Knirschend frisst sich die gezackte Metallwalze in die Batteriemodule, zermalmt die Kunststoffrahmen, schlitzt die silbernen Folien der Lithium-Polymer-Packs auf, zerfetzt alles zu kleinen Stücken. Am Ende bleibt ein feines Pulver. Wirft man es nacheinander in mehrere Säurebäder, dann entstehen Salze und Oxide, aus denen neue Antriebsbatterien gebaut werden können. Der YouTube-Film „Neue Recycling-Methode für Batterien aus Elektroautos“, veröffentlicht im Mai 2019, zeigt etwas, was man bis vor Kurzem nicht hat sehen können: das Schreddern von Lithium-Ionen-Batterien. Diese Akkus sind normalerweise brennbar. Ein kleines bisschen elektrische Spannung, ein Funke genügt, und das ganze Material geht in Flammen auf. Die deutsche Firma Duesenfeld entlädt die Akkus in ihrer Pilotanlage in Wendeburg bei Braunschweig daher vollständig und flutet den luftdicht abgeschirmten Schredder mit Stickstoff. Die brennbare Elektrolytflüssigkeit wird verdampft und abgepumpt, bevor das schwarze Pulver entnommen wird. Auf diese Weise sind 96 Prozent aller Materialien wiederverwertbar.
Die Welle rollt
Etwa eine halbe Million Autos mit Elektro- und Hybridantrieb fahren derzeit auf Deutschlands Straßen. Mit 1,5 Prozent am Gesamtbestand ist der Anteil der Stromer oder Teilzeit-Stromer derzeit zwar immer noch verschwindend gering. Aber die Neuzulassungen steigen rasant: Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wuchsen im ersten Halbjahr 2019 die Anmeldungen von Elektroautos um über 80 Prozent, die von Hybridfahrzeugen um 69 Prozent.
Und das ist nur der Anfang: Eine ganze Reihe leistungsfähiger Elektroautos kommt erst dieses Jahr auf den Markt: Audi e-tron, Mercedes EQC, Peugeot e-208, Opel e-Corsa und Honda-e, um nur ein paar zu nennen. Sie treffen dort auf das Tesla Model 3, den Nissan Leaf und den Renault Zoe, die derzeit bestverkauften Elektroautos. Und im Frühjahr 2020 wird der VW-Konzern sein erstes elektrisches Massen-Automobil loslassen, den VW iD.3. Höchste Zeit also, sich Gedanken zu machen, was mit den Antriebsbatterien passiert, wenn diese Autos verunfallen oder am Ende ihres Lebens verschrottet werden. Das gleiche gilt für die Tausende von Lithium-Ionen-Akkus, die derzeit in der Zweiradindustrie verbaut werden, um e-Bikes anzutreiben. Von e-Scootern und e-Stehrollern ganz zu schweigen: Die Materialien – Nickel, Mangan, Kobalt und Lithium – sind viel zu rar und zu wertvoll, um sie nur thermisch zu verwerten, sprich: zu verbrennen.
Der Volkswagen-Konzern erforscht ab kommendem Jahr in einem Projekt in Salzgitter und in einer Pilotanlage mit einer Kapazität von 1200 Tonnen im Jahr – das entspricht 3000 Fahrzeugbatterien – wie sich die tonnenschweren Akkus effizient zerlegen und die Inhaltsstoffe wirtschaftlich zurückgewinnen lassen. Ziel ist eine Recyclingquote von 97 Prozent aller Rohstoffe. Heute sind es 53 Prozent, mit der Anlage in Salzgitter sollen 72 Prozent erreicht werden. Da ist also noch viel zu tun. Allerdings rechnet der Autohersteller damit, dass es erst ab Ende der 2020er Jahre zu größeren Mengen an Rückläufern kommt, wenn die E-Fahrzeuge der ersten Generation das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht haben. Aber die Verfahren für das Recycling müssen jetzt schon entwickelt werden, damit in zehn Jahren auch europaweit genügend Verwertungseinrichtungen existieren.
Schweizer Importeure wollen nicht warten
Auch beim Verband Auto-Schweiz, der die meisten Schweizer Autoimporteure vertritt, ist man sich dessen bewusst. 2018 wandten sich die Auto-Importeure daher an die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), um die Eckpunkte eines Recyclingsystems für Antriebsbatterien zu bestimmen. Schon zuvor hatte die Empa zum Beispiel den Schweizer Wirtschaftsverband Swico beraten, der sich auch ums Rezyklieren elektronischer Geräte und von Computertechnik kümmert. Doch anders als bei Elektronikprodukten wird für Autos bislang kein Recyclingbeitrag erhoben. Der Verband Auto-Schweiz strebt eine Branchenlösung an und hat mit deren Ausarbeitung die Stiftung Auto-Recycling Schweiz beauftragt, die sich bereits seit 1992 um das Zerlegen und Rezyklieren von Schweizer Altautos kümmert. Der Empa-Forscher Rolf Widmer und seine Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung „Technologie und Gesellschaft“ arbeiten seit März 2019 gemeinsam mit der Stiftung Auto-Recycling an diesem Projekt. Sie analysieren Recyclingsysteme in Nachbarländern, untersuchen die Kosten und den ökologischen Fußabdruck und stellen Modellrechnungen an, um die künftig anfallenden Mengen alter Akkus abschätzen und die passende Strategie empfehlen zu können.
Heiss oder kalt verwerten?
Die meisten Lithium-Ionen-Batterien werden bislang nicht kalt geschreddert, wie bei der Duesenfeld-Methode, sondern in einem Ofen verbrannt und anschließend vermahlen. Marktführer bei diesem so genannten pyrometallurgischen Recycling ist die belgische Umicore. Bei der heißen Verwertung schmelzen die dünnen Kupferfolien der Batterie und bilden gemeinsam mit Kobalt und Nickel eine Legierung, die wiederverwertet werden kann. Das Lithium, das Graphit, der flüssige Elektrolyt und das Aluminium in der Batterie verbrennen jedoch und landen in der Schlacke. Sie sind für eine wirtschaftliche Weiterverwendung verloren.
Neben der heißen Umicore-Verwertung und dem kalten Schreddern unter Schutzgas wie bei Duesenfeld gibt es indes noch andere automatisierte Zerlegemethoden. Die Batrec Industrie AG, ein Schweizer Batterieverwertungsspezialist, schreddert manche Akkus in nassem Milieu, um Brände zu vermeiden. Die Empa-Experten werden all diese Methoden vergleichen.
Das Transportproblem
Bei der Suche nach dem besten Recyclingsystem geht es jedoch nicht nur um die Zerkleinerung allein, sondern auch um den Aufbau einer Lieferkette. „Antriebsbatterien von Unfallfahrzeugen können unvermittelt brennen und müssen bis jetzt als Gefahrgut in speziellen Behältern transportiert werden“, erläutert Daniel Christen, Geschäftsführer der Stiftung Auto-Recycling Schweiz. „Das ist aufwändig und teuer“. Christen sucht nach einer günstigeren Lösung, um Batterien zu „entschärfen“ und zum Entsorgungsbetrieb zu liefern. Ansätze dazu gibt es bereits: Die Firma Blubox Trading AG in Birrwil etwa importiert die „Firebox“ eines holländischen Herstellers. Die Firebox ist ein Frachtcontainer mit eingebauter Feuerlöschanlage, die ein ganzes Auto oder eine größere Ladung noch nicht „entschärfter“ Akkus aufnehmen kann.
Und nicht zuletzt die Spediteure und die Autoverwerter müssen geschult werden, damit alte Elektroautos nicht gefährlich werden. Schon heute existiert eine Datenbank für Rettungskräfte, die genau diese Informationen bereithält: Auf einem Tablet gibt der Feuerwehrmann die Nummer des Kontrollschilds ein und erfährt, ob er ein Elektroauto vor sich hat und auf welche Weise er die Batterie vom Stromnetz des Wagens trennen muss. Mit den gleichen Informationen ließen sich Elektroautos auch auf gefahrlose Art zerlegen.
Noch sind viele Fragen offen
Dennoch bleiben viele offene Fragen, die vor dem Aufbau eines Recyclingsystems beantwortet werden müssen. Wie entwickelt sich der Markt für gebrauchte Antriebsbatterien? Wird es sich dereinst lohnen, ausgepowerte Akku-Pakete mit neuen Modulen zu versehen und wieder in den Verkauf zu bringen – ähnlich wie Austauschmotoren oder -getriebe? Oder können aus Antriebsbatterien in einem zweiten Leben stationäre Solarstromspeicher werden? Tesla, Renault, Nissan und auch der Volkswagen-Konzern bieten derartige Speicher bereits an oder arbeiten an Konzepten dafür. Das würde bedeuten, dass die grosse Welle an verbrauchten Akkus erst mit Verzögerung auf die Recyclingbetriebe zukommt. Und: Braucht ein Land wie die Schweiz überhaupt grosse Recyclingkapazitäten, oder werden die Autohersteller die meisten Antriebsbatterien einsammeln und selber verwerten? Vieles wird von den Marktpreisen der Rohstoffe abhängen, vom Preis für Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit, vom Preis und der Leistung neuer Akkus, aber auch von der Politik, die die Rahmenbedingungen setzt und Vorschriften erlässt.
Die gute Nachricht lautet jedenfalls: Elektroautos sind prinzipiell kein Recyclingproblem. Für sämtliche Schritte des Verwertungsprozesses zeichnen sich technische Lösungen ab. Und eine Reihe von Spezialisten arbeitet bereits daran, diese Lösungen in die Praxis umzusetzen.