Herr Wenders, wer hat sich eigentlich den Namen Byton ausgedacht?
Ein Kollege aus unserem Team.
Im Rahmen eines Wettbewerbs?
Wir hatten zunächst Agenturen beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. Da war aber nichts Vernünftiges dabei. Das war aber auch keine einfache Aufgabe, weil man als Externer schneller eine Stilproblematik hat – man schneidert einen Anzug, den man nie selbst tragen wird. Durchgesetzt hat sich schließlich die Idee des Kollegen Petar Strahinja.
Byton ist ein Kunstname. Wofür steht er?
Er steht für Bytes on wheels. Es steckt Computertechnik drin, auch Elektromobilität. Im Endeffekt entschied aber die Phonetik: B ist ein kraftvoller Buchstabe – und „on“ immer eine elegante, sehr wertige Endung, für Europäer ebenso wie für Amerikaner oder Chinesen. Wellington…
…Edison…
(Lacht) Ja, darüber haben wir in der Tat auch nachgedacht.
Andere haben eine alte Marke reaktiviert – Borgward.
Das wäre mir zu gefährlich gewesen. Man nimmt dabei ein altes Erbe mit. Es ist ein deutscher Name. Und der Konsument weiß doch, dass sich das neue Produkt in dem alten Namen gar nicht widerspiegelt. Für uns war immer klar: Wir machen in jeder Beziehung etwas ganz Neues. Ein neues Auto, ein neues Unternehmen, mit einer komplett neuen DNA. Für ein altes Unternehmen verlässt doch niemand seinen Arbeitsplatz bei Google oder Apple. Und der Kunde findet keinen Anknüpfungspunkt zur alten Historie. Von den juristischen Fallstricken ganz zu schweigen, die in der Historie lauern könnten.
Kommen wir zum Claim der Marke. Bei Ihrem früheren Arbeitgeber hieß der „Aus Freude am Fahren“, Byton wirbt mit dem Slogan „Time to Be“. Einen Bezug zum Auto stellen Sie damit nicht her. Ganz bewusst nicht?
Es geht um einen neuen Bezug zum Auto. In Zukunft geht es immer weniger um den Fahrspaß, den ein Auto ermöglicht. Dafür wird es wichtiger, was einem das Auto bieten kann, um die Zeit besser und vor allem sinnstiftender nutzen zu können. Wenn sich Autos im Modus „Autonomes Fahren“ bewegen, hat dann auch selbst die Fahrerin oder der Fahrer die Zeit, das zu tun, was sie oder er möchte und damit die persönliche „Time to Be“. Die nächste Generation wird Neuerwerbungen unter der Fragestellung begutachten: Was habe ich davon? Was ist mein persönlicher Mehrwert? Die Digitalisierung wird dazu beitragen, dass sich die Menschen viel unabhängiger bewegen, die sich nicht mehr an ein eigenes Auto binden wollen. Der Anteil von Autos in Privatbesitz wird sich in den kommenden Jahren deutlich reduzieren.
Das heißt, Sie wollen eigentlich gar kein Auto mehr verkaufen?
Doch, doch. Aber es wäre fatal, heutzutage noch ein neues Unternehmen zu gründen, das sich allein auf diesen Aspekt konzentriert. Wir werden nicht nur ein Auto bauen, sondern gleichzeitig auch eine digitale Infrastruktur, die es Ihnen beispielsweise erlaubt, mit einer Byton-ID in ein Uber-Fahrzeug einzusteigen und dort trotzdem das Byton-Erlebnis zu haben.
Wollen Sie auf diese Weise dem Wettbewerb mit anderen Autoherstellern ausweichen?
Keineswegs. Wir werden uns dem Markt stellen, ein wettbewerbsfähiges Fahrzeug auf den Markt bringen. Aber die Akzeptanz auf dem Markt wird vom Kunden und nicht vom Hersteller definiert.
Wo läge demnach der USP Ihres Fahrzeugs?
An unserem Konzeptauto sieht man deutlich, dass die Digitalisierung bei uns eine ganz andere Rolle spielt als bei den bekannten Autoherstellern. Die Digitalisierung spiegelt sich in unserem Fahrzeug insbesondere in unserem sogenannten „Shared Experience Display“ wider, welches sich über das gesamte Armaturenbrett erstreckt. Über dieses können je nach Fahrsituation Inhalte für alle Personen im Auto angezeigt werden, von Navigationskarten im Fahrzustand bis hin zu Spielfilmen beim autonomen Fahren – oder im Stau. Gekoppelt ist dieses großzügige Display an ein modernes Antennensystem, welches eine hundertfache Datenübertragung erlaubt, im Vergleich zu dem, was Sie heute von Ihrem LTE-Mobiltelefon kennen.
Bevor wir uns in den technischen Details verlieren – auf denen soll ja nicht das Hauptaugenmerk legen: Zunächst einmal müssen Sie eine komplett neue Marke in den Markt einführen. Wie soll das geschehen?
Indem wir schon jetzt, Jahre vor der Markteinführung, mit Endkunden kommunizieren. Wir haben im ersten Schritt eine Markenidentität entwickelt. Einer unserer Werte heißt beispielsweise „Pathbreaking“.
…wegweisend. Ja klar, aber das wollen doch alle sein, oder?
Sicher, aber wir wollen revolutionär neue Technologien nutzen, um zukunftsorientierte Services zu schaffen…
…die den Menschen Lebenszeit zurückgeben – deshalb „Time to Be“.
Genau. Aber „Pathbreaking“ ist nur ein Markenwert. Der andere lautet „Approachability“.
Die Marketingleute verwenden gerne englische Begriffe. Was heißt das jetzt? Nahbarkeit?
Richtig. Wir sind jederzeit ansprechbar, nehmen den Dialog mit unseren Kunden auf. Von Anfang an gibt es uns deshalb auf Facebook, auf WeChat, auf allen Social Media-Kanälen.
Wo sich heute bereits Volkswagen, Daimler, Ford und viele andere tummeln.
Ja klar. Da muss heute jeder sein. Wir nutzen die Kanäle nicht nur, um über zwei Jahre vor der Markteinführung unseres ersten Autos in Europa eine Markenbekanntheit aufzubauen, sondern auch, um von den Menschen zu erfahren, welche Bedürfnisse sie haben. Wir führen beide Seiten in Co-Creation-Groups zusammen, lassen unsere Fans bei der Farb- oder Materialauswahl mitwirken. Das heißt nicht, dass wir immer dem Voting der Fans folgen. Aber die Stimme der Kunden ist uns extrem wichtig. Deshalb zeigen wir auch so intensiv unsere drei Konzeptautos herum, die schon sehr nahe an der Serie sind. Wir waren in Las Vegas, bei der Designweek in Mailand, in Norwegen, in Peking. So kriegen wir jede Menge Feedback aus allen relevanten Märkten.
Wie bekannt ist die Marke denn inzwischen schon?
Das haben wir noch nicht gemessen – das wäre viel zu früh. Eine repräsentative Befragung dazu wäre zum jetzigen Zeitpunkt rausgeworfenes Geld. Wir haben ja gerade erst angefangen. Aber wir messen natürlich, wie viele Fans wir haben…
Und? Wie viele sind es?
Es sind weltweit bereits Zehntausende. Das ist schon mal eine Grundmasse. Einige aus China, Norwegen und Deutschland haben wir beispielsweise nach Mailand eingeladen. Wir wollen glaubwürdig als Weltmarke rüberkommen, Byton soll sich global relevant anfühlen.
Bloß nicht als chinesische Marke?
Unser Auto wird in China produziert, das Hauptquartier von Byton steht in Nanjing, große Investoren kommen aus China. Aber unser Produkt ist von weltweiter Relevanz und so ist Byton auch eine globale Marke. Unsere Fans kommen annähernd zu gleichen Teilen aus China, Nordamerika und Europa. Deshalb wollen wir in allen drei Regionen auch gleichermaßen mit Aktivitäten präsent sein.
Die Autoindustrie befindet sich gerade in einem gigantischen Transformationsprozess, erlebt eine Art Energiewende und Neuorientierung im Gefolge der Digitalisierung. Das macht es einem Newcomer sicher leicht, in einen Markt einzutreten?
Gewiss. Es entstehen mit den genannten Veränderungen eine Menge ganz neuer Märkte – für Elektromobilität, für die Nutzung digitaler Dienste, für die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen. Da liegen überall Chancen für uns. Wenn wir nur Hardware montieren, nur Elektroautos bauen würde, wären es nicht einmal halb so viele. Wir sind damit nicht die ersten, aber das ist auch gut so: Ein Alleingang ist immer mit großen Risiken verbunden. So ist dank Tesla, Uber und anderen schon mal eine Grundmasse an Interessenten vorhanden.
Abschließende Frage: Was wäre Ihr Traum, wenn Sie an Byton denken?
Mein Traum ist, dass die Vorstellung von Verkehr und Auto dank Byton eines Tages wieder positiv besetzt ist. Heute ist das eher ja ein Albtraum, scheint es immer schlimmer zu werden. Ich würde gerne eine Kehrtwendung einleiten – auf dass Mobilität wieder als etwas Positives, als Mehrwert betrachtet wird, auch weil Fahrten mit dem Auto emissions- und stressfrei sind und ich die Zeit damit sinn- und genussvoll erlebe. Das wäre doch eine schöne Vision, oder?