Eine kurze Umfrage in der Twitter-Gemeinde von EDISON: Wer hat gerade seinen Stromanbieter gewechselt? Sofort gehen ein paar Hände hoch. „Total unspannend. Alter Ökostromanbieter erhöht krass die Preise, habe mit wenigen Klicks gewechselt. Läuft“, erzählt Daniel Meyer. „Click-Click – done“, twittert ein User mit dem Namen Hyperion – samt Smiley.
Also eigentlich ist alles ganz einfach. Aber trotzdem überhaupt nicht normal. Laut Bundesnetzagentur hat 2017 noch nicht einmal jeder zehnte Haushalt seinen Versorger getauscht. Da haben in derselben Zeit – prozentual gesehen – weit mehr Bundesliga-Vereine ihre Trainer gefeuert. Zwei Drittel der Deutschen haben zudem noch immer einen Vertrag beim lokalen Energieunternehmen. Dies zeige, „dass noch nicht alle Verbraucher ihr Wechselpotenzial nutzen“, stellt die Netzagentur ernüchtert fest.
Ist ja auch bequemer so. Nur eben auch teurer. Dabei ist der Strom in Deutschland für Privatkunden mit im Schnitt 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh) schon kostspieliger als im Rest der Europäischen Union. Schuld sind die hohen Steuern, Abgaben für die Stromnetze und die Erneuerbaren Energien – in dieser Reihenfolge.
Nun wird vermutlich kaum jemand allein wegen des niedrigen Strompreises – 9,8 Cent pro kWh – nach Bulgarien ziehen wollen, in das EU-Mitglied mit den derzeit günstigsten Tarifen. Also heißt es: Bleibe im Land und wehre dich redlich gegen die hohen Energiekosten. Und da gibt es mehr Möglichkeiten, als viele denken.
Wer noch einen Standardvertrag beim lokalen Versorger hat, sollte einfach mal nachfragen – und kann so oft einen mittleren zweistelligen Betrag im Jahr sparen, hat das Portal Finanztip ermittelt. Der Kunde bekommt dann Graustrom, der aus Kohlemeilern, Atomkraftwerken und aus erneuerbaren Quellen stammt.
Premium oder Pur
Viele wollen dagegen den umweltfreundlichen Ökostrom, der wirklich nur mit Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie oder Wasserkraft erzeugt wurde. Der auch Voraussetzung für die staatliche Förderung einer Wallbox ist, an der sich daheim das Elektroauto laden lässt. In dem Fall lohnt sich, genauer hinzuschauen. Denn die Preisunterschiede zwischen den Versorgern sind erheblich. Diesen Job hat exklusiv für EDISON das Vergleichsportal Verivox erledigt.
„Durchschnittlich über 200 Euro spart eine dreiköpfige Familie bei einem Wechsel aus der Grundversorgung mit Graustrom hin zu einem Ökotarif mit Gütesiegel“, hat Valerian Vogel ermittelt, Energieexperte bei Verivox. Er und seine Kollegen haben dazu die Tarife von bundesweit aktiven Anbietern verglichen und zwar jeweils nach dem Energiebedarf von Singles, Paaren, Familien bis hin zu Gewerbetreibenden.
Dabei ist Ökostrom nicht gleich Ökostrom. Manche Versorger bieten Elektrizität an, die beispielsweise aus uralten Wasserkraftwerken in Skandinavien stammt. Das verbessert zwar die persönliche Öko-Bilanz. Dafür erhalten aber die übrigen Graustrom-Kunden mehr Energie aus konventionellen Kraftwerken. In Summe profitiert das Klima also nicht.
Daher haben Umwelt- und Verbraucherverbände bereits um die Jahrtausendwende Gütesiegel entwickelt. Sie verpflichten die Versorger, laufend in den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu investieren, ökologische Standards einzuhalten und genau offenzulegen, woher der Strom stammt. „Die strengsten Kriterien legen die Gütesiegel OK Power und Grüner Strom Label an“, sagt Vogel. Daher hat er sich auf diese Öko-Premium-Tarife konzentriert.
Allerdings bieten einige Anbieter neben Grünstrom auch Graustrom an. Wen das stört, wechselt zu reinen Ökostromanbietern (Öko-Pur). Deren konsequenter Einsatz für die Energiewende ist vielen Kunden wichtig – was sich zeigte, als der Streit um den Hambacher Forst im rheinischen Braunkohlerevier eskalierte. Bei Naturstrom, Lichtblick und Polarstern meldeten sich sprunghaft mehr Neukunden an als sonst üblich. Viele seien ehemalige RWE-Kunden gewesen, meldeten die Wettbewerber.
Der strikte Öko-Kurs von Greenpeace Energy & Co. hat aber seinen Preis: Ihre Tarife sind um die zehn Prozent teurer als die der Premium-Anbieter.
Geld ist nicht alles
Doch sollten Wechselwillige nicht nur auf die Kosten achten. Verivox hat zum Beispiel Tarife aus der Analyse ausgeschlossen, die Vorkasse oder eine Kaution verlangen. Geht ein Versorger Pleite, wie jüngst die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft, bekommen die Kunden zu viel gezahltes Geld häufig nur sehr schwer zurück. Und auch versprochene Prämien, mit denen manche Anbieter Neukunden ködern, kann der Verbraucher dann abschreiben. „Viele günstige Lockangebote von Discountanbietern“ entpuppten sich „oftmals als bittere Enttäuschung“, warnt Jan Rabe, Mitbegründer von Wechselpilot, einem Dienst, der Kunden automatisiert einmal pro Jahr neue günstige Energieangebote vorschlägt.
Die Experten von Verivox haben sich aber noch weiter durch das Kleingedruckte der Verträge gewühlt und beispielsweise bewertet, wie verbraucherfreundlich die Konditionen sind. So sollte ein Vertrag nicht länger als ein Jahr laufen und für diesen Zeitraum eine Preisgarantie bieten. Die Kündigungsfrist sollte nicht mehr als sechs Wochen betragen. Und auch den Service hat Verivox gecheckt: Welche Zahlungswege gibt es? Wie gut ist die Kundenhotline zu erreichen? Was leistet das Kundenportal im Internet?
Anhand dieser Kriterien haben die Verivoxianer wiederum eine Note berechnet. In diesen Score ging nur zur Hälfte der Preis ein. Über die andere Hälfte der Benotung entschieden die Tarifbedingungen sowie die Anbieterqualität, sprich, wie fair der Anbieter über alle Offerten hinweg ist.
Das Ergebnis zeigen die Tabellen: Bei den Öko-Pur Anbietern holte Marktführer Lichtblick aus Hamburg viermal den Sieg. Dicht gefolgt von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), einer Genossenschaft aus dem Schwarzwald. Bei den Premium-Anbietern dominieren die kommunale Energieversorgung Halle (EVH) und die Entega, der kommunale Energieversorger von Darmstadt.
Also: Nicht jammern über die hohe Stromrechnung. Es gibt genug Chancen, die Energiekosten spürbar zu senken.
Was sagte Twitter-User umrath über seinen Wechsel zum neuen Versorger, der außerdem noch einen günstigen Ladetarif fürs E-Auto anbot: „Win-Win für mich.“