Ford hat in Europa derzeit schwer zu kämpfen. Viele Erfolgsmodelle von gestern wie der Kleinwagen Fiesta oder der Minivan C-Max verkaufen sich nicht mehr so gut, die Produktionskosten in den Werken sind zu hoch und obendrein verhagelt die Abwertung des britischen Pfunds die Bilanz. Die Folge: Ford of Europe schreibt tiefrote Zahlen. Im abgelaufenen Jahr schrieb die Europatochter des traditionsreichen Herstellers trotz mehr als 1,5 Millionen verkaufter Fahrzeuge und eines auf 31,3 Milliarden Dollar gewachsenen Umsatzes einen Verlust von fast 400 Millionen Dollar.
Die Reaktion aus der Konzernzentrale in Dearborn ließ nicht lange auf sich warten: Vor wenigen Wochen startete der Konzern ein hartes Sanierungsprogramm, das unter anderem den Abbau von 5000 der insgesamt 24.000 Arbeitsplätze in Deutschland, einen Rückzug aus Russland, die Schließung eines Getriebewerks in Frankreich und einen Produktionsstopp für den C-Max vorsieht. „Wir werden unser Geschäft in Europa grundlegend transformieren. Das Ziel ist die kurzfristige Rückkehr in die Gewinnzone und ein langfristig wettbewerbsfähigeres Geschäft“, begründet Ford Deutschland-Chef Gunnar Herrmann den neuen Kurs.
16 elektrifizierte Modelle sollen kommen
Zur Transformation gehört entsprechend dem Markenclaim „Go Further“ aber auch ein deutlicher Schwenk in Richtung Elektromobilität – auf dem Gebiet hatte das Unternehmen bis auf den Ford Mondeo Hybrid bislang so gut wie nichts anzubieten. „Vom Ford Fiesta bis zum Ford Transit wird künftig jede Baureihe mit mindestens einer elektrifizierten Version auf den Markt kommen, die den Bedürfnissen und dem Budget unserer europäischen Kunden bestmöglich entspricht“, kündigte der neue Europa-Präsident Stuart Rowley jetzt bei einem internationalen Event in Amsterdam an. Insgesamt 16 neue elektrifizierte Modelle sollen in den kommenden Jahren auf den Markt kommen, die meisten mit Mild-, Voll- und Plug-In-Hybridtechnologie, aber immerhin auch zwei vollelektrische Autos: Acht davon sollen noch dieses Jahr erscheinen. Einige wird Ford allerdings erst später im Jahr präsentieren, so dass die Elektro-Offensive erst 2020 richtig zum Tragen kommen wird.
Die technische Basis dafür hat bei Ford in den USA das „Edison“-Team entwickelt. Die Namensgebung ist kein Zufall: Firmengründer Henry Ford und Thomas Alva Edison waren eng befreundet und hatten gemeinsam bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen elektrisch angetriebenen Kleinwagen sowie ein Batterie-Wechselsystem entwickelt, das Taxi-Flotten in amerikanischen Großstädten mobilisieren sollte. Wegen zu hoher Kosten war das Projekt nach der Fertigung einiger Dutzend Prototypen aber damals schnell wieder eingestellt worden. Elektromobilität war anschließend im Ford-Konzern kein großes Thema mehr. Das soll sich aber nun auch mit Blick auf die strengen Klimaschutzziele in Europa (in den USA werden sie aktuell eher aufgeweicht) ändern.
Mit „Mach E“ in die Zukunft
Dass es den Kleinlieferwagen Transit – in Ergänzung zum aktuell in Kooperation mit Streetscooter produzierten Work XL – ab 2021 auch in einer vollelektrischen Variante geben soll, war bereits seit längerem bekannt. Überraschend war aber die Ankündigung von Ford in Amsterdam, im kommenden Jahr einen vollelektrischen Hochleistungs-SUV mit Schnelllade-Möglichkeit und einer Reichweite von rund 600 Kilometern nach WLTP-Norm auf den Markt zu bringen. Der Ford „Mach E“, der Designelemente des Ford Mustang aufnimmt, soll dem Tesla Model X, dem Audi E-Tron und dem Jaguar I-Pace Käufer abjagen. „Das Auto geht wie die Hölle und macht aus einem ‚Petrol Head‘ einen ‚Battery Head’“, schwärmte in Amsterdam Ford Europa-Chairman Steven Armstrong. Weitere technische Details blieb er allerdings schuldig.
Schmallippig wurden die Ford-Manager auch bei Fragen nach einem Nachfolger des Ford Focus Electric, der bis 2017 im Werk Saarlouis produziert wurde, aber wegen nicht mehr zeitgemäßer Leistungsdaten – mit einer Akkuladung kam der Kompaktwagen gerade einmal 200 Kilometer weit – in Europa zuletzt nur noch in kleinen Stückzahlen abgesetzt worden war.
In Zukunft zählt bei Ford nun erst einmal Größe – bei den Stückzahlen, bei den Abmessungen der Fahrzeuge und, so das Kalkül, irgendwann auch beim Gewinn.
SUV als Ökomobil?
Der komplett neue entwickelte Ford Explorer erfüllt diese Prämisse definitiv. Mit einer Breite von 2,28 Metern (inklusive Spiegel) und einer Länge von 5,05 Metern treibt der SUV sicher zunächst einmal jedem Klimaaktivisten die Zornesröte ins Gesicht. Zumal die Ford-Designer dem Wagen einen besonders aggressiven Auftritt gegeben haben. Um die Gemüter zu besänftigen, wird es den Explorer in Europa ausschließlich als Plug-in-Hybrid geben – mit einer Systemleistung von 331 Kilowatt (450 PS) und einem maximalen Drehmoment von 840 Newtonmetern. Eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Speicherkapazität von 13,1 Kilowattstunden erlaubt es, unter Idealbedingungen und bei zurückhaltender Fahrweise rund 40 Kilometer weit rein elektrisch zu rollen.
Zukunftsweisend ist das eher nicht, dafür aber in einigen Ländern steuermindernd. Aber als Ökomobil taugt der Explorer ohnehin nicht – er ist mit sportlichen und luxuriösen Ausstattungslinien sowie zahlreichen (aufpreispflichtigen) Ausstattungsoptionen ganz klar als Profitcenter konzipiert. Der Explorer soll vor allem im Flottenmarkt, also auch als Dienstwagen, erfolgreich sein und europaweit wenigstens 10.000 Mal im Jahr verkauft werden, verriet Produktentwickler Jörg Beyer von Ford Europa.
Puma vor dem Comeback
Größere Stückzahlen und auch einen substanzielleren Beitrag zur Verbesserung des CO2-Flottenwerts erhofft sich Ford da schon eher vom Kuga der dritten Generation, der in Amsterdam Weltpremiere hatte und im Frühjahr 2020 in den Handel kommt: Der Mittelklasse-SUV wird der Konzern von Anfang an in drei Hybridisierungsformen anbieten, als Mild mit riemengetriebenem Starter-Generator und luftgekühlter 48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie, als Plug-In mit einem 14,4 Kilowattstunden großen Akku und 50 Kilometer elektrischer Reichweite sowie als Voll-Hybrid (ohne externe Lademöglichkeit), der in einer kleineren Lithium-Ionen-Batterie die beim Bremsen zurückgewonnene Energie speichert und den Benzinmotor entlastet. Auf diese Weise soll der Sprit-Verbrauch auf im Schnitt 5,6 Liter pro 100 Kilometer sinken.
Als Mild-Hybrid gibt es künftig auch die Modelle Fiesta und Focus – sowie den neuen Puma. Ja, richtig gehört: 15 Jahre nach Einstellung der Modellreihe kehrt der Puma zurück. Allerdings nicht als kleines Sportcoupé, sondern als Crossover-Coupé auf Fiesta-Basis. Die Ford-Verantwortlichen schwören Stein und Bein, dass dies nicht das Ende des Kompakt-SUV EcoSport bedeutet, der auf der gleichen Architektur aufbaut. Doch wenn der rollende Berglöwe auf Kosten des Technik-Verwandten zum Erfolg wird, fällt die Axt aus Michigan sicher schnell und kompromisslos: Die Rückkehr in die Gewinnzone, hieß es in Amsterdam, hat jetzt höchste Priorität. Andernfalls – wie hieß der Werbeslogan doch gleich? Richtig: „Eine Idee weiter“ – stünde wohl das gesamte Europa-Geschäft des Autokonzerns zur Disposition.
Das Zittern geht weiter.