Die Strompreise in Deutschland kennen seit der sogenannten Energiewende, der Verabschiedung von der Kernkraft und dem Ausbau der Wind- und Sonnenenergie nur eine Richtung: nach oben. Im Mai lag der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde Haushaltsstrom laut Verivox-Verbraucherpreisindex bei 29,60 Cent, nach anderen Marktanalysen sogar schon bei 30,5 Cent. Zum Vergleich: 2001 zahlte der Verbraucher für eine Kilowattstunde (kWh) aus der Steckdose noch 13,5 Cent. Deutschland ist damit das Land mit den höchsten Strompreisen in Europa.

Das zeigt sich auch – und immer deutlicher – an den Ladesäulen für Elektroautos. Der Energieversorger Maingau aus Obertshausen bei Frankfurt, wegen günstiger Konditionen lange Zeit der Liebling vieler Elektromobilisten, wird zum 1. August den Preis für eine Kilowattstunde Autostrom um 10 auf dann 35 Cent für Laufkunden erhöhen. Und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) verlangt heute schon 39 Cent pro Kilowattstunde Wechselstrom und sogar 49 Cent, wenn an einer Schnellladestation Gleichstrom in die Batterie gezogen wird.

Eine Fahrt mit dem Stromer über 100 Kilometer Entfernung, hat die Managementberatung Horvath & Partners aus Stuttgart ausgerechnet, kostet damit heute in Deutschland durchschnittlich 7,70 Euro – gegenüber 4,40 Euro im europäischen Schnitt, gegenüber umgerechnet 2,40 Euro in den USA und gegenüber 1,90 Euro in China. „Wenn in Deutschland die hohen Stromkosten für Mobilität nicht sinken, fehlt für die Verbraucher ein preislicher Anreiz, auf ein Elektroauto umzusteigen“, warnt Dietmar Voggenreiter, der zusammen mit Georg Mrusek die Studie verfasst hat. Im europäischen Schnitt lägen die Betriebskosten eines Elektromobils 60 bis 80 Prozent unter denen eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. In Deutschland sei fast schon Parität erreicht: Für 7,70 Euro gibt es alternativ auch 6,5 Liter Dieselsprit, mit dem sich beispielsweise auch ein 240 PS starker Mercedes C300 locker über die Distanz bewegen ließe. Einziges Handicap: Das Fahrzeug würde auf der 100-Kilometer-Strecke die Klimabilanz mit etwa 17,2 Kilogramm Kohlendioxid belasten. Und auf die Tankfüllung kämen die höheren Kosten für die Wartung des Fahrzeugs.

Weiße Weste
Gut fürs Klima sind Elektroautos nur, wenn sie – wie hier in der Gläsernen Manufaktur von VW in Dresden – mit Ökostrom produziert werden.
© Volkswagen

Noch schlechter fällt die Kosten- und Klimabilanz aus, wenn das Fahrzeug den Fahrstrom nicht aus einer Batterie bezieht, sondern durch die so genannte kalte Verbrennung von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle gewonnen wird. Ein Grund ist der geringere Wirkungsgrad dieser Antriebstechnik in einer ganzheitlichen Betrachtung „Well-to-Wheel“, von der Produktion des Wasserstoffs bis zum Straßenbetrieb: Von 100 kWh regenerativ erzeugtem Strom landet nur etwa ein Viertel der Energie am Rad. Beim batterieelektrischen Auto sind es immerhin 75 Prozent. Und die E-Fuels, die der Verband der Autoindustrie (VDA) sowie die Mineralölwirtschaft gerne propagieren, weil mit ihnen die Verbrennungsmotoren und damit auch die Tankstellen weiterhin betrieben werden können? Da fällt die Primärenergie-Bilanz nach Einschätzung von Horvath & Partners noch schlechter aus, da der synthetische Kraftstoff aufwändig mit Hilfe regenerativer Energie erzeugt werden muss. Ergebnis: Um ein Fahrzeug mit E-Fuels anzutreiben, wird mindestens die vierfache Primärenergie wie bei einem Batterieauto benötigt.

Energiewende ohne Alternative

Und welche Schlussfolgerungen zieht die Studie von Horvath & Partners und damit der ehemalige Audi-Vorstand, der immerhin lange Jahre für den Konzern in China tätig war, aus all den Erkenntnissen? Deutschland ist wegen des aktuellen klimaschädlichen Strommix und der hohen Strompreise kein idealer Standort für die Elektromobilität – und dennoch ist die Energiewende auf der Straße gewissermaßen alternativlos. Horvath & Partners erwartet in den kommenden Jahren einen steilen Anstieg der Neuzulassungen von Batterieautos, der bis zum Jahr 2030 zu einem Verkauf von wenigstens einer Million Stromern und einem Marktanteil zwischen 35 und 40 Prozent führen wird.

Europaweit wird im Jahr 2035 sogar jedes zweite neuzugelassene Auto einen Elektroantrieb haben. Voggenreiter: „Der Großteil der Pkw-Flotte wird als Batteriefahrzeug betrieben.“ Die strengen CO2-Grenzwerte der EU für den Straßenverkehr ließen der Autoindustrie kaum eine Wahl: „Die Sachlage, der Klimawandel, ist erdrückend.“ Und die Brennstoffzelle wird wegen der hohen Kosten und der schlechten Primärenergiebilanz nur in Nischenanwendungen seine Anwendung finden. Zumindest auf dem Pkw-Markt. „Ein Brennstoffzellen-Pkw brauchen die doppelte Menge an regenerativer Primärenergie wie Batteriefahrzeuge.“ Im Güterverkehr mit hohen Nutzlasten und auf langen Strecken hingegen sieht Voggenreiter wegen der kürzeren Tankzeiten und der Fähigkeit, höhere Energiemengen aufzunehmen, durchaus Chancen für den Wasserstoffantrieb.

Schwerer Klimarucksack

Somit alles gut fürs Klima? Mitnichten. Denn es wird Jahre dauern, bis sich die Umstellung auf die alternativen Antriebe in der Klimabilanz niederschlägt. „Selbst wenn wir ab sofort nur noch Elektroautos zulassen und die Autos ausschließlich mit Ökostrom laden, wäre der Rucksack erst in neun Jahren weg“. Das Einzelfahrzeug kompensiert zwar seine individuelle Last nach etwa vier Jahren. Durch die jährliche Zunahme der Zulassungen von E-Mobilen verschiebt sich der Break Even für die gesamte Elektroflotte aber um neun Jahre. Der Grund sind die CO2-Emissionen, die bei der Produktion des Fahrzeug und der Stromspeicher beim aktuellen Strommix entstehen. So schlägt beispielsweise die Fertigung einer Kilowattstunde Speicherkapazität in Asien aktuell mit über 100 Kilogramm CO2 zu Buche. Vor dem Hintergrund ist es eigentlich gut für die Klimabilanz des Industriestandorts Deutschland, dass die Batteriezellen hierzulande nur in geringem Umfang gebaut werden.

Die Bundesregierung und die deutsche Autoindustrie wollen die Abhängigkeit von Zulieferern aus Asien etwa durch den Bau einer Forschungsfabrik in Münster und den Aufbau einer eigenen Zellfertigung schleunigst reduzieren. Doch das erfordere, mahnen die Verfasser der Studie, die Energiewende zu beschleunigen und den Rucksack der Batterieproduktion wenigstens zu halbieren. Voggenreiter: „Wir brauchen mehr Solar- und Windparks“. Der so genannte CO2-Break-even könnte dann schon im Jahr 2030 erreicht werden. Im Klartext: Die Elektroautos auf den Straßen hätten wirklich einen positiven Effekt auf die Klimabilanz.

Voggenreiter lobt in dem Zusammenhang ausdrücklich die Anstrengungen seinen früheren Arbeitgebers, die Elektroauto der nächsten Generation etwa durch die Umstellung der Produktion auf Ökostrom und Kompensationsleistungen klimaneutral zu stellen: „Volkswagen ist da ein wichtiger Vorreiter.“

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