Der Kern eines jeden Elektroautos ist der Akku. Kein Bauteil ist so wichtig, und keins ist so teuer. In schöner Regelmäßigkeit werden Wunder von der Wissenschaft versprochen. Die Wirklichkeit der Industrie aber ist ein Kompromiss: Ähnlich wie ein Reifen können Batterien nicht jede Eigenschaft in sich vereinen. Sie sollen sicher sein, viel Reichweite bieten, lange halten und vor allem wenig kosten.

Die Euphorie mancher Meldung ist übertrieben. Aber auch bei nüchterner Betrachtung zeichnet sich ab, dass es bis Ende dieses Jahrzehnts deutliche Fortschritte in der Batterietechnik geben wird, die Elektroautos größere Reichweiten, kürzere Ladezeiten und günstigere Einstiegspreise bringen werden.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Verbesserungen, die schon bald zu erwarten sind.

Höhere Ladegeschwindigkeiten

Die Ladegeschwindigkeit wird spürbar ansteigen. Um die Performance unterschiedlich großer Batterien vergleichen zu können, gibt es den Begriff der C-Rate. 1C bedeutet, dass es eine Stunde für eine komplette Be- oder Entladung dauert. Wenn Hyundai für den Ioniq 5, eins der am schnellsten ladenden Elektroautos überhaupt, eine Zeit von 18 Minuten für den Hub von zehn auf 80 Prozent meldet, entspricht das umgerechnet etwa 2,3C. Mehr geht zurzeit nicht.

Aber bald: Der Weltmarktführer bei Batteriezellen und -systemen, CATL aus China, hat kürzlich „Qilin“ vorgestellt. Die Qilin-Batterie soll 4C schaffen. Das entspricht einer Viertelstunde für eine Vollladung. Was der bereits sehr gute Hyundai in 18 Minuten erreicht, dauert in Zukunft also nur noch gut zehn Minuten.

Kraftpaket
Mit jeder Generation von Elektroautos kommt auch eine neue Akku-Generation auf den Markt, mit höherer Energiedichte, geringerem Gewicht und einer schnelleren Leistungsaufnahme. Das Foto zeigt das neue Akkupaket des Renault 5 E-Tech.
Kraftpaket
Mit jeder Generation von Elektroautos kommt auch eine neue Akku-Generation auf den Markt, mit höherer Energiedichte, geringerem Gewicht und einer schnelleren Leistungsaufnahme. Das Foto zeigt das neue Akkupaket des Renault 5 E-Tech.

CATL erzielt diesen Wert durch ein aufwendiges Kühlsystem. Die Batteriezelle ist gewissermaßen auch nur ein Mensch und braucht eine individuelle Wohlfühltemperatur, die um die 37 Grad liegt. Die Kühlfläche hat sich bei „Qilin“ im Vergleich zu Vorgängersystemen von CATL vervierfacht. Das reicht aus, um die Ladegeschwindigkeit massiv zu beschleunigen. Ab 2025 werden viele Elektroautos so gute Werte haben.

Eine höhere Ladegeschwindigkeit kann zum einem das Ergebnis einer leistungsfähigeren aktiven Kühlung oder Heizung sein. Zum anderen werden neue Anodenmaterialien zu diesem Resultat führen.

Neue Anodenmaterialien

In der Zellchemie hat sich die Debatte zuletzt um die Frage gedreht, ob die Kathode eine hochpreisige Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt („NMC“) ist. Oder ob alternativ robuste und günstige Lithium-Eisenphosphat-Zellen („LFP“) zum Einsatz kamen. Übersehen wird dabei die Anode, die bei nahezu allen Elektroautos ausschließlich aus Grafit besteht. Grafit ist schwer und verhindert so eine noch bessere Energiedichte. Außerdem begrenzt Grafit die Ladegeschwindigkeit. Dass über 90 Prozent in China gefördert werden und so eine Abhängigkeit in der Lieferkette entstanden ist, kommt hinzu.

NMC- und LFP-Zellen sind nahezu ausentwickelt. Aber eine Veränderung der Anode bietet jetzt einen weiten Raum für eine größere Ladegeschwindigkeit bei zugleich höherer Energiedichte. Den Anfang macht eine Beimischung von Silizium zur Grafitanode. Der Porsche Taycan hat so eine Beimischung im niedrigen einstelligen Prozentbereich, und Mercedes wird das in der elektrischen G-Klasse ab 2025 optional anbieten.

Silizium statt Grafit

Silizium kann viel mehr Lithium für den Ladungstransport aufnehmen als Grafit. Das Problem ist, dass diese Eigenschaft zu einer Ausdehnung beim Be- und zu einem Schrumpfen bei der Entladung führt. Dieses Atmen kann die Zellchemie beschädigen. Es ist trotzdem zu erwarten, dass die Werkstoff-Forschung mittelfristig zumindest eine Beimischung von 20 Prozent möglich macht. Die Ladegeschwindigkeit und die Energiedichte würden so sehr viel besser werden – und das alles auf Basis bestehender Fertigungslinien.

Es kann also sein, dass solche Batteriezellen fast so gute Eckdaten haben wie das theoretisch denkbare Endziel: Eine reine metallische Lithium-Anode hat auf dem Papier die höchste Energiedichte. Ein Problem ist dagegen, dass das Alkalimetall hochreaktiv und schwer zu handhaben ist.

Feste Elektrolyten

Damit eine metallische Lithium-Anode funktioniert, ist ein fester Elektrolyt notwendig. Festkörperzellen, gerne Englisch All Solid State-Batterien genannt, sind kein Selbstzweck. Vielmehr ist ein fester Elektrolyt die technische Voraussetzung für den Einsatz von reinem Lithium. Nur so ist die Zelle sicher und haltbar.

Der Aufwand für eine Solid State-Batterie mit Lithium-Anode ist so hoch, dass er wahrscheinlich in keinem Verhältnis zum Mehrwert gegenüber kommenden Anoden mit Siliziumbeimischung ist – es sei denn, es gelingt jemandem, den ultimativen festen Elektrolyten zu entwickeln.

Natrium statt Lithium

Sehr viel plausibler ist die Annahme, dass nicht solche High End-Zellen, sondern das Gegenteil davon Realität werden: Preisgünstige Low Tech-Batterien. Hier ist im Moment der Ersatz von Lithium durch Natrium sehr vielversprechend.

Natrium kostet viel weniger als Lithium. Weil der Grundaufbau der Zelle ähnlich ist, können vorhandene Produktionsanlagen umgenutzt werden. BYD aus China wird auf dem heimischen Markt wohl noch 2023 ein Elektroauto mit Natrium-Ionen-Zellen verkaufen. Der Kleinstwagen Seagull wird – das ist ein Nachteil – wegen der geringen Energiedichte dieser Zellchemie wenig Reichweite haben. Aber er wird günstig sein.

Und darauf kommt es an, wenn Elektroautos ein Massenphänomen werden sollen.

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