John Goodenough ist heute 97 Jahre alt und arbeitet als Professor an der Cockrell School of Engineering der University of Texas in Austin. Der Mann könnte Mark Zuckerbergs Urgroßvater sein. Und doch enthüllte er eine Energiespeichertechnologie, die den Planeten retten könnte. Zusammen mit seiner Assistenzprofessorin Helena Braga von der Universität Porto in Portugal bastelt er am Nachfolger der Lithium-Ionen-Batterie: einer günstigen Festkörperbatterie.
Für ihre neue Batterietechnik nutzen die beiden Wissenschaftler ein spezielles Glas, das Braga bei ihren Forschungen in Portugal entdeckte. Damit kann der neue Akku wesentlich mehr Ladezyklen bewältigen als ein Lithium-Ionen-Speicher. Bis zu 4000 Zyklen erhoffen sich Braga und Goodenough.
Der Schlüssel zur neuen Batteriezelle ist die Verwendung von Festelektrolyten aus Glas anstelle flüssiger Elektrolyte, wie sie bei wiederaufladbaren Batterien bisher üblich sind. Flüssige Elektrolyte transportieren Lithiumionen zwischen der Anode und der Kathode munter hin und her. Doch wird jene Batteriezelle zu schnell geladen, kann es zu Bränden kommen.
Glaselektrolyte hingegen haben ein geringes Kurzschlussrisiko und laufen dadurch weniger Gefahr, sich zu entzünden. Zudem kommen nachhaltige Materialien wie kostengünstiges Natrium zum Einsatz. Das stammt aus Meerwasser und ersetzt das teure Lithium.
In fünf Jahren am Markt?
Und noch ein Vorteil: Die neue Batterie speichert dreimal mehr Energie als eine vergleichbare Lithium-Ionen-Batterie. Goodenough berichtet, dass seine Batterie auch in der Lage zu sein scheint, in Minuten so viel Ladung aufzusaugen wie eine Lithium-Ionen-Batterie in Stunden.
Kommt die Glasbatterie also schon bald auf den Markt? „Wir haben viele Dinge gefunden, die man mit dem ‚Braga‘-Glas machen kann“, sagt Goodenough. „Jetzt warten wir darauf, dass uns eine Batteriefirma kontaktiert. Denn: Die Entwicklung der Batterie machen wir nicht selbst, das ist Aufgabe der Industrie. Wenn jemand will, ist das Produkt in drei bis fünf Jahren auf dem Markt.“
Viele Erfinder schwadronieren darüber, dass sie an bahnbrechenden Technologien für neuartige Batterien arbeiten. Goodenough ist der Einzige, der den ganz großen Coup schon einmal abgeliefert hat. Denn der Tüftler ist der Co-Erfinder der Lithium-Ionen-Batterie. 1980 hatte Goodenough einen Weg gefunden, die Batterie mithilfe von Kobaltoxidkathoden besser und sicherer zu machen. SONY ließ sie 1991 auf den Markt los. Damit sicherte sich der japanische Konzern über Jahre die Vorherrschaft im Gadgetbereich, denn plötzlich hielten die Geräte deutlich länger durch als zuvor.
Nicht alle Wissenschaftler sind überzeugt
Batterietechnologie ist nicht sexy, aber sie ist das fehlende Glied, um den Planeten von der kohlenstoffbasierten Energie zu befreien. Öl, Kohle und Erdgas sind effiziente Energieträger, weil sie sich speichern und verbrennen lassen, wann immer sie gebraucht werden. Sonne und Wind dagegen erzeugen nur dann Strom, wenn die Natur kooperiert. Batterien sind eine der wenigen Möglichkeiten, grünen Strom zu speichern, damit auch er jederzeit abrufbar ist. Wenn sich Batterien als günstig, leistungsstark, sicher und schnell aufladbar erweisen wird es also spannend.
Der Durchbruch von Goodenough und Braga – sollte er sich in der Realität als ebenso gut erweisen wie bisher im Labor – könnte dazu führen, dass benzinbetriebene Autos plötzlich so altmodisch wirken wie ein Plumpsklo. Denn wenn Goodenoughs Batterie funktioniert, könnten alle Autohersteller E-Autos verkaufen, die mit einer Ladung 1000 Kilometer weit fahren würden – das wäre deutlich mehr als die bisher übliche Reichweite von Elektroautos. Die Ladezeiten, die ohnehin immer kürzer werden, würden so auf wenige Minuten reduziert.
Doch es gibt auch Kritik. „Herr Goodenough ist sehr renommiert. Seine Idee hat Wellen geschlagen und wird sehr kontrovers diskutiert“, sagt Holger Althues vom Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik. „Ich muss zugeben, dass ich – aber auch andere Experten – das Wirkprinzip nicht zu 100 Prozent nachvollziehen kann.“ Der Batterieforscher fügt noch hinzu: „Feststoffbatterien werden derzeit intensiv erforscht. Auch wenn die technologischen Hürden hoch sind, kann man erwarten, dass es diese mittelfristig in Konkurrenz zur herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie geben wird. Potenzielle Vorteile sind neben der höheren Sicherheit auch höhere Energiedichten.“ Es bleibt abzuwarten, ob John Goodenough zum zweiten Mal in seinem Leben die Batterietechnik maßgeblich vorantreibt – oder sich die Idee mit dem Glas nur als Seifenblase erweist.