Wenn deutsche Politiker das Pariser Klimaabkommen wirklich ernst nehmen würden, müssten sie für eine Verdopplung der Preise für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid sorgen. Denn die derzeitigen wirtschaftlichen Anreize für eine Umstellung auf klimafreundliche Brennstoffe sind viel zu gering. Das ist das Ergebnis einer Studie der unter der Abkürzung OECD bekannten Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Um den Klimawandel gegenüber vorindustriellen Zeiten auf einen Anstieg von zwei Grad zu begrenzen, müsste der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 im Jahr 2020 eigentlich bei mindestens 30 Euro liegen, möglicherweise sogar höher. Dazu zählen direkten Kosten, die Industriekonzerne für den Kauf von EU-Emissionsrechten einkalkulieren müssen, wie auch indirekte Preiserhöhungen durch spezielle Steuern auf fossile Brennstoffe wie Benzin. Wie groß die Unterschiede zwischen diesem für den Klimaschutz notwendigen und den jeweils aktuellen viel zu niedrigen CO2-Preisen sind, rechnen die Autoren für jedes der 42 insgesamt untersuchten Länder vor.
Auch wenn sich Deutschland gerne als Vorreiter im Klimaschutz präsentiert, folgt aus der sogenannten „CO2-Preis-Lücke“ von 53 Prozent ein ernüchternder Platz 16. Der Verweis auf die in Russland klaffende Lücke von 100 Prozent reicht nicht aus, um hinwegzutäuschen über die Versäumnisse gegenüber anderen Industrieländern wie Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, die besser abschneiden – ganz zu schweigen vom Spitzenreiter Schweiz mit einer geringen CO2-Preis-Lücke von lediglich 27 Prozent. Österreich wiederum schafft auf Platz 13 keine deutlich stärkeren Anreize für umweltschonendere Technologien als Deutschland.
Zwar belegt ein weltweiter Vergleich der Preise aus dem Jahr 2012 mit denen aus dem Jahr 2015 einen Fortschritt. Dieser vollziehe sich jedoch in „Schneckentempo“, urteilen die Autoren. Das Schmälern der globalen CO2-Preis-Lücke von 83 auf 79,5 Prozent reiche bei weitem nicht aus. „Wenn sich der Rückgang um ein Prozent jährlich so fortsetzen würden, wäre die Lücke im Jahr 2095 geschlossen“, so die OECD.
In Deutschland stagnierte der Preis sogar auf unzureichendem Niveau. Während höhere Preise für fossile Brennstoffe sich indirekt auch auf den Kosten für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid auswirken, kommen die Bereiche Wohnen, Handel, Industrie und auch die Stromproduktion viel zu gut davon. Nur selten werden die nötigen 30 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 fällig. Das liegt auch am europaweiten Handel mit Emissionsrechten, die im Jahr 2015 noch für schlappe 7,60 Euro den Besitzer wechselten.
Zuletzt stiegen die Preise in Europa jedoch rasant auf über 20 Euro an, was sich in der Studie noch nicht vollständig wiederspiegelt. Wie hier bei Edison nachzulesen, liegt das vor allem an der gesteuerten Verknappung der Zertifikate, der Reform der „Markstabilitätsreserve“, die von den Autoren der Studie lobend erwähnt wird. Nötig wäre jedoch mehr. Großbritannien und die Schweiz beispielsweise haben eine direkte Abgaben auf die Nutzung von Energie eingeführt – in der Höhe der jeweiligen CO2-Emmissionen.
Während Deutschland zaudert, wird ein wichtiger Impuls aus China erwartet: Ein neuer – wenn auch national beschränkter – Emissionshandel könnte maßgeblich beitragen zu einer Schmälerung der globalen CO2-Preis-Lücke von aktuell etwa 76,5 auf 63 Prozent.