Wandschrankgroße Front, große Kabine und noch größere Ladefläche. Amerikanische Autofahrer stehen auf Pick-up-Trucks. Von den etwa 17 Millionen Neuzulassungen im Jahr sind die meistverkauften Modelle Pick-ups wie Ford F-Series, Chevrolet Silverado und Ram Pick-up – allesamt mit großvolumigen Verbrennungsmotor. Und wenn es schon kein Pritschenwagen sein soll, dann greifen die Amerikaner zu schweren SUVs. Das könnte sich schon bald ändern.
Auf der New York Autoshow zeigte der US-Hersteller Rivian gleich zwei Exemplare dieser beliebten Fahrzeugkategorien mit Elektroantrieb. „Wir starten Rivian mit zwei Modellen, die das Pick-up- und SUV-Segment neu definieren“, sagt Gründer und CEO RJ Scaringe. Der R1S ist das erste elektrische Abenteurerfahrzeug, das es als Pick-up-Truck oder Geländewagen gibt. Vier unabhängig voneinander arbeitende elektrische Radnabenmotoren mit jeweils 150 Kilowatt (kW) Leistung machen aus dem Rivian einen Allrader, der im Notfall wie ein Panzer auf der Stelle drehen kann. Flink ist er obendrein: Im unbeladenen Zustand (800 Kilo Gepäck kann er schleppen) sprintet er in weniger als drei Sekunden auf Tempo 100. Fahrten durch raues Gelände sollen mit ihm ebenso wenig ein Problem darstellen wie der Kampf um eine Poleposition an der Ampel im Großstadtdschungel. Dafür sorgt außerdem eine intelligente Luftfederung, die die optimale Bodenfreiheit für die jeweilige Strecke einstellt. Mit einer Batterieladung von bis 180 Kilowattstunden (kWh, ausgeliefert wird das Auto mit drei unterschiedlich großen Akku-Packs zwischen 105 und 180 KWh) soll es ohne Zwischenstopp bis zu 650 Kilometer weit gehen. Für nächtliche Ladepausen in freier Wildbahn findet jeder Insasse in den Türen eine Taschenlampe. Wer mag, kann auch einen Pferdeanhänger dranpacken – die Anhängelast beträgt beim SUV 3,5, beim Pick-up 5 Tonnen. Für 1.000 US-Dollar können US-Kunden das E-Fahrzeug nun vorbestellen, die Pick-up-Variante R1T soll es ab rund 70.000 Dollar geben. Das ist doch schon mal eine Ansage.
Gruß aus der Vergangenheit
In einer ähnlichen Preis-Liga spielt auch das neue Sondermodell von Mercedes erstem elektrischen SUV – dem EQC. Zum Markstart im Sommer zeigen die Stuttgarter auf der New York Autoshow den EQC 1886. Der Energiegehalt der Batterie liegt allerdings bei vergleichsweise bescheidenen 80 kWh, die Leistung des Antriebs bei 300 kW und die Reichweite bei rund 450 Kilometern mit einer Batterieladung. Die Zahl 1886 ist eine Hommage an das Jahr der Erfindung des Automobils mit Verbrennungsmotors durch Carl Benz. Die Lackierung ist in „Hightech-Silber“ ausgeführt, mit einer Frontmaske in Schwarz. Seitlich auf den Kotflügeln und im Innenraum klebt eine Plakette mit der Jahreszahl, ebenso ist sie in den Sitzlehnen integriert. Für Käufer interessanter dürfte aber sein, dass im Sondermodell der Wartungsservice über die nächsten sechs Jahre ebenso inkludiert ist wie die Verlängerung der Garantie auf sechs Jahre sowie ein Hol- und Bringservice, wenn der Wagen doch mal liegen bleiben sollte oder für die Wartung in die Werkstatt muss. Den Preis für das Sondermodell hingegen nennt Mercedes ebenso wenig wie die Lieferzeit oder die geplanten Stückzahlen. Immerhin: Bestellungen nimmt der Autohersteller „in Kürze“ entgegen.
Im Vergleich zum EQC wirkt der neue GLS, den Mercedes in New York präsentiert, wie ein Saurier einer zu Ende gehenden Epoche oder einer Zeit, die die Menschheit längst hinter sich gelassen haben sollte. Doch das Luxus-SUV der nächsten und hoffentlich dann allerletzten Generation wird ebenfalls teil-elektrifiziert, bekommt im 4,0-Liter-V8 einen integrierten Startergenerator (ISG) mit 16 kW Leistung. Damit soll dem V8 das Saufen abgewöhnt werden, Mercedes verspricht rund 8 Prozent weniger Spritkonsum. Mit weiteren Maßnahmen an Aerodynamik und Technik sollen es insgesamt 20 Prozent weniger Verbrauch im Vergleich zum Vorgängermodell sei. Verkauft werden soll der GLS ab Herbst in USA. Europa wird davon hoffentlich verschont: Wir können auf Saurier leicht verzichten.
Habaniro macht heiß
An einen Starttermin ist beim Genesis Mint Concept vorerst nicht zu denken. Schade eigentlich. Die Nobeltochter von Hyundai will auf der New York Messe mit der Konzeptstudie erst einmal nur zeigen, dass auch sie sich um die Zukunft der Mobilität in den staugeplagten Städten Gedanken macht. Der Mint Concept bietet zwei Sitze, kurze Überhänge und einen noblen Innenraum. Der soll aber nicht nur die Passagiere als Rückzugsraum verwöhnen, sondern bei Verlangen dem Fahrer viel Fahrspaß vermitteln. Die Reichweite des Stromers beträgt rund 320 Kilometer, mit Hilfe einer Schnellladestation mit einer Ladeleistung von 350 kW soll er in wenigen Minuten geladen sein. Weitere technische Daten oder die Wahrscheinlichkeit auf einen Serienstart gab das Unternehmen nicht bekannt.
Ebenso unkonkret sind die Aussagen von Kia zur weiteren Verwendung der Studie Habaniro Concept. Weit öffnende Flügeltüren, breite Loungesessel und ein Fahrzeuglenker sehen allerdings wenig seriennah aus. Der Fahrer muss künftig aber seltener zum Steuer greifen, da die Studie autonom nach Level 5 fahren soll. Zwei Elektromotoren sollen für ausreichend Traktion sorgen, die Reichweite gibt Kia mit 480 Kilometer an. Dafür passen die kompakten Maße mit 4,43 Meter Länge, 1,60 Meter Höhe und einer Breite von 1,96 Meter. Der Name Habaniro kommt übrigens von Habanero, eines der schärfsten Chili-Gewächse. Kia will also die Betrachter wohl heiß machen auf ein derartiges Elektromobil.
Elektrisch kehren
Mit ganz profanen Gedanken trägt sich derweil The City of New York Department of Sanitation (DSNY). Das Unternehmen kümmert sich in der US-Metropole um Abfallentsorgung, Recycling, Straßenreinigung und Schneeräumung. Doch auch der Kraftstoffverbrauch sowie die Reduzierung von CO2 und Lärm scheinen die Behörde umzutreiben. Mit bis zu 25 km/h reinigt die erste elektrische Hybrid-Kehrmaschine der Welt die Straßen von New York City. Bisher fahren die 435 städtischen Kehrmaschinen in der Metropole noch mit Bio-Diesel aus Sojabohnen. Und auch die Bürsten werden über den Verbrenner betrieben. Künftig sollen sie wie bei dem ersten Fahrzeug mit Strom bewegt werden. Dann hören Passanten und Anwohner nur noch das Rauschen und Schleifen der Kehr-Maschinerie, wenn sie die Straßen reinigen. Trotz wandschrankgroßer Front, großer Kabine und großer Ladefläche. Ähnliche Fahrzeuge würde man sich auch in deutschen Städten wünschen. Hallo Stuttgart: Warum gibt es eigentlich noch keinen elektrisch angetriebenen Unimog?