Dumm gelaufen. Im letzten Jahr gab es bei Audi einen Gewinneinbruch von 24 Prozent auf 3,53 Milliarden Euro. Deshalb soll das Unternehmen in allen Bereichen nun bis 2022 rund 15 Milliarden Euro sparen. Trotzdem drückt der neue Vorstandschef Bram Schot, der Audi „komplett neu aufstellen“ will, speziell bei der Elektromobilität schwer auf die Tube: Schon 2025 soll nach seiner Vorstellung jeder zweite verkaufte Audi einen Elektroantrieb haben, zwanzig Modelle dann rein elektrisch unterwegs sein.

In spätestens drei Jahren müsse Audi Elektro-Benchmark sein, hat der ungeduldige Niederländer kürzlich verkündet. Und wenn es nach Schot geht, soll Audi in naher Zukunft obendrein auch „die schönste Form nachhaltiger Mobilität“ anbieten. Aktuell, so formuliert er es so drastisch wie ehrlich, „sind wir zu fade“. Das sind völlig neue, geradezu rebellische Töne aus Ingolstadt.

Zäher Start

Noch klemmt die Säge allerdings ein bisschen. So kommt die Ende September vergangenen Jahres begonnene Produktion des e-tron im Audi-Werk Brüssel nur langsam in Schwung. Die Wertschöpfungskette sei einfach noch nicht flexibel genug, heißt es dazu bei der Marke intern. Doch entgegen diversen Gerüchten sei die Lieferung der benötigten Batteriezellen (aktuell LG Chem, demnächst auch Samsung) aber definitiv gesichert, wurde uns erklärt.

Offizielle Zahlen über die täglichen Stückzahlen gibt es aber weiterhin nicht. Nur das: Nach aktuellen Audi-Erhebungen müssten die Kunden je nach Markt im Schnitt zwischen sieben und acht Monate auf den über 80.000 Euro teuren Elektro-SUV warten. Aber schon im Gesamtjahr 2020 sollen die Produktionszahlen „deutlich im fünfstelligen Bereich liegen“, erfuhr EDISON von Rainer Mangold, dem Leiter Nachhaltige Produktentwicklung bei Audi. Die über 20.000 vorbestellten Exemplare seien inzwischen gebaut und ausgeliefert. Und schon 2025, so Mangold, wolle Audi alle großen Fahrzeugsegmente vollelektrisch abdecken.

Buntgescheckert
Noch im Tarnkleid: Studie für einen coupehaften e-tron Sportback.

Teure Brocken

Der Zeitplan steht jedenfalls. So folgt auf den Hochsitzer e-tron im kommenden Jahr der etwas flachere, coupehafte e-tron Sportback — ein mindestens ebenso teurer Brocken. Die Studie hat Audi schon gezeigt, die produktionsreife Serienversion will der Konzern im November offiziell vorstellen. Dann nehmen die Ingolstädter auch Bestellungen an, die Auslieferungen sollen im ersten Quartal nächsten Jahres beginnen. Sie planen aber nur mit Stückzahlen, die ein Drittel des Volumens vom e-tron erreichen sollen.

Etwas früher, noch vor dem Ende des nächsten Jahres, soll der 4,96 Meter lange, nur 1,38 Meter hohe, fast 600 PS starke und bis zu 240 km/h schnelle Supersportler e-tron GT zu haben sein. Garantiert über 90.000 Euro teuer. Der spielt dann in der gleichen Liga wie Porsches vollelektrischer Taycan, dessen Architektur er praktischerweise nutzt. Die Studie dieses wilden GT fuhr mit einem 96-kWh-Akku offiziell nach WLTP-Norm bis zu 430 Kilometer weit. Um aber mit der Reichweite eines Tesla (Model S bis 610 km) oder Porsche Taycan (500 km) konkurrieren zu können, müßte Audi noch nachlegen. Was, wie wir hören, offenbar geplant ist.

Der GT wäre allerdings der dritte, für Normalbürger unerschwingliche und vom ökologischen Ansatz schwierig zu vermittelnde Superstromer der Ingolstädter. Wenn wir nur mal das e-tron-SUV mit seinen rund 2,5 Tonnen Lebendgewicht nehmen, das schon offiziell zwischen 23,7 und 24,6 kWh pro 100 Kilometer verpulvert. Auf unserer Testfahrt in Berlin zeigte der Bordcomputer Werte zwischen 25,8 und 32,4 kWh, rund zehn Minuten nach dem Losfahren noch 45 kWh. Zum Vergleich: Den kleinen, viersitzigen VW e-up sind wir mit Verbräuchen zwischen 11,5 und 17 kWh gefahren. Ja, liebe Audianer, natürlich kennen wir das in der Argumentation immer gern strapazierte Top-Down-Prinzip: Erst mal die Technik auf die sichere Seite bringen und finanziell den Rahm der Gutverdienenden abschöpfen.

Eine Nummer kleiner
Noch kein Volkswagen, aber mit einem angepeilten Preis von 40.000 Euro schon volkstümlicher: Audi Q4 e-tron.

Okay, zur Ehrenrettung der Ingolstädter ließen sich jetzt zwei nette Argumente in die Diskussion bringen. Erstens: Wer einmal mit dem flüsterleisen und dramatisch anzugsstarken e-tron-SUV herumgedüst ist, will, wenn es nun schon dieses üppige Format sein soll, nie, nie wieder in einem röhrenden Verbrenner sitzen. Zweitens: Bei Audi wird’s bei den E-Modellen demnächst deutlich günstiger und grüner. Wir reden vom kompakteren SUV-Exemplar Q4 e-tron, das Audi-Entwicklungschef Hans-Joachim Rothenpieler als „schönes Einsteigermodell“ sieht. Dieser geräumige Fünfsitzer ist 4,59 Meter lang und mit den 225 kW Systemleistung aus zwei E-Motoren nicht übertrieben motorisiert. Bei Bedarf 180 km/h schnell, angesagt sind bis zu zu 450 Kilometer Reichweite. Der Preis? Voraussichtlich ab 40.000 Euro.

Die entsprechende, ganz ansehnlich Studie gab es schon im März auf dem Genfer Autosalon. Alles schick? Leider nicht, denn die Serienversion soll erst im Herbst 2020 gezeigt werden. Und auf die ersten Exemplare zum Mitnehmen müssen interessierte Kunden bis zum ersten Quartal 2021 warten. Ende 2021 soll dann noch die Coupe-Version des Q4 e-tron folgen. Beide Modelle nutzen kostengünstig den modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) des VW-Konzerns und werden bei Volkswagen im sächsischen Werk Zwickau gebaut. Und dort wiederum hat erst einmal der VW ID.3 eindeutig Vorrang.

Fahren auf Sicht

Wie erwähnt, später gibt es noch mehr stromernde Audis. Einen SUV unterhalb des Q4, eine Kompaktlimousine im Format des aktuellen Audi A3 und eine vollelektrische Luxuslimousine in der Größenordnung des derzeitigen Audi A8. Alles irgendwo zwischen 2022 und 2025. Zumal die Verantwortlichen in Ingolstadt auch erst einmal die Reaktionen des Marktes beobachten. „Im Moment gucken wir ja in der Branche, was die Kunden betrifft, alle noch in die Glaskugel“, kommentiert Mangold. Optimismus klingt anders.

Zweitverwertung
Aus ausrangierten Akkus des e-tron hat Audi einen „Multi-Use-Speicher“ mit einer Kapazität von 1,9 Megawattstunden produziert, der auf dem Euref-Campus Berlin erstmals zum Einsatz kommt.

Schneller ist Audi bei der Verwertung gebrauchter Akkus des e-tron. So haben die Ingolstädter damit im Rahmen des Formel-E-Gastspiels in Berlin auf dem Euref-Campus den deutschlandweit größten Multi-Use-Speicher eröffnet. Groß ist natürlich relativ. Der Speicher hat eine schlanke Kapazität von 1,9 Megawattstunden, er nutzt gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien aus den e-tron-Entwicklungsfahrzeugen (Mangold: „Unsere Dauerläufer“) und erprobt in Zusammenarbeit mit der Technologie-Firma The Mobility House – übrigens eine Daimler-Beteiligung – diverse Interaktionsszenarien zwischen E-Auto-Akkus und Energienetz.

Solche Energiespeicher könnten sekundenschnell auf Leistungsschwankungen oder einen bösen Blackout im Netz reagieren. Der rund 110 Quadratmeter große Speicher auf dem Euref-Campus ist somit quasi ein Reallabor für diverse Anwendungen. Er ist mit einem Megawatt Leistung an das Berliner Mittelspannungsnetz angeschlossen, was dem mittleren Ladebedarf von rund 200 E-Autos entspricht. Mit seiner Kapazität könnte er den 5,5 Hektar großen Büro- und Wissenschaftscampus immerhin knapp zwei Stunden lang autark mit Strom versorgen.

Die Elektroauto-Vermietung nextmove hat den Audi e-tron zusammen mit vier anderen Elektroautos auf die Autobahn geschickt, um Verbrauch und Reichweite bei höheren Geschwindigkeiten zu ermitteln. Das Ergebnis überrascht. Elektroauto

Puffer für den Notfall

Ein weiterer Anwendungsfall wären Schnellladestationen in unmittelbarer Nähe, an der Elektroautos mit einer Geschwindigkeit von bis zu 175 kW pro Stunde laden könnten, ohne das örtliche Stromnetz zu strapazieren. Genau, der Batteriespeicher als Puffer. Und durch die Integration ins Stromnetz könnte das Energiereservoir den Überschussstrom von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen oder auch dem Campus-eigenen Blockheizkraftwerk aufnehmen.

In einem Modellversuch mit Windparks in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen die Projektpartner zeigen, wie sich überschüssiger Grünstrom gezielt auf dem Euref-Campus zwischenspeichern lässt. Die Windräder müssten dann bei temporär zu hoher Stromproduktion nicht mehr vom Netz genommen werden. Ist ein zarter Anfang, aber in einigen Jahren dürften schließlich deutlich mehr ausgemusterte Akkus, die ja immer noch 70 bis 80 Prozent ihrer Kapazität haben, ins Spiel kommen. Anwendungsfälle gäbe es natürlich ohne Ende – vom Notfall-Puffer für wichtige Rechenzentren oder Krankenhäuser bis zur Notfallversorgung von großen Fußballstadien bei Spielen unter Flutlicht. Und Audi ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das solche Dinge testet.

„Elektrifizierung geht weit über das Auto hinaus – sie funktioniert nur als System“, postuliert Stefan Niemand, der Chef der Elektrifizierung bei Audi. Und der Autohersteller wolle natürlich einen Beitrag zum integrierten Ökosystem der Elektromobilität leisten. Schön, wir halten Sie auf dem laufenden.

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