Seit fast 20 Jahren schreibt die Windenergie in Deutschland eine Erfolgsgeschichte. Jedes Jahr wurden mehr Rotoren aufgestellt, heute steht das Land damit an Nummer drei in der Welt, nach China und den USA. Im Jahr 2016 kamen 12,3 Prozent des gesamten Stroms aus Windkraft, zwei Jahre zuvor waren es erst 9,1 Prozent.

Motor hinter dem Aufstieg sind die Förderungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Weil die seit dem Jahr 2000 gezahlten Mittel aber nur für zwei Jahrzehnte gewährt werden, endet bald für die ersten Windanlagen die Förderung. Viele Betreiber bekommen also ab 2020 für Windstrom nur noch einen deutlich niedrigeren Marktpreis. Bleibt für sie die bange Frage: Was tun mit den möglicherweise bald unrentablen Windmühlen?

Eine Lösung wäre der Verkauf ins Ausland. Bernd Weidmann hat aus dieser Idee ein Geschäft gemacht. Der Unternehmer aus Hessen vermittelt auf seinem Internet-Marktplatz komplette Windrotoren. „Wir stehen vor einer großen Rückbau-Welle“, prognostiziert Weidmann. Er rechnet in den nächsten Jahren mit dem Abbau vieler Windrotoren, die ohne EEG-Mittel für ihre Eigentümer uninteressant werden. „Der Stromerlös wird dann oft nur noch den Wartungskosten entsprechen, das rechnet sich wirtschaftlich nicht“, sagt er.

100.000 Euro für einen Rotor

In Schwellenländern wie Kasachstan, Brasilien oder vielen asiatischen Regionen hingegen gebe es durchaus Interessenten für gebrauchte Rotoren. „Neuanlagen für mehrere Millionen Euro können sich die Menschen dort oft nicht leisten. Ein abgeschriebener Rotor ist aber schon für unter 100.000 Euro zu bekommen“, erklärt Weidmann sein Geschäft. Im Schnitt seien die von ihm vermittelten Anlagen 14 Jahre alt, meist hätten sie sich bereits nach dieser Zeit für ihre bisherigen Betreiber rentiert. „Diese Windmühlen können bei guter Wartung noch locker zehn Jahre laufen.“

Der 49-jährige Hesse hat Erfahrung mit Internetplattformen. Eine bis heute erfolgreiche Agentur für Online-Werbung hatte Weidmann bereits 1999 gegründet. Seither betrieb er unter anderem eine Vermittlungs-Plattform für Pferde. Zur Windkraft kam er zufällig, seine Webseite für alte Rotoren beschäftigt ihn aber inzwischen immer stärker. Mehr als 1500 Turbinen sind derzeit verzeichnet, das Interesse aus der ganzen Welt ist groß. Anbieter und Interessenten aus 190 Ländern treffen sich auf dem Marktplatz. Ihre Anzeigen werden von der Seite automatisch zusammengebracht – niemand muss also hunderte von Inseraten durchforsten.

Logistik ist die größte Herausforderung

Bei der Dimension einer Windanlage ist klar, dass die größte Herausforderung in der Abwicklung nach dem Verkauf besteht. Die riesigen Masten, Generatoren und der Rotor müssen schließlich abgebaut, oft über weite Strecken an Land und auf See transportiert und dann vor Ort wieder aufgebaut werden. „Das macht eigentlich die Hauptkosten aus“, stellt Bernd Weidmann fest. Den Interessenten will er deshalb künftig mit einem „Rundum-Sorglos-Paket“ entgegenkommen: Nach dem Verkauf werden die Marktplatz-Betreiber auf Wunsch auch den Transport und die gesamte Logistik dahinter organisieren.

Der deutschen Windkraft-Branche sagt der hessische Unternehmer eine schwere Zeit voraus. Angesichts der neuen Förderrichtlinien müssten die Anlagenhersteller dringend ins Ausland expandieren. Viele Hersteller hätten sich aber bislang gut in der deutschen Subventionslandschaft eingerichtet und sich wenig Gedanken über ein Auslandsgeschäft gemacht. Weidmann sieht seinen Marktplatz deshalb auch für Neuanlagen als hochinteressanten Vertriebskanal. „Wir besitzen bereits die Verbindungen, weil es weltweit keinen ähnlichen Marktplatz gibt“, zeigt sich der Internet-Unternehmer optimistisch.

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