Suche nach dem perfekten Sorbenten

„Unser Zeitplan ist schon sehr sportlich“, gibt Kreuter zu. Wir treffen den Co-Gründer und Geschäftsführer von Vulcan Energy Resources im neuen „Zeiss Innovation Hub“ auf dem Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie. Die „Vulcanier“, wie sie sich in Anlehnung an die Star-Trek-Serie nennen, haben dort ein Labor eingerichtet, um das perfekte Sorbent zu finden – ein Material, das Lithium durch einen Ionen-Austausch effizient einfängt.

Bis zu 95 Prozent des im Thermalwasser gebundenen Lithiums hofft man mit solchen Ionenfallen herauszufiltern. Denn nur dann lässt sich der begehrte Stoff effizient gewinnen und wirtschaftlich aufbereiten. Vulcan Energy ist dazu mit DuPont eine Kooperation eingegangen: Der Spezialchemie-Konzern liefert nach Karlsruhe lithiumselektive und maßgeschneiderte Sorptionsmittel, Ionenaustauschharze und all andere Stoffe, die Laborleiterin Angela Digennaro und ihre beiden Mitarbeiter Konrad Heidebrecht und Aziz Mohadin benötigen, um das Lithium in möglichst hoher Konzentration aus dem Thermalwasser heraus waschen zu können.

Lithiumgehalt schwankt

„Wir lernen Tag für Tag dazu, aber das Problem liegt im Detail“, erzählt die Laborleiterin. Beispielsweise darin, dass der Lithiumgehalt der Wasserproben stark schwankt, unter anderem in Abhängigkeit von der Wassertemperatur. Mal liegt der Lithiumgehalt bei 180 Milligramm pro Liter Wasser, mal sind es auch nur 80 Milligramm, dann wieder deutlich mehr. Warum auch immer.

Lithium als Nebenprodukt
In der Geothermieanlage Bruchsal testet die EnBW zusammen mit Projektpartnern die Gewinnung von Lithium aus heißem Tiefenwasser, dem sogenannten Thermalwasser. Aktuell produziert die Anlage vor allem Strom und Wärme. Grafik: EnBW
Lithium als Nebenprodukt
In der Geothermieanlage Bruchsal testet die EnBW zusammen mit Projektpartnern die Gewinnung von Lithium aus heißem Tiefenwasser, dem sogenannten Thermalwasser. Aktuell produziert die Anlage vor allem Strom und Wärme. Grafik: EnBW

Die Lithium-Konzentration, gibt Kreuter zu, ist damit zwar deutlich geringer als in dem Salzwasser, das in Chile oder Bolivien hochgepumpt wird und in der Sonne verdunstet. Da sind Werte um die 1000 Milligramm pro Liter keine Seltenheit. Aber dafür gehe bei dem Verfahren, das sich Vulcan patentieren ließ, weder wertvolles Wasser verloren noch gebe es Abfallprodukte. Jedenfalls keine schädlichen, nur Wärme und Strom.

Und die geothermische Strom- und Wärmeproduktion werde durch die Lithium-Gewinnung ebenso wenig gestört wie die Tektonik, versichert der Vulcan-Geschäftsführer. Insofern sei die Gewinnung von Lithium für alle Beteiligten lohnend – so denn alle Parameter passen.

Auf einem Regal im Labor von Angela Digennaro steht, fein säuberlich aufgereiht und mit allerlei Zahlen beschriftet, eine ganze Batterie von kleinen Gläschen, die mit einem feinen, weißen Pulver gefüllt sind –das erste Lithium, das aus dem Thermalwasser herausgefiltert wurde. Um die 70 Gramm könnten es schon sein, so viele bräuchte es für eine Batteriezelle von einem Kilogramm Gewicht. Was uns zu der Frage bringt: Wie groß sind die Lithium-Vorräte im Tiefenwasser des Rheingrabens
überhaupt?

EnBW bewertet noch

Auf 15,85 Millionen Tonnen schätzt eine Vulcan-Präsentation für Investoren das Gesamtvorkommen im gesamten Oberrheintal, das wären mehr als die heute schon verfügbaren Reserven weltweit und würde für die Mobilisierung von wenigstens 400 Millionen Elektroautos reichen. Das Unternehmen will sich davon wenigstens eine Million Tonnen sichern.

Bei der EnBW verfolgt Thomas Kölbel wesentlich bescheidenere Ziele. Der Energieversorger betreibt bereits seit 2010 in Bruchsal zusammen mit den Stadtwerken ein Geothermie-Kraftwerk, das elektrischen Strom produziert und ein nahe gelegenes Polizeipräsidium heizt. Im Rahmen des Forschungsprojekts „UnLimited“ untersucht die EnBW seit einem Jahr und noch bis 2023 mit einer eigenen Pilotanlage und der Unterstützung unter anderem durch das KIT in Karlsruhe sowie die Universität Göttingen, ob es lohnen könnte, das im Wasser enthaltene Lithium herauszufiltern.

Die ersten Ergebnisse stimmen Kölbel hoffnungsfroh. Bei 8.000 Betriebsstunden und einer Fördermenge von 30 Litern Tiefenwasser pro Sekunde, so hat er ausgerechnet, ließen sich rund 900 Tonnen Lithiumsalz im Jahr fördern.

Lithium-Preise steigen

Mit Blick auf die Entwicklung des Weltmarktpreises für Lithium wäre das eine nette neue Erlösquelle für die EnBW: Eine Tonne des weißen Goldes kostete zwischenzeitlich schon über 27 000 Dollar. Das ist zwar noch meilenweit von dem entfernt, was eine Tonne echtes Gold kostet (aktuell über 50 Millionen Dollar). Aber immerhin liegt der aktuelle Lithium-Preis um den Faktor zehn über dem des Jahres 2004. Tendenz: steigend.

Kölbel: „Das könnte sich durchaus rechnen.“ Allerdings könne er die Förderkosten in Bruchsal noch nicht abschätzen: Bei einem ähnlichen Projekt in USA lägen diese bei 4000 Dollar pro Tonne.

Erwächst da den „Vulcaniern“ in Karlsruhe also womöglich schon bald ein ernster Konkurrent? Kreuter lässt sich dadurch nicht nervös machen. Die EnBW möge weiter forschen – „wir werden Ende 2022 unsere erste Bohrung setzen“.

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