Der Bau von Infrastruktur für ein erneuerbares Energiesystem wie Solarpanele und Batterien benötigt selbst viel Energie. Sie kann zu Beginn der Transition hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft nur aus dem existierenden, überwiegend fossilen Energiesystem kommen – und verursacht daher CO2-Emissionen. Der Umstieg gelingt aber umso schneller, je mehr fossile Energie und damit Emissionen anfangs „investiert“ werden – und, noch wichtiger: Unter dem Strich gelangen damit insgesamt weniger Klimagase in die Umwelt.
Bei Szenarien zum Umbau der Energiewirtschaft spielen Speicher eine wichtige Rolle – von Batterien über Pumpspeicherkraftwerke bis zu synthetischen Treibstoffen aus erneuerbaren Quellen. Baut und betreibt man sie zusätzlich zur solaren Infrastruktur auf Dächern und Fassaden, erhöht sich allerdings der Energiebedarf für die Transition. Szenarien von Forschenden der Empa-Abteilung „Technologie und Gesellschaft“ zeigen nun: Je mehr Speicher errichtet werden, desto länger dauert der Systemumbau und desto höher sind die Gesamtemissionen an Treibhausgasen – abhängig freilich von den verwendeten Technologien und vom technologischen Fortschritt.
Erfolgsaussichten berechnen
Ein Beispiel: Wollten wir unsere heutigen Gewohnheiten der Energienutzung beibehalten, müssten weltweit etwa 60 Prozent der Solarenergie-Ausbeute gespeichert werden – und die Speicher unter dem Strich groß genug sein, um etwa drei Wochen lang den gesamten Energiebedarf der Welt zu liefern. Selbst unter extrem optimistischen Annahmen würde in diesem Szenario das 1,5 Grad-Ziel mit mindestens 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit überschritten.
Der Speicherbedarf lässt sich durch technische Massnahmen allerdings erheblich senken. Zum Beispiel erlauben es die Elektrifizierung von Gebäudeheizungen und intelligente Gerätesteuerungen in vielen Fällen, den Bedarfsverlauf zu flexibilisieren, ohne dabei das Energieverhalten ändern zu müssen. Ein solches Szenario könnte den Speicherbedarf bereits etwa halbieren.
Für das 1,5 Grad-Ziel würde das heissen: Im besten Fall wird es nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 14 Prozent überschritten – nämlich dann, wenn für die Energiespeicherung vor allem effiziente Pumpspeicher-Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad zum Einsatz kommen. Würde man hingegen viel Energie in synthetischen Treibstoffen auf heutigem technischen Niveau mit niedrigem Wirkungsgrad speichern, wäre das Ziel kaum erreichbar. Zum Vergleich: Eine Energiewirtschaft, die kaum Speicher benötigt, könnte die Wahrscheinlichkeit, die 1,5 Grad zu überschreiten, auf 3 Prozent senken.
Die Sonnenblume als Vorbild
Energiespeicher haben also einen fundamentalen Einfluss auf die Dynamik der Transition und deren Klimafolgen: Je weniger Speicher benötigt werden, desto schneller können wir auf fossile Energieträger verzichten. Das erfordert freilich einen Paradigmenwechsel: weg vom bedarfsgetriebenen Energiesystem, in dem jeder Energie brauchen kann, wann er will. Und hin zu einem Energiesystem, das sich nach dem Lauf der Sonne richtet.
Der Grundgedanke dieser „Sonnenblumen-Gesellschaft“: Verbraucher wie Industrie, Verkehr, Haushalte und öffentliche Einrichtungen konzentrieren ihre energieintensiven Aktivitäten, wenn irgend möglich, um den Mittag und in den Sommer. In der Nacht und im Winter werden sie hingegen minimiert.
Denkbare Massnahmen wären zum Beispiel, den „aktiven“ Energiebedarf durch „passiven“ zu ersetzen. Also zum Beispiel effiziente Gebäudedämmungen fördern statt Heizungen, die im Winter besonders negativ zu Buche schlagen. Diese Dämmungen herzustellen, benötigt zwar Energie, doch sie ließen sich in Zeiten eines Energieüberschusses produzieren. Oder auf Transportmittel wie Oberleitungs-Busse umsteigen, die keine Batteriespeicher benötigen. Auch simple Verhaltensänderungen können einen Beitrag leisten, indem etwa die Waschmaschine zur Mittagszeit betrieben wird.
Fazit: Konsequent umgesetzt, hätte die Sonnenblumen-Gesellschaft das Potenzial, Klimarisiken deutlich zu minimieren und den Umbau des Energiesystems erheblich zu beschleunigen. Das würde nicht nur beim Klimaschutz helfen, sondern auch Ressourcen schonen und Kosten senken, denn Energiespeicher sind obendrein materialintensiv und teuer.