Über 1,5 Millionen Solaranlagen stehen oder hängen in Deutschland. In unterschiedlichen Größen und – viel wichtiger – mit unterschiedlichen Wirkungsgraden. Denn mit Photovoltaik (kurz PV) kann nur ein Teil der solaren Energie in Strom umgewandelt werden.

Der Wirkungsgrad eines Windrads liegt mittlerweile bei über 50 Prozent. Braunkohle in Deutschland etwas darunter. PV schafft es im Labor auf ähnliche Werte, in der Massenfertigung allerdings sind 20 Prozent derzeit schon ein guter Wert. Viel Energie kann also nicht genutzt werden. Nun kann man sagen: Egal, die Sonne scheint zum Glück umsonst. Aber die Herstellung einer Solarzelle braucht viel Energie, zudem brauchen die Anlagen ja auch Platz. Deshalb suchen Forscher seit Jahren nach Möglichkeiten, den Wirkungsgrad zu erhöhen. Einer der Hoffnungsträger ist Perowskit.

Perowskite sind neu, unerforscht und haben das Potential, den PV-Markt aufzumischen. Weltweit ist die Wissenschaft von dem Wundermaterial begeistert. „Ich bin total fasziniert“, schwärmt beispielsweise Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin (kurz HZB): „Es Ist ein Hoffnungsträger.“ Auch bei den Fördermitteln sei das zu spüren, so der Wissenschaftler, der gerade eine Forschergruppe zusammenstellt.

Die Entwicklung ist rasant. Erst 2009 wurde entdeckt, dass Perowskite unglaublich gut darin sind, Licht in Strom umzuwandeln. Seitdem herrscht bei den Wissenschaftlern Aufbruchsstimmung. Der Wirkungsgrad schoss von einigen wenigen auf 22,1 Prozent in die Höhe. Diesen Weltrekord hält zurzeit ein koreanisches Forscherteam. „Dass in so kurzer Zeit solche Fortschritte gemacht wurden, gab es noch nie in der Geschichte der Photovoltaik“, erklärt Uli Würfel vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Die Silizium-Zellen haben für diese Entwicklung 40 Jahre gebraucht. „Perowskit ist ein erstaunliches Material, da es mit einfachen Mitteln erlaubt, hohe Wirkungsgrade zu erreichen“, sagt Würfel.

Vorerst reine Laborzellen

Noch sind die Zellen, an denen diese Werte gemessen werden, kleine Unikate im Labor. Auf einer größeren Fläche würde der Wirkungsgrad abfallen, könnte vermutlich aber noch mit Silizium mithalten. Das Wundermaterial hat aber noch einige Schwachpunkte. Es ist wasserlöslich und die chemische Struktur ist instabil. Von einer Langzeitstabilität ist die Forschung noch Meilen entfernt. Zudem enthält es entweder giftiges Blei oder schnell oxidierendes Zinn.

Bisher halten die Zellen höchstens ein bis zwei Jahre. Und das auch nur im Labor. Silizium hält dagegen 30 Jahre. Auch diesen Wert müssen die Forscher erreichen. Eine Möglichkeit ist, die Zellen zu versiegeln, um sie gegen Sauerstoff und Wasserdampf zu schützen. Wieviel das bringt, ist noch nicht geklärt, „Erste Einzelergebnisse geben aber Anlass zur Hoffnung“, sagt Würfel.

Bei der Suche nach bleifreien Perowskiten sind die Wissenschaftler zwar fündig geworden. Dabei ist der Wirkungsgrad aber bis auf wenige Prozente in den Keller gerutscht. Diese Probleme müssen gelöst und die Langzeitstabilität gegeben sein, um den Durchbruch zu erreichen, ist Holger Röhm vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) überzeugt. Aber die Suche lohne sich: „Es hat riesiges Potential.“

Hoher Wirkungsgrad noch nicht erklärt

Warum das Material so gute Eigenschaften hat, obwohl es sehr simpel ist, gilt in der Wissenschaft als Mysterium. „Ein Mysterium, das ich hoffe, mit zu lösen“, erzählt Röhm lachend. Vielleicht ist der Wissenschaftler der Lösung schon einen Schritt näher gekommen. Zusammen mit seinen Kollegen hat er in Perowskit-Schichten streifenförmige Nanostrukturen mit sich abwechselnden elektrischen Feldern nachgewiesen. Das könnte einer der Gründe sein, warum die Solarzellen so gut funktionieren. Röhm: Das herauszufinden sei der – in der Forschung häufig bemühte – „heilige Gral“.

Trotzdem gibt es schon Einsatzmöglichkeiten. Eine geplante Strategie ist, Perowskit als Add-on einzusetzen, da es Wellenlängen-Bereiche des Lichts in Strom umwandelt, die in Silizium-Solarzellen nur ineffizient genutzt werden. Mit relativ geringen Zusatzkosten kann eine solche Tandem-Solarzelle den Wirkungsgrad steigern. Die Verwendung der etablierten Siliziumtechnologie für die sogenannte „Bottomsolarzelle“ ermöglicht zudem einen schnellen Transfer in die industrielle Fertigung.

Am ISE wurde eine Tandemsolarzelle bereits mit über 29 Prozent Wirkungsgrad hergestellt. Die beste Siliziumzelle schafft es im Labor auf 26 Prozent. „Dies muss eine Tandemsolarzelle überbieten, ohne dass sie viel mehr kostet“, erklärt Albrecht. Einfach ist es nicht. Die Preise für Siliziumzellen sind im Keller. Dagegen anzukommen wird schwer. Das Zeug dazu haben Perowskite allerdings. Denn grundsätzlich seien auch diese Zellen „einfach herzustellen und günstig“, sagt der HZB-Forscher. Perowskit ist nicht selten, wurde schon in der Eifel und am Kaiserstuhl gefunden. Zudem reicht eine Schicht, die so dünn wie das Tausendstel eines Haares ist.

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