Die Windflaute ist so eine Sache. Wenn kein Lüftchen weht, dann schauen die Anlagenbesitzer frustriert in den Himmel. Diesen Oktober weht so viel Wind, dass die Besitzer zufrieden sein können, die Anlagenbauer hingegen schieben schon das ganze Jahr Frust. Denn nach Boomjahren mit Rekordausbauzahlen in Deutschland und gutem Export herrscht jetzt Flaute in der Branche.
Der Hamburger Windturbinenbauer Senvion und der Rostocker Hersteller Nordex bauen schon Stellen ab, 780 bzw. 500 Mitarbeiter sollen gehen. Die Aktienkurse fallen. Der Optimismus ist weg. Denn neben dem zunehmenden Wettbewerb unter den Energiesystemen und ihren Herstellern setzt der Branche das Ausschreibungsverfahren für Wind an Land zu, das von der alten Bundesregierung eingeführt wurde, um die Strompreise zu senken. Was ja auch geglückt ist: Der durchschnittliche Preis nach der aktuellen Ausschreibung liegt bei lediglich 4,28 Cent je Kilowattstunde. Auch die EEG-Umlage wird im kommenden Jahr sinken.
Für die Verbraucher ist das alles sehr erfreulich, für die WEA-Hersteller eine Katastrophe. Denn einerseits sind nur rund 1800 Megawatt ausgeschrieben worden, andererseits gingen die auch noch zu 95 Prozent an Bürgerenergiegesellschaften. Auch das ist eigentlich erfreulich, können doch so die Menschen in der Region die Energiewende gestalten. Und da hätte auch Wolfram Axthelm nichts gegen. Der Sprecher des Bundesverbandes Windenergie (BWE) ist aber mit der Umsetzung unglücklich: „Es treten Projekte gegeneinander an, die nicht miteinander vergleichbar sind.“
Bürgerprojekte zu langfristig
Bürgerenergiegesellschaften konnten den historisch niedrigen Preis nur anbieten, weil sie mit einer WEA-Technologie der nächsten Generation kalkulierten. Das ist ihr gutes Recht, schließlich haben sie deutlich mehr Zeit für die Umsetzung ihrer Projekte. Projektentwickler müssen dagegen mit auf dem Markt vorhandener Technologie planen, die aber weniger effizient ist als die der heutigen Windmühlen. Und so hatten sie in den Ausschreibungen keine Chance.
„Das sind spekulative Gebote“, ärgert sich deshalb Enercon-Sprecher Felix Rehwald. Auch er hat nichts gegen Bürgerwindparks, doch so muss Enercon eben die Fertigung zurückfahren. Vorgeschriebene Bau-Genehmigungen brauchen Bürgerenergiegesellschaften im Gegensatz zu Projektierern nicht. In der Branche glaubt mancher, dass die Hälfte der Projekte daran scheitern könne. Damit würde das sowieso schon von 4,0 auf 2,8 Megawatt verkleinerte jährliche Wind-Ausbauvolumen noch mal schrumpfen. Für die Branche ein Schreckensszenario. „Es ist ein missbräuchliches Ausnutzen der Erleichterungen bei Bürgerenergiegesellschaften, das vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigt war“, so Rehwald.
Viele Kritiker des Ausschreibungsverfahrens sagen, der niedrige Windstrom-Preis sei teuer erkauft. Die IG-Metall befürchtet bereits einen massiven Stellenabbau. Eine Befragung von 38 Unternehmen ergab, dass mehr als 40 Prozent eine negative Marktentwicklung erwarten, knapp ein Viertel rechnet mit Stellenstreichungen.
Projektlücke steht bevor
Noch haben die meisten Windbauer gut zu tun. Beim Blick auf 2018 und 2019 sieht es jedoch düster aus. Die Hersteller befürchten, dass es dann kaum noch Aufträge gibt. Denn Bürgerwindparks haben bis zur Realisierung vier Jahre Zeit. Die hätte man mit teureren, aber größeren Projekten gut überbrücken können – doch dafür war die ausgeschriebene Leistung zu gering. „Wir haben damit keine Projekte, die in absehbarer Zeit gebaut werden“, erklärt Nordex-Sprecher Ralf Peters.
Dies durch Export in Europa kurzfristig aufzufangen, sei nicht möglich. Zulieferer und Dienstleister seien von dem Rückgang der Produktion ebenfalls betroffen. „Das geht durch die ganze Wertschöpfungskette“, so Peters. Und er befürchtet, dass die neue Bundesregierung egal in welcher Konstellation nicht nachbessern wird. „Das ist eine sehr schlechte Entwicklung“, findet auch BWE-Sprecher Axthelm. „Zu viele Akteure, die wir in der Zukunft brauchen, werden an den Rand gedrängt, entmutigt und geben vielleicht auf“, sagt er.
Was nun?
Glücklich ist kaum jemand. „Ein erhebliches Risiko“ nennt GE die Situation. Die US-Amerikaner stellen ebenfalls Anlagen her. „Ein echter und fairer Wettbewerb um EEG-Projekte findet bei den Auktionen nicht statt“, heißt es von Senvion. Zwar hat die Bundesregierung schon einmal nachgebessert, Für die ersten beiden Ausschreibungsrunden 2018 müssen jetzt auch Bürgerenergiegesellschaften die notwendigen Genehmigungen vorweisen. Zu spät, sagen die Hersteller.
Markus Tacke, CEO bei Siemens Gamesa, gibt sich versöhnlich: „Kein Politiker wird ernsthaft in Zweifel ziehen, dass die Branche heute und in Zukunft mit ihren Produkten Exportschlager schafft, deren Erfolg vom Gelingen der Energiewende abhängt. Deshalb zähle ich auch in Zukunft auf die Unterstützung unserer Bundesregierung“, sagt er.
Bis dahin gilt der Fokus dem Ausland. Senvion sicherte sich zuletzt größere Aufträge in Lateinamerika, Kanada und Australien. Enercon sehe dort ebenfalls Potenziale, zudem im europäischen Ausland, sagt Sprecher Rehwald: „Es gibt noch viele interessante Regionen.“ Dass damit auch Know-how exportiert wird, bestreitet er nicht und macht deutlich: „Wir müssen uns effizienter und kostengünstiger darstellen – einschneidende Maßnahmen können wir aufgrund der Herausforderungen nicht mehr ausschließen.“