Trotz der steigenden Ökostromerzeugung hat es im ersten Halbjahr weniger Noteingriffe zur Stabilisierung der deutschen Stromnetze gegeben. Die vier Übertragungsnetzbetreiber melden für Januar bis Juni zurückgehende Zahlen. „Unsere Fortschritte beim Netzausbau tragen Früchte“, sagte Tennet-Vorstandsmitglied Lex Hartman der Deutschen Presse-Agentur.
Es ist immer noch ein Nord-Süd-Problem: Die Übertragungsnetzbetreiber lassen bei Engpässen die Einspeisung von Strom aus konventionellen Kraftwerken im Norden senken und im Süden erhöhen. Reicht das nicht aus, müssen zusätzlich Windkraftanlagen ihre Leistung drosseln. Teuer für die Unternehmen und Verbraucher, die das über den Strompreis bezahlen. Vergangenes Jahr waren die Kosten besonders hoch – 1,4 Milliarden Euro, davon knapp eine Milliarde Euro bei Tennet.
Weniger Noteingriffe, Entspannung ab 2025
Zwar ist die zweite Jahreshälfte meist windreicher, trotzdem könnten die Kosten in diesem Jahr sinken. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres musste im Netzgebiet von Tennet, das in der Mitte Deutschlands von Schleswig-Holstein bis in den Süden Bayerns reicht, die Leistung von konventionellen Kraftwerken im Umfang von 3600 Gigawattstunden gedrosselt oder erhöht werden, um Engpässe auszugleichen. Im Vorjahreszeitraum waren dafür noch 6000 Gigawattstunden erforderlich. Beim Netzbetreiber 50Hertz, der für das Übertragungsnetz in den ostdeutschen Bundesländern sowie in Hamburg zuständig ist, haben sich die Noteingriffe bei den konventionellen Kraftwerken mehr als halbiert. (von rund 3400 GWh auf etwa 1250 GWh). Die Leistungsreduzierung von Windanlagen sank nur leicht.
Auch bei Amprion, dem Betreiber der Übertragungsnetze im Westen, sind die Eingriffe nach Angaben eines Sprechers „eher geringer ausgefallen“. Neben dem im Vergleich zu 2017 milderen Winter habe sich auch die deutlich entspanntere Versorgungssituation in Europa ausgewirkt. Bei TransnetBW in Stuttgart hieß es, im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr sei der Umfang der Noteingriffe deutlich gesunken.
Eine generelle Trendwende ist das aber noch nicht: Viele Leitungen sind noch im Bau, der Erneuerbaren-Kraftwerkspark wird weiter ausgebaut und somit bleiben Stabilisierungsmaßnahmen laut Tennet notwendig. Zum Rückgang der Noteingriffe im ersten Halbjahr hätten eine neue Höchstspannungsleitung von Thüringen nach Bayern, eine stärkere Verbindung der Höchstspannungsnetze in Schleswig-Holstein und Hamburg sowie eine generell effizientere Nutzung vorhandener Stromleitungen beigetragen, sagte Hartman. Eine durchgreifende Verbesserung wird von den großen Nord-Süd-Stromautobahnen erwartet, die als Erdkabel gebaut werden und ab 2025 die großen Verbrauchszentren im Süden versorgen.