Olivier Reppert und Sebastian Hofelich können zufrieden sein: Die Chefs der beiden Carsharing-Anbieter Car2Go und DriveNow haben beide vergangenes Jahr kräftig neue Kunden gewonnen – deren Zahl legte um beeindruckende 25 bis 30 Prozent zu. Das nicht nur international, sondern auch in ihren Stammmarkt Deutschland, wie die aktuellen Zahlen des Bundesverbandes Carsharing (BCS) verraten.
Wenn beide Firmen im Laufe des Jahres fusionieren sollten, was in der Branche als offenes Geheimnis gehandelt wird, dominieren sie endgültig den deutschen Markt fürs Carsharing. Denn sie konzentrieren sich auf das stationsunabhängige Autoteilen, bei dem die Kunden das Fahrzeug nach ihrer Tour irgendwo im Innenstadtbereich von Hamburg, Berlin oder München abstellen dürfen. Und es nicht zu einer festen Station zurückbringen müssen.
Auch wenn die Bequemlichkeit etwas mehr kostet, schätzen die Nutzer diesen Komfort. Rund 1,5 Millionen Menschen haben sich laut BCS bei den stationsunabhängigen Anbietern registriert, 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Neben Car2Go und DriveNow, die in insgesamt sieben deutschen Großstädten aktiv sind, gibt es in diesem Marktsegment nur noch kleinere regionale Anbieter.
Beim stationsgebundenen Carsharing machen immerhin bundesweit insgesamt 535.000 Kunden mit, ein Plus von knapp 18 Prozent. Was zusammen mit den Nutzern der stationsungebundenen Angebote in Summe 2,1 Millionen ergibt – ein neuer Rekord.
Gemessen an der Gesamtzahl aller Führerscheininhaber sei das noch wenig, räumt Gunnar Nehrke ein. Aber die Zuwachsraten, so der BCS-Geschäftsführer, zeigten, „wir verlassen die Nische“. Das Teilen von Autos ist auch nicht mehr nur etwas für Großstädter, auf dem Land interessieren sich ebenfalls immer mehr Bürger dafür (mehr dazu auch in der aktuellen Titel-Geschichte von Edison). In 677 Städten und Gemeinden gibt es entsprechende Angebote, 80 mehr als im Jahr zuvor. Bei der Hälfte handelt es sich um Orte mit weniger als 20.000 Einwohner.
Carsharing boomt – trotzdem droht bald das Ende
Vorbildlich: Ein Zehntel der Carsharing-Fahrzeuge in Deutschland sind Elektroautos, entweder rein batteriebetrieben oder Plug-In-Hybride. Deutlich mehr als im Gesamtbestand aller Fahrzeuge in Deutschland. Einer der besonders engagierten Anbieter ist BMW-Tochter DriveNow, die eine größere Zahl von i3-Modellen im Angebot hat. Allein in Hamburg sind es seit Ende vergangenen Jahres mehr als 200 E-Mobile, so viele wie an keinem anderen Standort in Deutschland.
DriveNow-Chef Hofelich kann sich sogar vorstellen, die gesamte Flotte von über 500 Fahrzeugen in der Hansestadt auf E-Antrieb umzustellen. Denn der Senat hat sich im Gegenzug dazu verpflichtet, die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte bis 2019 auf 1000 zu erhöhen. Weitere 150 will er auf speziellen Parkplätzen einrichten, die ausschließlich Carsharern vorbehalten sind. Was erst seit kurzem rechtlich möglich ist. Das feinstaub- und stickoxidgeplagte Stuttgart ist schon etwas weiter, dort besteht die gesamte Flotte der Daimler-Tochter Car2Go aus elektrifizierten B-Klassen.
Die zehn wichtigsten Carsharing-Städte sehen Sie hier:
Trotz aller positiven Statistiken heute wird das Carsharing in Zukunft an Bedeutung verlieren, „wenn ab 2025 autonom fahrende Autos verfügbar sind“, erwartet Klaus Stricker, Partner bei der Beratung Bain und dort Co-Leiter der globalen Praxisgruppe Automobilindustrie. „Dann werden die Menschen eher Robo-Taxis nutzen, statt sich Autos zu teilen und selber zu fahren.“
Bis es soweit sei, werde das Carsharing aber noch weiter wachsen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die geplante Fusion von Car2Go und DriveNow strategisch plausibel. Für die machen gerade Daimler und BMW den Weg frei, in dem sie jeweils die Anteile ihrer jeweiligen Geschäftspartner Europcar und Sixt an den Carsharing-Töchtern übernehmen. Nach dem Zusammenschluss lassen sich dann in Buchhaltung, Informationstechnik und Flottenmanagement Kosten senken, nach außen hin sollen beide Marke erhalten bleiben.
„Für die Autohersteller ist schon heute wichtig, über Carsharing-Angebote Kunden an sich zu binden, für die der persönliche Besitz eines Autos nicht mehr bedeutsam ist“, sagt Stricker. Wenn dann die Robo-Taxis kämen, könnten sie ihnen so leichter weitere Mobilitätsdienste anbieten.