Nach 2035 sollen in Europa keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, braucht es vor allem eins: bessere Akkus, damit Elektroautos schneller laden, längere Strecken fahren und einen kleineren ökologischen Fußabdruck haben. Eine Vielzahl an großen Forschungsprojekten unterstützt die Batterie- und Autoindustrie bei der Entwicklung der Akkus der Zukunft. Eines davon, ein Horizon 2020-Projekt namens SeNSE, ist in diesem Jahr zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen. Initiiert und geleitet wurde das vierjährige EU-Projekt von Forschern des Labors „Materials for Energy Conversion“ an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) im Schweizer Dübendorf. Deutschland war unter anderem mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Forschungszentrum Jülich vertreten.

Zum Zeitpunkt der Ausschreibung war das relativ junge Labor noch kaum bekannt auf dem Gebiet der Batterieforschung. Laborleiter Corsin Battaglia wusste: Um Teil eines europäischen Batterieprojekts zu sein, müssten er und seine Forschenden selbst eins auf die Beine stellen. Das gelang: Battaglia und sein Mitarbeiter Ruben-Simon Kühnel konnten akademische Institutionen und Industriefirmen aus der ganzen Welt an Bord holen und gewannen die Ausschreibung.

Technologien für heute

Das Ziel von SeNSE war pragmatisch und ambitioniert zugleich. Die elf Teams wollten Lösungen für Lithium-Ionen-Batterien der Generation 3b entwickeln – der nächsten, betont Battaglia, und nicht etwa der übernächsten. Will heißen: Nach Abschluss des Projekts sollten die entwickelten Materialien und Technologien möglichst nahe an der Produktion im industriellen Maßstab, und somit am Einsatz in Elektroautos stehen.
„Wir forschen auch an Batterietechnologien, die potenziell um Welten besser sind als Lithium-Ionen-Akkus – nachhaltiger, sicherer, mit höherer Energiedichte“, sagt Battaglia. „Aber es dauert noch einige Jahre, bis sie industriell hergestellt werden können. In SeNSE wollten wir Technologien entwickeln, die innerhalb von wenigen Jahren in marktfertige Elektroautos verbaut werden können.“

Fixfertig für erste Tests
Die Forscher bauten die neuen Zellen in ein vorgefertigtes Modul samt Elektronik und Software ein. Foto: FPT Motorenforschung AG
Fixfertig für erste Tests
Die Forscher bauten die neuen Zellen in ein vorgefertigtes Modul samt Elektronik und Software ein. Foto: FPT Motorenforschung AG

Dafür durchliefen die Projektmitglieder in nur vier Jahren beinahe die gesamte Wertschöpfungskette der Batterieherstellung: von der Entwicklung neuer Materialien, über deren Skalierung bis hin zum Einbau in Batteriezellen. Die etwa Smartphone-großen Zellen wurden vom Austrian Institute of Technology (AIT) hergestellt. Die FPT Motorenforschung AG, eine Tochter von Iveco, konnte sie daraufhin in ein fixfertiges Modul einbauen, wie es in einem elektrischen Fahrzeug verbaut wird – samt der dazugehörigen Elektronik und Software.

Weniger Kobalt, Silizium statt Graphit

Das SeNSE-Modul weist einige Verbesserungen gegenüber heutigen Akkus auf: Eine höhere Energiedichte und eine günstigere Umweltbilanz, Schnellladefähigkeit und erhöhte Brandsicherheit – und natürlich Wirtschaftlichkeit. Alle Kernkomponenten der Batterie wurden im Projekt weiterentwickelt. Die Kathode enthält nur halb so viel des kritischen Rohstoffs Kobalt wie heutige Akkus. In der Anode konnten die Projektteams einen Teil des Graphits – gerade wegen der Batterieherstellung ebenfalls als kritisch eingestuft – durch Silizium ersetzen, eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste.

Auch der Elektrolyt – die Flüssigkeit, die Ionen zwischen den Elektroden überträgt und so das Laden und Entladen der Batterie ermöglicht – wurde verbessert, und zwar in den Empa-Labors. „Herkömmliche Elektrolyten sind brennbar“, erklärt Empa-Forscher Kühnel. „Wir konnten die Brennbarkeit durch bestimmte Zusätze stark reduzieren, ohne dabei die Leitfähigkeit zu beeinträchtigen, die für schnelles Laden und Entladen zentral ist.“

Das Forschungsprojekt SeNSE wurde von Ruben-Simon Kühnel, Stephan Fahlbusch und Corsin Battaglia (rechts) koordiniert. Battaglia ist Leiter des Labors „Materials for Energy Conversion“ an der Empa.

Um die Schnellladefähigkeit weiter zu verbessern, entwickelte die britische Coventry University gemeinsam mit der FPT Motorenforschung AG außerdem ein ausgeklügeltes Temperaturmanagementsystem für das Pilot-Modul. Sensoren, die direkt in den Zellen eingebettet sind, überwachen die Temperatur innerhalb der Batterie in Echtzeit. Ein eigens dafür entwickelter Algorithmus kann die Zelle dann immer genau so schnell laden, dass sie nicht durch Überhitzung beschädigt wird.

Als größten Erfolg des Projekts nennen Battaglia und Kühnel die Skalierbarkeit und den direkten Transfer in die Industrie. Die beteiligten Industriefirmen konnten für die Neuentwicklungen aus SeNSE einige Patente anmelden, Pilotanlagen bauen und Finanzierungen sichern, sowie ihr erworbenes Wissen in weitere Batterietechnologien einfließen lassen. Die Chemiefirma Huntsman hat den Leitzusatz, der in den SeNSE-Elektroden zum Einsatz kam, sogar bereits auf den Markt gebracht, wo er nun Batterieherstellern zur Verfügung steht.

IntelLiGent: Der nächste Schritt

Ganz ohne Hürden verlief dieser Weg zum Erfolg nicht. Neben den großen organisatorischen Herausforderungen durch die Pandemie, die instabilen Lieferketten und die steigenden Rohstoff- und Energiepreise gab es auch technische Schwierigkeiten. So sind die Prototypzellen noch nicht so stabil, wie es das Projektteam gerne hätte. Auch die Skalierung, obschon erfolgreich, ist noch lange nicht abgeschlossen.

„Wir haben alle Neuentwicklungen vom Labor- auf den Pilotmassstab skaliert“, sagt Battaglia. „Für die Produktion in einer sogenannten Gigafactory, z.B. unseres Projektpartners Northvolt, mit einer jährlichen Produktionskapazität von mehreren Gigawattstunden an Batterien, müsste die ganze Materialherstellung noch einmal um den Faktor 1000 hochskaliert werden.“ Dafür ist der Einsatz der Industrie gefragt.

Die Empa-Forscher wenden sich unterdessen bereits dem nächsten europäischen Batterieprojekt zu. SeNSE hatte nämlich drei Schwesterprojekte, die in der gleichen Ausschreibung finanziert wurden. „Wir haben einen gemeinsamen Cluster für Batterieforschung gegründet und tauschen uns regelmäßig aus“, so Kühnel. Die Koordinatoren der vier Projekte haben nun ein gemeinsames „Horizon Europe“-Forschungsprojekt namens IntelLiGent lanciert. Das Ziel: die Entwicklung von kobaltfreien Hochvoltzellen für Elektroautos.

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