Taxi fahren in Berlin ist ziemlich kitzlig. Da kutschen zwar viele Gelbe durch die Gegend, aber nicht jeder ihrer Fahrer ist motiviert. Mal wollen sie einfach nicht raus aus ihrem Kiez (mehr kennen sie trotz Navi nicht), mal ist gleich Feierabend und oft haben Sie einfach schlechte Laune. Häufig riecht es drinnen nach kaltem Qualm oder das Radio ist zu laut. Und jede Diskussion läuft frei nach Berliner Schnauze: „Ne Meesta, ditt looft jetze nich…“.

Den riesigen Markt teilen sich in der Hauptstadt hauptsächlich Mercedes und Toyota (natürlich gibt es auch Player wie VW, Ford oder sogar Dacia). Man sitzt also hauptsächlich in Daimlers feiner E-Klasse (manchmal auch schon etwas abgeranzt) oder in diversen Versionen und Jahrgängen des japanischen Prius-Hybrids. Mercedes hat für die Kunden das feine Sitzgefühl und für die Fahrer traditionell den besten Service, während die benzinelektrischen Toyotas etwas knapper geschnitten sind, aber in der City super sparsam mit Durchschnittsverbräuchen von rund fünf Litern über die Runden kommen und – so schwören die Kutscher – fast unkaputtbar sind.

In dieses Haifischbecken will nun die London Electric Vehicle Company (LEVC) mit ihrem neuen Elektro-Taxi TX eintauchen. Sieht aus wie der, nun ja etwas klobige britische Klassiker, was immer noch verdammt viel Stil hat. Drinnen (wir haben es probiert) ist wirklich üppig Platz für sechs Personen und Gepäck. Der Clou (und der in Berlin vielleicht geschäftliche Vorteil) ist die Tatsache, dass in jedes TX-Taxi auch problemlos ein Rollstuhlfahrer hineinpasst. Dazu lässt sich mit einem Handgriff eine Rampe wie ein Kuchenblech unterhalb der Türen herausziehen.

Apropos: Die Türen öffnen sich im 90-Grad-Winkel, ganz wie bei den luxuriösen Salonwagen in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ergo schreitet man hier fast hinein. Herrlich bequem. Okay, das Taxi ist immerhin 4,86 Meter lang und stolze 1,88 Meter hoch. Nebenbei soll man dann unterwegs sogar sein Smartphone (USB-Anschluss) aufladen können, selbst ein WLAN-Hotspot wird es an Bord geben. Und oben ein feines Panoramaschiebedach. Wie man mit dem Fahrer in seinem sicher abgetrennten Abteil redet? Digital natürlich, per Gegensprechanlage.

Locker Laden in der Mittagspause

Ansonsten ist es unterwegs flüsterleise. Zumindest solange wie der Elektromotor läuft. Der dazugehörige Lithium-Ionen-Akku (31 kWh, nutzbare Kapazität: 23 kWh) soll theoretisch für 120 Kilometer Reichweite taugen, in der Berliner Rush Hour dürfte es bei zartem „Strom“-Fuß für knapp 100 km reichen. Nicht schlecht. Und Aufladen geht zügig: Per 50 kW-Schnelllader in gerade 30 Minuten, schon nach 20 Minuten wäre das Akkupaket zu 80 Prozent aufgeladen – das entspricht vielleicht genau der Mittagspause des hauptstädtischen Fahrers (Wenn er sich mit Kaffee, Bulette oder Bockwurst mit Brot bescheidet).

Danach kann es flott weitergehen, der Elektromotor powert immerhin mit 110 kW, also rund 150 PS, sein schönes Drehmoment sorgt bei Ampelsprints für einen ziemlich flotten Start – das liebt der Berliner Taxifahrer! Die Spitze soll bei 130 km/h liegen – rein elektrisch. Und damit wären wir mitten in der spannenden Technik, denn die kommt nicht vom chinesischen Geldgeber und LEVC-Mutterkonzern Geely, sondern größtenteils von der schwedischen Geely-Tochter Volvo. Die Nordländer liefern viel vom zeitgemäßen Fahrwerk (Volvo XC90) und auch die elektrische Antriebsarchitektur.

Sogar Volvos modernes City-Safety-System soll es geben, also diesen elektronischen Aufpasser, der in Gefahrenfällen bei Tag und Nacht automatisch warnt und bremst. Nicht nur für Elche, sondern auch für Berliner Verkehrsrowdys oder Radfahrer, die gern mal seitlich in die Spuren braver Bürger drängeln. „Dieser TX“, sagt LEVC-Chairman Carl-Peter-Forster, „ist mit seinen Fahrerassistenzsystemen das sicherste Auto, das das Unternehmen jemals gebaut hat.“

Per Range Extender auf die Langstrecke

Auch der Range Extender, auf Deutsch Reichweitenverlängerer, kommt von Volvo. Der 1,5 Liter große Dreizylinder-Benzinmotor modernster Bauart, soll, immer im optimalen Drehzahlbereich, per Generator Strom für den Akku erzeugen und so (ganz leise summend) die Reichweite des TX auf über 640 Kilometer verlängern. Etwa für den Fall, dass jemand vom Flughafen Tegel gleich fix zur Urlaubsinsel Rügen chauffiert werden will. Was der kleine Nachlader dann in der Praxis verbraucht, verraten die Jungs von der Insel allerdings noch nicht.

Getestet wurde das gute Stück in Arizonas Wüsten und sogar am Polarkreis. Gebaut wird es in der Nähe von Coventry. Rund 360 Millionen englische Pfund hat Geely dafür ausgegeben, und bei voller Produktionskapazität sollen jährlich über 20.000 Exemplare von den Bändern rollen. In Rotterdam haben schon holländische Taxifahrer das elektrische TX-Mobil getestet, mit Begeisterung wie zu hören ist.

Ganz billig ist der Spaß für die Firmen natürlich nicht, im Gespräch ist ein Kaufpreis von rund 60.000 Euro. Aber da gibt es garantiert noch Verhandlungsspielraum, und uns Taxi-Kunden kann das ziemlich schnurz sein. Wir freuen uns einfach mal auf die stilvolle und leise englische Art des Chauffiertwerdens.

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