Markus Wahl ist ein Spätberufener. „Eigentlich komme ich aus der EDV-Branche und habe 20 Jahre lang Online-Händler bei der Distribution unterstützt“, erzählt der Bochumer in seinem Büro. Während er redet wird er immer wieder von Telefonklingeln unterbrochen. Sein neues Geschäft brummt. „Seit einem halben Jahr melden sich übrigens immer mehr Kunden, die ausdrücklich mit einem unserer Elektro-Taxis gefahren werden möchten.“
Vielleicht braucht es den unverstellten Blick eines Quereinsteigers, um den geschäftlichen Weg vom Diesel- zum Stromtaxi überhaupt nur in Betracht zu ziehen. Dabei war auch Wahl – das räumt er offen ein – vor zwei Jahren eher skeptisch. Aber mit Freund und Nachbar Bernd Hoose setzte sich der inzwischen 49-Jährige intensiv zusammen und kalkulierte: „Weil die Reichweite noch nicht sehr hoch ist, kommen E-Taxis vorläufig nur für Kurzstrecken infrage. Wie hoch ist deren Anteil bei uns? Ungefähr ein Drittel? – Dann kann man es probieren.“
Der erste Versuch dauerte keine 24 Stunden. Denn der Kleintransporter e-NV 200 von Nissan konnte keine Pluspunkte sammeln: 100 echte Reichweitenkilometer waren zu wenig, der Einstieg ins Auto für ältere Menschen zu hoch, die Blattfedern hinten machten das Mobil unkomfortabel. Gleich am nächsten Morgen gab der Geschäftsführer den Testwagen wieder zurück.
Günstiger in Benutzung und bei der Inspektion
So schnell wollte Wahl aber nicht aufgeben. Wochen später testete er den Nissan Leaf, das noch immer meistverkaufte Elektroauto der Welt. „Bis die Schildkröte im Display aufleuchtet“ habe er die Reichweite mit 180 Kilometern ausgereizt, das Fahrgefühl war „super“, der Komfort passte. Bloß in Sachen Aufladung musste etwas passieren. Inzwischen fährt das Bochumer Unternehmen vier Leaf, hat also knapp ein Drittel seines Fuhrparks elektrifiziert. Grünstrom geladen wird nachts und beim Schichtwechsel über drei Normal- und zwei Schnelllader mit 6,7 und 44 Kilowatt. „Man braucht eigene Säulen“, hat Markus Wahl schnell erkannt, „bei den öffentlichen ist kein Verlass drauf, dass sie frei sind.“
In mittlerweile 14 Monaten haben seine E-Taxis jeweils zwischen 60.000 und 65.000 Kilometer meist mit vorbestellten Kranken- und Patientenfahrten zurückgelegt und die ersten beiden Inspektionen absolviert. „Da wurde bloß die Bremsflüssigkeit getauscht und Wischwasser aufgefüllt. Insgesamt 350 Euro pro Wagen.“ Es ist nicht der einzige Grund, weshalb seine Elektro-Mobile im Fahrbetrieb deutlich günstiger sind als konventionelle Diesel-Droschken. Wahl rechnet vor, dass er bei den variablen Kilometer-Kosten unter der Hälfte der Verbrenner-Taxis liegt. „Die Kollegen aus anderen Unternehmen spotten, ob ich das Taxigeschäft revolutionieren will. Und ich sage: Lasst uns am Monatsende doch ‘mal die Brieftaschen vergleichen. Das traut sich aber noch keiner…“
Nur 100 E-Taxis in ganz Deutschland
Allerdings haben es die anderen auch nicht leicht, weshalb der Bundesverband für Taxis und Mietwagen schätzt, dass von den rund 56.000 Taxis in Deutschland derzeit „höchstens 100 elektrisch fahren“. Denn außer dem Nissan Leaf und Hyundai Ioniq gibt es kaum Batterie-Stromer mit Taxi-Freigabe. Die klassischen Daimler-Limousinen werden noch eine ganze Weile nicht elektrisch verfügbar sein, Audi hat sich aus dem Taxigeschäft völlig zurückgezogen. Hinzu kommt, dass 60 Prozent der Taxi-Unternehmen als Ein-Wagen-Betrieb fahren. Ihre Inhaber stehen an Flughäfen oder Bahnhöfen ohne Lademöglichkeit und warten auf den „Spesen-Goldkunden“, der aus einem umgeleiteten Flugzeug steigt und 200 Kilometer weit gefahren werden möchte. Was in der Realität allerdings zweimal pro Jahr vorkommt.
Inzwischen gibt es den Nissan Leaf in der geräumigeren Neuversion mit einer 40-kW-Batterie. Markus Wahl hat ihn vor wenigen Tagen getestet und findet, 260 echte Reichweiten-Kilometer seien schon sehr respektabel. Dennoch will er noch ein wenig abwarten: „Im kommenden Jahr werden wir drei weitere Diesel-Taxis durch E-Fahrzeuge ersetzen. Nissan will den Leaf bis dahin mit einer 60-kW-Batterie liefern. Dessen Reichweite müsste dann bei realen 400 Kilometern liegen.“ Will heißen: Bis auf einen geringen Teil an wirklichen Langstrecken-Transfers geht dann wirklich alles voll-elektrisch und entlastet nicht nur den Bochumer Stadtverkehr von dieseltypischen Emissionen. 2021 soll die Umrüstung des gesamten Fuhrparks vollzogen sein.
Kunden fällt der Unterschied meistens nicht auf
Das alles ist nicht unbemerkt geblieben. Die „Klima-Expo NRW“ hob schon bei der Anschaffung der vier ersten E-Taxis Wahl und seinen Betrieb „Taxi Bednarz“ als Schrittmacher für den Klimaschutz auf den Schild der landesweiten Leistungsschau. Die Erfahrungen des Geschäftsführers bestätigen die Vorschuss-Lorbeeren: „Im Winter mit minus 7 bis 9 Grad mussten wir etwas öfter laden. Und dann stört jedes Auto, das gerade am Kabel hängt. Aber die anderen neun Monate waren sehr okay. Es ist die richtige Entscheidung – da bleibe ich bei.“
Merken Kunden eigentlich den Unterschied? „Sie sitzen nicht im Mercedes – ansonsten fällt ihnen meistens nichts auf.“ Auch nicht beim Fahrpreis – der ist derselbe.