In den Tiefen des Meeres schlummern riesige Mengen Gas. Eingeschlossen in sogenannten Hydraten lagert es seit Tausenden von Jahren unbemerkt von der energiehungrigen Menschheit in den Sedimenten. Doch jetzt ist die Ruhe vorbei, denn die Menschen sind auf den wertvollen Schatz aufmerksam geworden und wollen ihn an die Meeresoberfläche holen.

Aus gutem Grund: Experten schätzen das Vorkommen auf zwischen 1000 und 5000 Gigatonnen. Genau weiß niemand, wie viel Methanhydrate tatsächlich in den Meerestiefen lagern. Wie das darin enthaltene Gas wirtschaftlich gewonnen werden kann, ist ebenfalls noch nicht vollständig geklärt. Und auch welche Auswirkungen die Gewinnung auf die Meeresumwelt hat, ist völlig unbekannt.

Japan ist Vorreiter beim Versuch, das Gas aus der Tiefe zu holen. Über einen Zeitraum von mehreren Tagen förderten sie täglich 20.000 Kubikmeter Methan. „Das ist gut – aber erst bei der doppelten oder dreifachen Menge lohnt sich ein wirtschaftlicher Abbau“, erklärt Gerhard Bohrmann vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (MARUM) in Bremen.

Asiatische Länder gehen voran

China zieht verstärkt nach. Im vergangenen Jahr holten sie im südchinesischen Meer aus einer Tiefe von 1266 Metern täglich durchschnittlich 16.000 Kubikmeter Gas. Der chinesische Minister Jiang Daming sprach bereits von „einem großen Durchbruch“, der „zu einer weltweiten Energierevolution führen könnte“.

Ganz so euphorisch ist der Geologe aus Norddeutschland nicht. Bohrmann rechnet damit, dass noch einige Jahre vergehen werden, bevor Methanhydrate kommerziell abgebaut werden. Die Technik sei noch nicht ausgereift und die notwendige Infrastruktur fehle. Zudem schwanke die Konzentration des Methans im Hydrat, das auch bis zu 30 Prozent Anteile anderer Gase wie etwa Ethan oder Propan enthalten kann.

Auch Südkorea und Indien setzen große Hoffnungen auf Methanhydrate. Für sie könnte es ein wichtiger Energielieferant werden, da sie an Land nur über geringe oder gar keine Ressourcen an Erdöl und -gas verfügen. Die meisten Vorkommen liegen innerhalb der 200-Meilen-Zone und gehören damit den angrenzenden Küstenstaaten. Für Deutschland spielt das Tiefseegas keine Rolle, da es in Nord- und Ostsee nicht vorkommt.

Unvergleichliche Dichte

„Brennendes Eis“ werden die energiereichen Hydrate oft genannt, die meist in 500 bis 1000 Meter Wassertiefe an den Kontinentalhängen entstehen. Mit Eis haben sie aber nichts zu tun. Die Klumpen sehen zwar ähnlich aus, haben jedoch eine völlig andere Struktur und sind von der Wissenschaft noch längst nicht komplett erforscht.

Aufgrund der geringeren Temperatur und des hohen Drucks am Meeresgrund bauen die Wassermoleküle einen Käfig, in dem Platz für ein Gasmolekül ist. Wird es seiner natürlichen Umgebung entrissen, zerfällt das Hydrat. Methan tröpfelt heraus. Irgendwann wird jemand auf die Idee gekommen sein, ein Feuerzeug daran zu halten und es zu entflammen. Und schon war das „brennende Eis“ geboren. Beeindruckend ist vor allem die unvergleichliche Dichte des Methanhydrats. „Ein Kubikmeter Methanhydrat gibt 164 Kubikmeter Methan“, erklärt Bohrmann.

Hydrate als CO2-Lager?

Ein gefördertes Projekt beschäftigte sich mit der Idee, die leeren Hydrate als CO2-Endlager zu nutzen. Die Wissenschaftler überlegten, das Methan aus den Hydraten zu verdrängen und aufzufangen und das CO2 in die leeren Hydrate einzuleiten. „Ein Kreislauf und eine Win-Win-Situation“, erklärt Bohrmann, der an dem Projekt beteiligt war. Dann änderte sich die politische Situation. Die Idee landete in der Schublade. „Wenn fossile Energien weiter genutzt werden, wird es zur Einhaltung der Klimaschutzziele vielleicht wieder interessant“, spekuliert der Wissenschaftler.

Methan ist ein Treibhausgas, das das Klima 25 Mal stärker aufheizt als CO2. Erwärmen sich Gashydrate oder werden sie durch Mikroben oder geologische Prozesse destabilisiert, entweicht das Methan in die Atmosphäre. Beim Abbau ist daher besondere Vorsicht notwendig.

Etabliert hat sich eine sogenannte „Druckentlastung“. Die Hydrate werden angebohrt und durch Pumpen wird ein Unterdruck geschaffen. Die Methanhydrate zersetzen sich und das Methan wird „abgesaugt“ und an Bord des Schiffes geholt. Ein Verfahren, das dem der Offshore-Gasexploration ganz ähnlich ist. Die Technologie könnte relativ einfach adaptiert werden. Es fehlen nur die Gelder. Forschungen und Probebohrungen seien meist staatliche Programme, so Bohrmann.

Vorsicht beim Eingriff ins Ökosystem

Schwieriger ist es dagegen, den Tiefseeschatz überhaupt erst zu finden. Verborgen unter einer Sedimentschicht sind Methanhydrate leicht zu übersehen. Nur die davon lebenden chemosynthetischen Organismen weisen auf das wertvolle Gas hin.

Das ist ein Problem. Diese Organismen sind noch nicht erforscht und sie werden als Nahrungsquelle von anderen Lebewesen genutzt. „Das Ökosystem gab es schon, als es an Land noch kein Leben gab“, macht Bohrmann die Bedeutung deutlich. „Wir dürfen nicht schon wieder ein Ökosystem zerstören, bevor wir es überhaupt kennen.“ Der deutsche Hydratexperte fordert daher einen besonders sensiblen Umgang beim Abbau des in den Hydraten enthaltenen Gases. „Es muss vermieden werden, dass am Meeresgrund zu stark eingegriffen wird.“

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