Kohlekraftwerke und regenerative Energien haben eigentlich wenige Gemeinsamkeiten. Es geht aber doch, wie das Beispiel Elverlingsen zeigt. Über 100 Jahre lang wurde dort aus Kohle Strom produziert. Heute ist der Ort in Südwestfalen eine Geisterstadt, 2013 ist der letzte Einwohner weggezogen und jetzt macht auch noch das Kohlekraftwerk dicht. Ende März ist der letzte Kraftwerksblock vom Netz gegangen. Für die Region ist das das Ende einer Ära – aber auch ein Neuanfang.

Mercedes-Benz Energy, die Getec Energie AG und das Technologieunternehmen „The Mobility House AG“ (an dem Daimler seit vergangenem Jahr auch Anteile hält) nutzen einen Teil des leerstehenden Kraftwerks für die Energiewende. Sie haben einen Batteriespeicher mit 1920 Batteriemodulen zu einem „lebenden Ersatzteillager“ verbunden. Die Batterien kommen erst zum Einsatz, wenn im Elektro-Smart der dritten Generation eine Zelle kaputtgeht. Die Technologie schreitet viel zu schnell voran, als dass in ein paar Jahren einfach neue Module nachgeordert werden können. Sie müssen daher vorgehalten werden wie andere Ersatzteile auch.

Primärregelleistung für den Strommarkt

Nur in einem Lager auf ihren Einsatz zu warten, das schadet der Batterie. Es käme zu einer Tiefenentladung, die ihrerseits zu einem Defekt führen kann. Das gezielte, schonende Be- und Entladen ist für die Lithium-Ionen-Batteriemodule dagegen eine Art Jungbrunnen. Genau das machen die Partner im Energiespeicher in Elverlingsen und erwirtschaften damit auch noch Geld. Mit einer installierten Leistung von 8,96 Megawatt (MW) und einer Energiekapazität von 9,8 Megawattstunden (MWh) kann der Batteriespeicher 1800 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen.

Genutzt wird er allerdings, um dem Energiemarkt Primärregelleistung zur Verfügung zu stellen. Damit gleicht er Schwankungen im Stromnetz von maximal 30 Sekunden aus, wenn Erzeugung und Verbrauch voneinander abweichen. Das Speichersystem in Elverlingsen reagiert innerhalb von Millisekunden. Die Kooperationspartner verstehen das Konzept als eine neuartige Win-Win-Situation und als Unterstützung der Energiewende, da mit dem Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien immer mehr Primärregelleistung benötigt wird.

Autobatterie-Speicher kommen in Mode

Es ist nicht der erste Speicher, den Daimler aus Autobatterien aufbaut. Erst vor kurzem haben die Daimler-Tochter Mercedes-Benz Energy und enercity (Stadtwerke Hannover) nach einjähriger Bauphase einen der größten Batteriespeicher Europas in Betrieb genommen. Über 3000 der für die dritte Generation des Smart Electric Drive vorgehaltenen Batteriemodule wurden am enercity-Standort Herrenhausen zu einem Stationärspeicher gebündelt, der ebenfalls Primärregelleistung anbietet. Die Gesamtanlage verfügt damit über eine Speicherkapazität von insgesamt 17,4 MWh – das entspricht dem Tagesbedarf von 3200 Haushalten. Mit einer Leistung von 14 MW können Schwankungen im Stromnetz in Sekundenschnelle ausgeglichen werden.

Der weltweit größte Second-Life-Batteriespeicher mit einer Kapazität von 12,8 MWh wurde bereits 2016 in Lünen installierten. Die ausgedienten 1000 Batteriesysteme stammen aus dem smart Fortwo Electric Drive der zweiten Generation. Denn das Ende des Autolebens, ist noch lange nicht das Ende der Batterie. Im stationären Betrieb sind sie noch voll einsatzfähig – geringe Kapazitätsverluste spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Daimler schätzt, dass ein wirtschaftlicher Betrieb im stationären Bereich noch für mindestens zehn weitere Jahre möglich ist.

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