E-Autos brauchen Batterien, Batterien brauchen Kobalt. Bei dessen Förderung geht es aber oft nicht sauber zu. Im Kongo etwa, wo 60 Prozent des weltweit geförderten Kobalts herkommt, arbeiten auch Kinder in Minen. In einer Serie wollen wir diese Thematik genauer untersuchen und mögliche Lösungsansätze vorstellen.

Es sei ein „bizarrer Kampf“, der derzeit gegen die Automobilindustrie geführt würde. Um Kinder in deutschen Städten vor Stickoxiden zu schützen, müssten Gleichaltrige andernorts viel größeres Leid ertragen. So tönt es aus dem Lager jener Kommentatoren, die den Klimawandel anzweifeln, am Diesel-Auto festhalten und auch sonst möchten, das alles beim Alten bleibt.

„Elektroautos brauchen Kobalt aus dem Kongo“, schreibt beispielsweise Vera Lengsfeld. „Anstieg der Kinderarbeit vorprogrammiert“, prophezeit sie bereits im Titel ihres Textes, den sie auf der deutschsprachigen Seite der Epoch-Times und in anderen rechtspopulistischen Medien verbreitetet.

Weniger als 20 Prozent des Kobalts stammt aus dem Kleinbergbau

Nun wohnt dem Vorwurf ein wahrer Kern inne. Im Süden des zentralafrikanischen Landes gibt es auch Kinder, die am Abbau von Kobalt beteiligt sind. Möglich also, dass so geförderten Rohstoffe in die Produktion von Autobatterien gelangen, die bislang auf Kobalt angewiesen ist. Und ohne die kongolesischen Minen, die rund 60 Prozent der weltweiten Kobaltförderung stemmen, wären die Hersteller erst recht aufgeschmissen.

Ohne das Problem der Kinderarbeit kleinzureden: Diese Art der Auseinandersetzung wird der Realität vor Ort nicht gerecht – und verhindert sogar eine ehrliche und nötige Diskussion über Lösungsansätze. Denn die Aussage, dass durch die Nachfrage nach E-Autos der „Anstieg der Kinderarbeit vorprogrammiert“ sei: Das ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit. Richtig ist: Minderjährige sind vor allem rund um den Kleinbergbau tätig, jene teilweise illegalen, unsicheren, unregulierten und ohne großes Gerät betriebenen Minen. „Darunter sind auch siebenjährige Kinder, die in weggeworfenen Abfallprodukten der industriellen Minen nach Kobalt suchen und die Erze sortieren und waschen, bevor sie verkauft werden“, schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Report, der Ende 2016 für internationale Schlagzeilen sorgte und Automobilhersteller in Erklärungsnot brachte.

Was dabei jedoch untergeht: Jener Kleinbergbau beschäftigt Amnesty zufolge zwar zwischen 110.000 und 150.000 Menschen, hat jedoch nur einen Anteil von weniger als 20 Prozent an der Gesamtproduktion. Tendenz sinkend: So lag der Anteil im Jahr 2002 noch bei 90 Prozent. Es sind vor allem international tätige Konzerne, wie Glencore aus der Schweiz und Huayou Cobalt aus China, die Lizenzen erwerben, um riesige Tagebaue auszuheben. Ein lukratives Geschäft angesichts des Kobaltpreises, der sich allein in den vergangenen beiden Jahren vervierfacht hatte. Mittlerweile ist der Preis fast wieder auf das Vor-Boom-Niveau gesunken, aber unabhängig davon: Bei so vielen Menschen, die nun ihr Glück in der boomenden Regionen versuchen, sind die industriellen Minen auf Kinderarbeit nicht angewiesen.

Kinderarbeit ist nur ein Teil des Problems

Trotzdem waren es die Bilder einzelner Kinder rund um den Kleinbergbau, mit denen die Washington Post, CBS und CNN für Empörung sorgten. „Offenbar ist dies das Thema, das reizt“, sagt Esther de Haan: „Das will man nicht in der Produktionskette haben.“ Für das niederländische Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) hat sie in einem Report untersucht, welche Auswirkungen die Minen auf angrenzende Gemeinden haben. „Es sollte sich nicht nur auf Kinderarbeit fokussiert werden, weil sich die Lage nur verbessert, wenn das ganze Paket angegangen wird“, merkt sie an. „Solange Minenarbeiter nicht genug fürs Leben verdienen, werden immer auch Kinder tätig sein.“

Wenn nur einseitig die Kinderarbeit thematisiert wird, könnten sich internationale Konzerne zu leicht aus der Affäre ziehen. Dabei hat SOMO die Probleme dokumentiert, für die sie auch verantwortlich sind: Umsiedlungen, Umweltverschmutzung und teils tödliche Gewalt von Sicherheitskräften gegen jene, die unerlaubt ihr Areal betreten.

Trotz der erschütternden Berichte, die sie für den Report auswerten musste, ist de Haan sich sicher: Beim Autokauf sind E-Fahrzeuge nach wie vor die richtige Wahl. „Elektronische Autos lösen eine Menge anderer Probleme“, sagt sie und folgert: „Grundsätzlich ist es der beste Weg, die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern.“

Wie dies unter anderem mit Rohstoff-Zertifizierungen gelingen könnte, ist eines der nächsten Themen dieser Reihe.

Artikel teilen

6 Kommentare

  1. Anke Griesbach

    Sehr geehrter Herr Rother,
    die Art und Weise wie in diesem Artikel das Leid von Kindern aus ökonomischer Perspektive schamlos relativiert ist, erschreckt mich zutiefst.
    Was geht in Köpfen von Menschen vor, die Gesundheit und Leben von Kindern derart geringschätzen und, nur in einem einschränkenden Halbsatz ihr Leid anerkennend, es damit billigend in Kauf nehmen!
    Wenn nicht mehr der Schutz des Lebens und der Gesundheit das zentrale Kriterium bildet, um Entscheidungen zu treffen, dann gnade uns Gott!

    Antworten
  2. Bernd Rickermann

    Bin seit 12 Jahre in Uganda in der Entwicklungshilfe tätig . Mein Freund seit
    ca. 8 Jahre im Kongo.. War einer von Ihnen schon mal im Kongo und hat sich
    die Kinderarbeit vor Ort angesehen .. Könnte kotz….wenn ich über die Berichte
    über die Notwendigkeit der E-Autos lese.. Was bringt es denn wenn wir hier
    versuchen die Luft sauberer zu machen und unsere alten Autos zu Zigtausenden
    ins Ausland verkauft werden , wo dann zuallererst der Kathalisator ausgebaut
    wird und ohne diesen verkauft wird ..
    Wir betreiben hier bei uns schon seit Jahren eine erbärmliche Politik auf Kosten
    der Entwicklungsländer.. Es geht immer nur um den Mammon. Egal wieviel Menschen dafür ihr Leben lassen müssen..
    Jedes Kind egal wo auf der Welt hat das gleiche Recht auf ein menschenwürdiges Leben wie jeder Konzerngigant…

    Antworten
  3. Lucas

    Hallo,

    warum ist den dieser erste Teil dieser Serie für 2019 datiert und die späteren Teile mit 2018? Wurde dieser Text überarbeitet ? Und stimmen die angegeben Zahlen und Relationen dieses Textes auch mit dem Jahr 2019 zusammen ?

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Das sind in der Tat ältere Beiträge. Wann sie überarbeitet wurden und wie, muss ich erst beim Kollegen erfragen, der sich damals – daran erinnere ich mich – sehr viel Arbeit damit gemacht hat.

      Antworten
      • Damian

        Und ? Eine Antwort ?

        Antworten
        • Franz W. Rother

          Worauf?

          Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert