmartige Ablagerungen biologischer Mikroorganismen im Elektrolyseur erweisen. Zudem prüfen die Forscher, inwiefern das Prozessabwasser der Stackzelle unbedenklich in die Umwelt abgegeben werden kann.
Der TU Berlin stehen für ihre „H2Mare“-Forschung bis zum Ende der Projektlaufzeit Ende März 2025 Fördergelder von 2,48 Mio. Euro zur Verfügung. An dem Leitprojekt sind insgesamt 35 Projektpartner beteiligt. Sie erhalten eine Gesamtfördersumme von über 100 Mio. Euro. Für alle Wasserstoffleitprojekte des Forschungsministeriums stehen 240 Projektpartnern über vier Jahre rund 740 Mio. Euro zur Verfügung.