„Das zukünftige Wohlergehen der Menschheit“, schrieb die Internationale Energie-Agentur (IEA) schon 2008, „hängt davon ab, wie gut es uns gelingt, die zwei zentralen Energieherausforderungen zu bewältigen, vor denen wir heute stehen: Sicherung einer verlässlichen und erschwinglichen Energieversorgung – und rasche Umstellung auf ein CO2-armes, leistungsfähiges und umweltschonendes Energiesystem.“ Der jüngste Weltklimabericht hat die Dringlichkeit einer Energiewende nochmals unterstrichen: Um die Erderwärmung zu bremsen und die in Paris verhandelten Klimaziele zu erreichen, muss die Stromerzeugung weltweit schleunigst von Kohle und Erdgas auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Die größten Potenziale werden dabei der Wind- und Sonnenkraft eingeräumt.
Um die Kraft der Sonne mit Solarpanelen einzufangen, braucht es Platz. Die Nutzung von Dachflächen wäre eine Möglichkeit: Wären alle geeigneten Dächer von Gebäuden in den Ländern der Europäischen Union mit Solarmodulen ausgestattet, könnten immerhin 680 Terawattstunden Solarstrom zusätzlich erzeugt werden. Die andere Möglichkeit: Man nutzt Wasserflächen, um dort schwimmende Solarparks zu installieren.
In Deutschland wächst das Angebot nur langsam
Mittlerweile werden weltweit tatsächlich immer mehr – und immer größere schwimmende Solaranlagen gebaut. Dies gilt vor allem für Asien. Aber auch in Europa nimmt die Zahl an Projekten zu – vor allem in den Niederlanden. Aber auch Deutschland zieht langsam nach – allerdings mit angezogener Handbremse. Vorteile von Floating-Solaranlagen liegen zum einen in der oftmals geringen Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungsarten. Zum anderen ist die Energieausbeute höher – laut Energieagentur NRW um bis zu zehn Prozent. Grund dafür ist die natürliche Wasserkühlung, die den Wirkungsgrad von Solarmodulen erhöht. Zudem kommt es auf Wasseroberflächen in der Regel nicht zur Verschattung.
Die Solaranlagen werden in der Mitte von Seen und anderen stehenden Gewässern platziert, um die Ökosysteme möglichst wenig zu belasten. Zu den Kosten für schwimmende Solaranlagen im Vergleich zu konventionellen Anlagen gibt es unterschiedliche Angaben. Philipp Wüst, Geschäftsführer der Baywa Re Solar Projects, sagte in einem Interview, sein Unternehmen sei derzeit noch auf Förderung für Freiflächenanlagen angewiesen.
Baywa Re eröffnet 41-MW-Park in den Niederlanden
Baywa Re ist auch der wohl aktivste deutsche Projektierer von schwimmenden Solaranlagen. Das Unternehmen hat seine Anlagen vor allen in den Niederlanden lanciert, da es hier ein entsprechendes Förderregime für größere Floating-Solaranlagen gibt. So stellte das Unternehmen Mitte Juli zusammen mit dem Tochterunternehmen GroenLeven auf zwei niederländischen Baggerseen die beiden größten Floating-Projekte außerhalb Asiens fertig: den 41-MW-Solarpark Sellingen und den 30-MW-Solarpark Uivermeertjes. Nur knapp dahinter folgt der bereits im vergangenen Jahr fertiggestellte schwimmende Solarpark Bomhofsplas mit 27 MW, ebenfalls von Baywa Re. Insgesamt betreibt das Unternehmen nach eigenen Angaben mittlerweile in Europa elf Floating-PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 180 MW.
Weitaus größer sind allerdings die Dimensionen von Floating-Solarparks in Asien. So haben der Energiekonzern Masdar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und der indonesische Staatskonzern PT PLN Anfang August den Bau einer 145 MW großen Floating-Solaranlage in Indonesien bekanntgegeben. Die Anlage soll im vierten Quartal 2022 fertiggestellt werden und Indonesien helfen, sein 23-Prozent- Erneuerbaren-Ziel bis 2025 zu erreichen. Und in der Straße von Johor, die den südostasiatischen Stadtstaat Singapur von Malaysia trennt, hat der regionale Energieversorger Sunseap eine schwimmende Solaranlage in Betrieb genommen, die jährlich fünf Megawatt Strom mit Sonnenkraft erzeugen soll.
500 Seen im Braunkohletagebau wären geeignet
In Deutschland nehmen die Projektierer ähnlich wie in den Niederlanden vor allem ehemalige Abbaugebiete – sei es von Sand oder Kohle – in den Blick, wenn es um schwimmende Solaranlagen geht. Nachdem bislang eher wenige und kleinere Anlagen im einstelligen Megawatt-Bereich gebaut wurden, hat der Bergbaukonzern Leag angekündigt, bis 2021 einen etwa 21 MW großen schwimmenden Solarpark auf den durch den Bergbau entstandenen „Cottbuser Ostsee“ zu errichten.
Grundsätzlich gilt das Potenzial für schwimmende Solaranlagen als groß: Laut des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (Ise) könnten aus rein technischer Sicht allein auf den rund 500 durch den Braunkohletagebau entstandenen Seen Solaranlagen im „mittleren zweistelligen Gigawatt-Bereich“ entstehen. Welche Technik dazu derzeit die geeignetste ist, will das Institut in Kooperation mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus Senftenberg und RWE Renewables erforschen.
Mittlerweile hat sich auch die Politik des Themas angenommen. Einmalig zum 1. April 2022 soll die Bundesnetzagentur bei den Innovationsauschreibungen für das Gebotsvolumen von 150 MW vorrangig Anlagenkombinationen mit „besonderen“, also auch schwimmenden, Solaranlagen berücksichtigen. Wie genau die Voraussetzungen dafür aussehen werden, wird die Bundesnetzagentur zum 1. Oktober festlegen.
Klar ist allerdings schon heute, dass die maximale Gebotsgröße nur zwei MW betragen darf – für Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Solarwirtschaft (BSW) „nicht nachvollziehbar“. Dies gilt auch für die Tatsache, dass diese besonderen Anlagen mit einem weiteren Anlagentyp kombiniert werden müssen. Zudem sieht Körnig die Gefahr, dass aufgrund der unterschiedlichen Kostenstruktur der besonderen Solaranlagen – neben Floating-PV sind dies Agri- und Parkplatz-PV-Anlagen – eine Technologie alle Zuschläge auf sich vereint.