BMW forciert massiv die Mobilität der Zukunft. Jetzt haben die Münchner bei einem Workshop verraten, wohin im nächsten Jahr die Reise geht – einige Überraschungen inklusive. Konzernchef Harald Krüger gab sich dabei angriffslustig. Rückenwind geben ihm aktuelle Zahlen aus der Verkaufsabteilung. Demnach liege BMW bei der Elektromobilität voll im Plan: „Zu Weihnachten liefern wir das 100.000ste elektrifizierte Fahrzeug aus.“ Das ist exakt die Zahl, die zu Jahresbeginn angepeilt worden war.
Insgesamt, führte Krüger weiter aus, habe BMW bereits 200.000 elektrifizierte Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert, davon mehr als 90.000 vollelektrische Fahrzeuge des Typs BMW i3. Was Krüger besonders freut: Sowohl der i3 als auch die Plug in-Hybrid-Sportwagen kommen auf eine Eroberungsrate von über 80 Prozent, wurden also an Menschen verkauft, die früher Autos anderer Marken bewegten. Deshalb sollen ab 2020 alle Modellreihen der Marke mit elektrisierten Antrieben ausgestattet werden – „bei entsprechender Nachfrage.“ Ein skalierbarer Elektro-Baukasten macht es möglich.
Quasi als Vorsorgemaßnahme hat sich BMW schon einmal beim Patentamt alle Modellbezeichnungen von i1 bis i9 gesichert. Und nicht nur die, sondern auch die Namensrechte für allradgetriebene X-Versionen – also von iX1 bis iX9. Mit anderen Worten: Künftig werden alle elektrifiziertes Modelle der Marke unter BMW i geführt – und wenn gewünscht gibt es dann noch ein X und Allradantrieb hinzu. Mit der Bezeichnung iPerformance werden bei BMW fortan alle Plug-in-Hybridmodelle gekennzeichnet – also die Fahrzeuge, die sowohl einen E-Motor als einen klassischen Verbrennungsmotor an Bord haben und wo der Akku an einer Steckdose wieder aufgeladen werden kann.
SUV werfen größere Gewinne ab
Trotz der hohen Investitionen in die Elektromobilität will Krüger die Gewinnspanne im Autogeschäft zwischen acht und zehn Prozent halten. Dabei sollen allerdings ausgerechnet die künftigen Gewinne der beiden neuen, großen und schweren Topmodelle der Verbrenner-Fraktion – BMW 8er-Baureihe (Luxus-Sportcoupe) und BMW X7 (Siebensitzer-SUV) – helfen, die 2018 auf den Markt kommen. Prinzipiell ist für Krüger klar: „Die Kosten- und Funktionsführerschaft wird den Krieg der E-Mobilität entscheiden“.
Zweistellige Zuwachsraten bei Elektromobilen
Sein Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich wagt auch schon eine Elektro-Prognose für 2018: „Der Absatz unserer elektrifizierten Fahrzeuge wird 2018 um eine mittlere zweistellige Prozentzahl steigen«. Auch für die fünfte Elektro-Generation der Bayern, die nach 2020 startet, macht er klare Ansagen. So soll die Reichweite der rein elektrischen Fahrzeuge auf bis zu 700 Kilometer („600 Kilometer bei sportlicher Fahrweise“) steigen, und die der Plug-in-Hybride von jetzt rund 50 auf 100 Kilometer, um gängige City-Touren komplett abzudecken. Und für die Ladezeiten verspricht der Entwicklungschef nun „400 Kilometer Reichweite in 30 Minuten“, ungefähr die Zeit einer entspannten Kaffeepause auf der Autobahn-Raststätte.
Auch sollen die Plug-in-Hybride dann kein nervigen Einschränkungen mehr bei Lade- und Tankvolumen haben. Ergo keine platzraubenden Ausbuchtungen im Kofferraum und Tanks mit bis zu 70 Liter Volumen, weil sich die Akkus demnächst im Unterboden flach machen. Bei letzteren sollen die Kosten bis 2020 um noch einmal 20 Prozent sinken. Die Reichweiten für die künftigen Elektroautos werden dann quasi wie Sonderausstattungen angeboten. „Wer die maximale Reichweite will, muss eben ein paar Tausend Euro mehr bezahlen“, erklärt Fröhlich.
Induktives Laden kommt
Auch das induktive Laden, das kabellos wie bei einer elektrischen Zahnbürste funktioniert, ist in Sicht. Den Anfang soll hier 2018 der BMW 530e iPerformance machen. Und auch mit Laderobotern, die bequem auf Befehl die Ladeverbindungen herstellen (ohne dass der Fahrer aussteigen muss), experimentiert BMW. Und neuartige zellinterne Heizungen sollen die Akkus selbst bei klirrendem Frost innerhalb von 30 Sekunden auf Betriebstemperatur bringen.
Wie steht’s mit dem Recycling? „Nickel und Kobalt können wir schon zurückgewinnen, Lithium ist etwas schwieriger, aber auch da sind wir dran“, versichern die BMW-Techniker. Im Übrigen soll der teure Anteil von seltenen Erden in den Akkus deutlich reduziert werden. Und die E-Motoren werden immer leichter und kleiner. Die der fünften Generation vereinen E-Motor, Getriebe und Leistungselektronik in einem kompakten Gehäuse. Alles ist skalierbar, die Leistungen reichen von 100 («S«) bis über 300 kW («XL«) und die Batteriekapazitäten der vollelektrischen Modelle von 60 (30e) bis zu 120 kWh (50e).
„Premium“: Autonom von München nach Genf
Parallel zur Elektromobilität forciert BMW auch das autonome Fahren. Konzernchef Krüger gibt schon mal die passende Parole aus: „Autonom ist gleich Premium“. Aktuell sind weltweit 40 Versuchsfahrzeuge fast rund um die Uhr unterwegs, mittelfristig sollen es 200 sein. Und die Zahl der Spezialisten soll zügig von 60 auf 500 erhöht werden. Partner sind unter anderem der US-Elektronik-Gigant Intel sowie der israelische Sensorspezialist Mobilye. Die Rechenleistung des BMW-Autogehirns fürs autonome Fahren (Pad Control Unit) liegt mittlerweile bei gigantischen 40 Terabyte. Millionen von Verkehrssituationen müssen hier noch in den nächsten Jahren eingespeist und verarbeitet werden, fast 95 Prozent davon werden am Computer simuliert.
Die ersten BMW-Versuchsfahrzeuge sind übrigens schon komplett ohne Fahrereingriff von München nach Genf gefahren. Hier wird dann nur noch das Knöpfchen „AUTO“ gedrückt, schon übernimmt Kollege Computer, der unentwegt von Radaren, Laserscannern und Sensoren geführt wird. Optisch signalisiert das ein blauer Lichtkranz auf dem Lenkrad, der flugs zu Rot wechselt, wenn mal ausnahmsweise der Fahrer verlangt wird. Man weiß ja nie.
BMW will 2021 mit dem Level 3 des autonomen Fahrens starten, entwickelt aber gleich die Technik bis Level 5, die später zum Einsatz kommt. Mit Level 3 können wir dann schon per „Autobahnpilot“ von Berlin nach München düsen, freihändig natürlich, sogar beim Autobahnwechsel. „Die Autos können dann im Zentimeterbereich an Betonwänden und Leitplanken vorbeifahren“, sagen die BMW-Entwickler. Und die Stufe 5 bitte? Da kann der Fahrer später überall freihändig und gewissermaßen im Schlaf fahren. Oder sich mal für eine Kartenspielrunde zu den Kindern umdrehen. Wobei BMW im Gegensatz zu anderen Herstellern an einem (dann vermutlich versenkbaren) Lenkrad unbedingt festhalten will. „Bei uns zählt nach wie vor die Freude am Fahren“, postuliert Klaus Fröhlich. Vielleicht möchte der Fahrer an einem sonnigen Sonntagmorgen ja mal wieder selbst probieren wie das so ist mit der Flitzerei auf einer schön kurvigen Landstraße. Wenn er es nicht inzwischen verlernt hat.