CertifHy, ein Konsortium aus europäischen Unternehmen und Forschungsinstituten, will ein Zertifizierungssystem für grünen Wasserstoff einführen. Auch der TÜV Süd und das Beratungsunternehmen für nachhaltige Energie Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBS) sind dabei. Was Wasserstoff überhaupt grün macht und warum wir nur mit Brennstoffzellen die Energiewende schaffen hat uns Patrick Schmidt erklärt, Senior Consultant bei LBS.

Edison: Herr Schmidt, was fahren Sie für ein Auto?
Patrick Schmidt: Ich fahre ein relativ altes, emissionsarmes Auto. Das ist ein Benziner, hat aber einen geregelten Katalysator. Demnächst werde ich es aber verkaufen.

Und dann eines mit Wasserstoff-Antrieb?
Nein, leider nicht. Denn Wasserstoffautos gibt es zwar schon einige, aber es sind immer noch nur wenige Tausend weltweit, und die nötige Versorgungsinfrastruktur ist noch im Aufbau. Ich werde stattdessen auf Carsharing umsteigen.

In Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd und einigen europäischen Initiativen haben Sie das CertifHy Projekt gestartet. Dabei wollen Sie eine europaweite Zertifizierung von grünem Wasserstoff einführen. Wie funktioniert das Zertifikat?

Die Grundlage für CertifHy sind Herkunftsnachweise. Die Vorbereitungen haben wir bereits mit einer Vorstudie abgeschlossen. Aber sobald Energieträger aus unterschiedlichen Quellen stammen und über gemeinsame Infrastrukturen transportiert werden, steht man vor der Frage, wie man das kenntlich macht. Bei Strom beispielsweise, ob er mit Hilfe von Braunkohle, Erdgas, Wind oder Solarenergie erzeugt wird. Ähnlich ist das bei Wasserstoff. Da helfen die Herkunftsnachweise.

Was macht Wasserstoff denn eigentlich grün?
Da geht es um die gleiche Frage wie beim Batteriefahrzeug: Woher kommt eigentlich die Energie, mit der das Fahrzeug betrieben wird? Der Wasserstoff ist nur Energieträger und muss aus einer Primärenergie hergestellt werden. Je grüner diese Primärenergie ist, desto besser ist die Umweltbilanz. Die beste Primärenergie wäre einfach erneuerbarer Strom, idealerweise aus zusätzlichen Erneuerbaren-Anlagen. Diese sollten nicht aus dem aktuellen Bestand stammen, um den Bau neuer Anlagen und damit den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien aktiv zu voranzubringen.

Wasserstoff aus Erdgas besser als Diesel

Wie unterscheidet sich die Produktion des grünen Wasserstoffs?
Das Schlüsselelement in der Erzeugung von grünem Wasserstoff ist die Elektrolyse und der hierfür eingesetzte Strom. Das meiste wird heutzutage aber noch in Raffinerien oder in chemischen Anwendungen aus Erdgas erzeugt. Das ist auch schon gar nicht schlecht. Wenn ich für mein Brennstoffzellenauto den Wasserstoff aus Erdgas nehmen würde dann ist die Bilanz mindestens gleich oder sogar besser als bei einem konventionellen fossilbasierten Verbrenner.

Gefühlt ist für viele Wasserstoff automatisch grün. Fehlt da das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Unterschiede?
Den Eindruck habe ich nicht. Aber an sich ist dieses Denken gar nicht so falsch. Denn Wasserstoffantriebe mit Brennstoffzelle sind zwar nicht automatisch grün, aber auf jeden Fall besser als das Referenzsystem beim PKW. Außerdem sind Brennstoffzellenautos im Kern Elektroautos und fahren daher lokal emissionsfrei.

Aber man will ja besser sein als der Verbrenner.
Absolut. Denn wohin will man langfristig? Es gibt die Parisziele, es gibt den Klimaschutzplan 2050, der jetzt mit ganz konkreten Maßnahmen politisch zu unterlegen ist. In dem Zuge ist es unerlässlich, hier mit erneuerbaren Energien reinzugehen. Das ist auch bei der Wasserstofferzeugung das Ziel.

„Wasserstoff bringt das Gesamtsystem zum Fliegen“

Im Vergleich mit dem klassischen Elektroauto mit Batterie ist der Wasserstoffantrieb noch nicht effizient genug. Warum braucht es den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle überhaupt, wenn es doch scheinbar bessere Alternative gibt?

Der Energieverbrauch eines Brennstoffzellenfahrzeugs ist ein bisschen höher als der eines Batteriefahrzeugs, das stimmt. Die Vorteile liegen woanders, beispielsweise bei der Performance. Man kann Brennstoffzellen auch bei LKW und großen Fahrzeugen einsetzen, ohne an Reichweiten- oder Nutzlastgrenzen zu stoßen. Dafür kann man auch ein paar Prozente weniger Wirkungsgrad in Kauf nehmen. Batterien eignen sich heutzutage vor allem für PKW oder leichte Nutzfahrzeuge. Im Moment ist noch nicht abzusehen, in welchem Umfang sich Performance, Lebensdauer und Kosten bei Batterien weiter verbessern lassen.

Außerdem funktioniert eine Welt mit 100 Prozent grünen Energien nur mit hohen Anteilen an fluktuierendem erneuerbarem Strom. Das bedeutet aber, dass nicht immer die Energiemengen bereitstehen, wenn wir sie brauchen. Ein wichtiger Vorteil von Wasserstoff ist, dass er der effizienteste chemische Energieträger ist, mit dem sich große Energiemengen auch über lange Zeit speichern lassen. Wasserstoff kann also Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich ausgleichen. Damit habe ich den Energieträger, der durch Synergien das Gesamtsystem zum Fliegen bringt, auch bei hohen Anteilen von erneuerbarem, fluktuierendem Strom.

Und drittens gibt es den Vorteil, dass schon Infrastruktur vorhanden ist. Die meisten Pipelines und Speicher, die heute für Erdgas genutzt werden, könnte man auch für Wasserstoff verwenden. Und die Skalierung der Infrastruktur funktioniert mit Wasserstoff ganz anders. Bei der Batterie habe ich eine lineare Skalierung: Ein Fahrzeug braucht eine gewisse Zahl an Ladestellen im System. Bei Wasserstoff funktioniert es viel mehr so wie das heutige Prinzip von Tankstellen: Es gibt konzentrierte Stellen, da fahre ich hin und tanke in drei bis fünf Minuten. Das kommt unseren heutigen Gewohnheiten deutlich näher.

Gucken wir 20 Jahre in die Zukunft. Was glauben Sie, wie da unsere Autos angetrieben werden?
Ich kann mir einen Mix aus Batterie-Auto und Brennstoffzelle sehr gut vorstellen: Ich bin in den Verkehrsanwendungen, wo die Batterie den Anforderungen genügt, sehr effizient, und wo ich mehr Performance brauche, nehme ich die Brennstoffzelle ins Antriebssystem. Die Post-Tochter StreetScooter macht das schon so: Die hat mit Batterien für die kleineren Fahrzeuge begonnen und jetzt mit Brennstoffzellen den Schritt in die nächste Nutzfahrzeuggröße gemacht.

Wie geht es jetzt mit dem Zertifikat weiter?
Das Ziel der Implementierungsphase wird jetzt sein, die Systemgrundlagen zu legen und das notwendige IT System aufzusetzen. Außerdem haben wir erste Pilotprojekte identifiziert, die die ersten Zertifizierungen bekommen sollen. Das System soll dann helfen, grünen Wasserstoff auf die europäischen und nationalen Klimaziele anrechenbar zu machen. In zwölf Monaten wollen wir einen Stand erreicht haben, wo die Politik sagt: Ja, wir wollen so ein System und wir im Grunde nur noch einen Knopf drücken müssen – und das System geht live.

Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

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