Das Bundesverwaltungsgericht macht den Weg für Fahrverbote frei. Die Richter wiesen am Dienstag die Revisionsklagen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zurück. Die Leipziger Richter erklärten, Fahrverbote könnten auch ohne bundeseinheitliche Regelungen umgesetzt werden. Eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof sei nicht nötig.

Das Urteil sieht zudem Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. In Stuttgart seien Fahrverbote nicht vor dem 1. September 2018 möglich. Außerdem solle es Ausnahmeregelungen etwa für Handwerker geben. Es gebe aber keine finanzielle Ausgleichspflicht. „Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen „Flickenteppich“ zu verhindern.

Umweltschützer haben das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts begrüßt, dass Diesel-Fahrverbote im Kampf für bessere Luft in Städten grundsätzlich möglich sind. „Jede Stadt kann nun das Recht ihrer Bürger auf saubere Luft selbst durchsetzen“, sagte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl.

„Gewinn für die Gesundheit“

Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, nannte das Urteil der Leipziger Richter einen „Gewinn für die Gesundheit der Bürger“ und „historisch“. „Die Gerichte zwingen nun den Gesetzgeber zu handeln“, sagte er. Es brauche nun einen starken und günstigen öffentlichen Nahverkehr, eine „blaue Plakette“ für relativ saubere Autos und verpflichtende Nachrüstungen von Dieselautos auf Kosten der Autobauer.

„Die Autoindustrie hat sich böse verzockt“, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Damit wachse der Druck auf Politik und Hersteller, die Schadstoffbelastung der Luft durch den Straßenverkehr zu reduzieren. Besonders betroffene Städte müssten nun schnellstmöglich zu Vorreitern der Verkehrswende gemacht werden. Ähnliche Stimmen auch aus der Wissenschaft: DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert forderte etwa, „die längst überfällige Verkehrswende durchzusetzen“.

Aktien unter Druck

Die Aktien der Autobauer verloren in einer ersten Reaktion der Börse auf breiter Front an Wert – auch wenn die Vergangenheit gezeigt hat, dass gerade deutsche Autobauer Skandale schnell abschütteln können. Allerdings hatten viele Gemeinden angekündigt, im Falle eines solchen Urteils Fahrverbote durchzusetzen.

Seit Jahren werden in vielen Städten Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Der Verkehrsbereich, darunter vor allem Dieselautos, trägt nach Angaben des Umweltbundesamts rund 60 Prozent zur Belastung bei.

Es geht um Recht der Städte auf Fahrverbote

Dem Bundesverwaltungsgericht ging es nicht darum, selbst Fahrverbote einzuführen. Es ging in Leipzig um die Frage, ob Städte Fahrverbote nach geltendem Recht und damit auch ohne eine bundesweit einheitliche Regelung anordnen können, um Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten.

Verhandelt wurde über eine sogenannte Sprungrevision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf. Diese hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden. Diese Verbote dürften nun zulässig sein.

Ob es diese dann auch gibt, liegt aber an den einzelnen Städten und Bezirksregierungen. Einen Automatismus gibt es nicht. Es könnte noch Wochen oder Monate dauern, bis Fahrverbote wirklich in die jeweiligen Luftreinhaltepläne aufgenommen werden.

Letzte Aktualisierung: 27.2., 19:49

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert