In Deutschland wird es nicht zu einem Blackout kommen, wenn sich in den nächsten fünf Jahren Jahren eine größere Zahl von Menschen für den Kauf eines Elektroautos entscheiden sollte. Ja, der Strombedarf wird durch die Elektromobilität allmählich steigen. Aber das Verteilnetz hält den zusätzlichen Belastungen allen Unkenrufen zum Trotz weiter stand, das gilt sowohl für die Kebel ebenso wie für die Trafos. Und das gilt wohl auch für den „worst case“ – dass nämlich eine Million Elektromobile abends zeitgleich ans Netz gehen und Strom saugen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Infrastrukturbedarf E-Mobilität“ der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Optonik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Karlsruhe. Im Auftrag der ADAC-Stiftung hatten die Experten untersucht, wie sich bis 2050 die allmähliche Umstellung des deutschen Pkw-Fuhrparks auf alternative, emissionsfreie Antriebe auf die Verteilnetze auswirken würde – in der Großstadt, aber auch in ländlichen Regionen. Bei ihrer Untersuchung beschränkten sie sich obendrein nicht allein auf batterieelektrische Fahrzeuge, sondern nahmen in drei Szenarien erstmals auch einen wachsenden Anteil von Brennstoffzellenautos an. Derartige Fahrzeuge beziehen den Fahrstrom nicht aus der Steckdose oder einer Ladesäule, sondern produzieren den durch die Elektrolyse von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle selbst.

„Batterieautos und Brennstoffzellenfahrzeuge sind ideale Partner, die sich wunderbar ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten“, konstatierte Werner Zittel, Physiker und ehrenamtlicher Vorstand der Ludwig-Bölkow-Stiftung als Sprecher des Forschungsprojekts bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Denn je mehr Brennstoffzellenfahrzeuge im Einsatz seien, desto geringer werde das Stromnetz belastet. Das gelte insbesondere für den – eher hypothetischen – Fall, dass im Jahr 2050 bis zu 40 Millionen Elektroautos auf den Straßen unterwegs sind – und die Energiewende in Deutschland endlich vollzogen ist. „Wird der Strombedarf zu großen Teilen aus fluktuierenden erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind erzeugt, ist eine gesicherte Leistung auf Basis treibhausgasneutraler Energieträge wie Wasserstoff erforderlich, um längere Perioden mit geringer Produktion erneuerbarer Energien – Stichwort: Dunkelflaute – zu überbrücken“, heißt es etwas umständlich in der Studie. Im Klartext: Bei Windstille und bei bedecktem Himmel wäre die Versorgungssicherheit bei elektrischem Strom nicht mehr gewährleistet – die Autos könnten nicht geladen werden.

Energieströme
Mit Hilfe von Sonne und Wind, Industrieabwärme und Erdgas lässt sich Strom produzieren, aber auch Wasserstoff gewinnen – und Energie speichern.
© Copyright ADAC

Zittel plädierte deshalb für einen technologieoffenen Ansatz bei der Verkehrswende: Der Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur müsse genauso gefördert werden wie der rasche Aufbau eines Ladenetzes für batterieelektrische Fahrzeuge. Dies auch mit Blick auf den wachsenden Wasserstoffbedarf im Industriesektor und beim Betrieb im Güterverkehr, bei der Bahn, in der Luftfahrt und im Lkw-Verkehr auf der Straße. Zittel: „Da kann Wasserstoff seine Stärken ausspielen.“ Die oft gennannte geringe Effizienz von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen im Vergleich zu Batteriefahrzeugen spiele letztlich keine Rolle. Zwar seien Wasserstoff-Tankstellen deutlich teurer selbst als Ladestationen, an denen mit hoher Spannung Gleichstrom gezapft werden kann: Die Forscher gehen von jährlichen (!) Gesamtkosten für die Infrastruktur von bis zu 3,7 Milliarden Euro für den Fall aus, dass 80 Prozent der Pkw im Jahr 2050 mit einer Brennstoffzelle unterwegs ist. Demgegenüber stünden aber Kosten von knapp 9 Milliarden Euro für den Aufbau eines flächendeckenden Netzes von 38,4 Millionen Ladestationen für einen von Batterieautos dominierten Pkw-Verkehr.

Probleme auf dem Land

Aber auf jeden Fall müsse das Stromnetz in den kommenden Jahren für die wachsende Zahl an Elektroautos vorbereitet werden, mahnten die Experten bei der Vorstellung der Studie die anwesenden Bundestagsabgeordneten wie die Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Daniela Kluckert (FDP) sowie den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (CDU). Insbesondere im ländlichen, kleinstädtischen Raum könnte eine stark steigende Zahl von „Stecker-Autos“ das Stromverteilnetz an den Rand der Belastbarkeit bringen. Hier seien dringend „Ertüchtigungsmaßnahmen“ an Leitungen und Trafos erforderlich. Auch sollte ein effektives Energiemanagement installiert werden, um Lastspitzen notfalls per Knopfdruck verhindern zu können.

„Wir brauchen einen Plan&ququot;
Batterieautos oder Brennstoffzelle oder beides? Podiumsdiskussion mit Fabian Schmitz-Grethlein vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand, Daniela Kluckert und Steffen Bilder (v.l.) unter Leitung von EDISON-Chefredakteur Franz Rother.
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Die Politiker bekamen aber nicht nur Handlungsempfehlungen, aber auch zum Teil heftige Kritik zu hören. So habe man im Rahmen der Studie feststellen müssen, dass es „für Deutschland derzeit keine koordinierte und langfristige Entwicklungsstrategie für die Einführung der Batterie- und Brennstoffzellen-Elektromobilität gibt“ – die Entwicklung sei nicht nur in der Industrie, sondern auch von der Bundesregierung verschlafen worden. Und bis heute seien die Zuständigkeiten für die Energiewende auf der Straße auf so viele Ministerien verteilt, dass von einer vorausschauenden Planung nicht gesprochen werden könne.

ADAC: Mobilität muss bezahlbar bleiben

„Niemand kann uns heute verlässlich sagen, ob die Förderprogramm und die Marktentwicklung tatsächlich zu einer effizienten, bezahlbaren und umweltverträglichen Infrastruktur für die Elektromobilität führen“, kritisierte auch Andrea David, Vorstand der ADAC-Stiftung, die die Studie in Auftrag gegeben hatte.

Immerhin hat die Bundesregierung nach dem jüngsten „Autogipfel“ im Kanzleramt einen „Masterplan“ zum Aufbau einer Infrastruktur für elektromobile angekündigt. Die von der ADAC-Stiftung initiierte Studie könnte dafür eine gute Grundlage sein.

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