Bei Audi ging es in den letzten Jahren nicht mehr so richtig voran mit der zukunftsträchtigen Brennstoffzellen-Technologie. Ein praktikables, reales Serienmodell war bisher nicht in Sicht, letzter Stand war Anfang 2016 die coupehafte, 170 kW starke Studie A7 Sportback h-tron, die mit einer Wasserstoff-Tankfüllung rund 500 Kilometer weit fahren sollte. Aber auch dieses schicke Konzept blieb ein Konzept, und nach heutiger WLTP-Abgasnorm wären es vielleicht nur gut 400 Kilometer Reichweite gewesen.

Dabei haben die Ingolstädter bei der Entwicklung der Brennstoffzellen-Technologie sogar den Hut auf im VW-Konzern, wo man viel zu lange lieber in Dieselmotoren investierte.

Schwieriges Thema, aber nun gibt es bei Audi ja die überraschend beschlossene Kooperation mit Hyundai, und da geht es hauptsächlich um einen Know-how-Transfer, denn die Südkoreaner sind mit Wasserstoff schon seit Jahren flott unterwegs. Bestes Beispiel ist der aktuelle Nexo, der hier nun in der europäischen Version für eine erste Testfahrt vor uns steht.

Und so sieht er aus:

Schon seine ersten Eckdaten haben die Jungs von Audi fasziniert, denn das 4,67 Meter lange, rund zwei Tonnen schwere, sehr gefällig gestylte SUV soll mit einer 6,3-Kilogramm-Füllung seiner drei Karbonfiber-Wasserstofftanks (700 bar Speicherdruck) satte 666 Kilometer weit kommen, nach neuer WLTP-Norm wohlgemerkt. Nebenbei offeriert dieser Huyndai noch ein für Wassserstoff-Modelle überaus üppiges Ladevolumen von 461 Litern, zum Vergrößern lassen sich die Rücksitze natürlich umklappen.

Brennstoffzelle der vierten Generation

Wen wundert’s, schließlich kommt hier schon die vierte Generation des Hyundai-Brennstoffzellenantriebs zum Einsatz, der nun deutlich kompakter, aber auch effizienter als seine Vorgänger ist. Gegenüber dem zuletzt angebotenen ix35-Hochsitzer ist auch die Leistung des Elektromotors gewachsen — von 100 auf 120 kW (163) PS.

Das verkürzt zum Beispiel den prestigeträchtigen Sprint auf Tempo 100 von 12,5 auf schlanke 9,2 Sekunden, maximal schafft der Nexo 179 km/h. Und keine Angst, im Winter soll er laut Hyundai auch bei minus 30 Grad Celsius innerhalb von 30 Sekunden problemlos anspringen.

Auch optisch macht der Koreaner mit seiner spacigen Front was her. Rundum glattgebügelt (versenkbare Türgriffe!) und mit diversen Luftleiteinrichtungen versehen, kommt er auf einen cw-Wert von nur 0,33. Drinnen indes gibt es ein ziemlich cooles Cockpit mit einem riesigen Display und Touchscreen-Bedienung, aber auf der breiten Mittelkonsole noch jede Menge Knöpfe und Schalter, die sich zwar schnell erschließen, aber in ihrer Häufung schon etwas altbacken wirken.

Ansonsten alles schick und fein hier mit den diversen Elementen aus Edelstahl. Die voluminösen Ledersitze sind so bequem wie sie aussehen, im Fond haben selbst Sitzriesen genügend Kopf- und Beinfreiheit.

Viel ist automatisiert

Typisch SUV ist die Rundumsicht okay, hinzu kommen auf dem Bildschirm die gestochen scharfen Bilder der neuen Totwinkel-Kameras, die das gesamte Umfeld des Autos zur Sicherheit permanent scannen und beim geplanten Spurwechsel live ins Cockpit übertragen. Hat sonst keiner, funktioniert super.

Nett ist auch der Lane Following Assist (LFA), der das Brennstoffzellenfahrzeug auf Landstraßen und Autobahnen bis Tempo 145 immer automatisch in der Mitte der Fahrspur hält, allerdings manchmal etwas zu ruppig eingreift. Außerdem kann dieser Hyundai auch relaxed automatisch einparken, dazu muss man sich nicht mal im Fahrzeug befinden, sondern kann das System per Knopfdruck mit dem Fahrzeugschlüssel aktivieren. Der Nexo steuert daraufhin vollautomatisch selbst in die Parklücken und wieder hinaus.

Per Knopfdruck, also elektronisch, funktioniert übrigens auch die Vorwärts-Rückwärts-Gangwahl (Shift by Wire-Technik). Nur ein schnödes Head-up-Display ist für den Nexo leider nicht erhältlich.

Der Rest ist easy. Starten per Knopfdruck, schon marschiert der Nexo los. Druckvoll und mucksmäuschenstill wie ein Elektroauto. Vom gesamten Antrieb, der hier ja unentwegt aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff (die quasi umgekehrte Elektrolyse) den Strom für den E-Motor gewinnt, ist nichts zu hören. Auch bei der sonstigen Dämmung haben die Techniker offenbar gute Arbeit geleistet, denn Wind- oder Abrollgeräusche sind selbst bei höherem Tempo nicht zu vernehmen, wir können uns also in Zimmerlautstärke unterhalten. Selbst über Federung und Kurvenverhalten kann man nicht meckern, obwohl das relativ hohe Gewicht des Autos in der Lenkung durchaus spürbar ist.

Schnell getankt

Der Verbrauch des Nexo liegt je nach Fahrweise bei rund einem Kilo Wasserstoff pro Hundert Kilometer, und dieses Kilo kostet bei uns je nach Anbieter zwischen 9,50 und 10 Euro. Batteriebetrieben lädt man derzeit günstiger. Dafür dauert das Tanken selbst nur knapp drei Minuten, die beim Elektroauto notwendige längere Kaffeepause braucht man erst gar nicht einplanen.

Allerdings haben wir hierzulande jetzt gerade mal 44 Wasserstoff-Tankstellen, das Netz ist immer noch arg dünn und etliche der Stationen sind oft nicht in Betrieb. Bis zum Jahresende sollen es 80 werden, aber das ist wohl Wunschdenken. Ursprünglich waren mal 100 geplant.

Was der Nexo kostet? Exakt 69.000 Euro, und da ist schon viel gängiger Luxus inklusive. Gegen zusätzliche 3500 Euro gibt es das sogenannte „Premium-Paket“, das dann unter anderem innenbelüftete Vordersitze, ein KRELL-Soundsystem oder ein elektrisches Panorama-Glas-Schiebedach offeriert. Vorbildlich sind die Fünf-Jahres-Garantie ohne Kilometerlimit und die acht Jahre (bis 200.000 Kilometer) auf die Lithium-Ionen-Pufferbatterie. Ach ja, die Brennstoffzellen-Stacks selbst sollen laut Hyundai mindesten zehn Jahre problemlos laufen.

Noch ein Argument: Bei Hyundai haben sie jetzt ausgerechnet, dass die Brennstoffzellen-Autos, wenn man Herstellung, Betrieb und Wasserstoff-Infrastruktur berücksichtigt, mit den reinen Elektroautos „fast exakt auf einem Level liegen“, genaue Zahlen hatte Entwicklungsingenieur Kyung Won Shu für uns noch nicht parat. Er verriet dafür, dass man im Konzern auch an einer interessanten Energietransfer-Lösung für Eigenheim-Besitzer arbeite. Mit der könne man später mal Nexo-Wasserstoffstrom mit einer Leistung von 10 kW ins Haus bringen.

200 Vorbesteller

Bestellbar ist der Nexo ab August bei 230 Hyundai-Händlern, die auch die Wartung übernehmen sollen. Auslieferung? Noch in diesem Jahr. Für Hyundai-Deutschland Geschäftsführer Markus Schrick ist der Nexo auf jeden Fall ein spannendes Thema: „Die Resonanz ist überraschend groß, seit April haben wir fast 200 Vorbestellungen gesammelt.“ Und langfristig kann er sich sogar den Absatz von 1000 Nexo pro Jahr vorstellen.

Für gewerbliche Kunden, deren Anteil bei fast 90 Prozent liegt, gibt es einen finanziellen Anreiz durch lukrative, staatliche Förderung: Wer sich mit grünem Gewissen mindestens drei Nexo-Modelle in den Fuhrpark holt, bekommt pro Fahrzeug 14.000 Euro erstattet. Ein schöner Anschub, für private Wasserstoff-Fans gibt es nur 4000 Euro geschenkt.

Bei Hyundai in Korea versucht man inzwischen händeringend die Stückzahlen zu erhöhen, zumal sich auch die Amerikaner und Chinesen neuerdings für wasserstoffbetriebene Autos interessieren. Als Nahziel sind 1000 Exemplare pro Monat anvisiert, langfristig sind fünfstellige Einheiten geplant. Außerdem sollen schnell weitere Wasserstoff-Serienmodelle zum Einsatz kommen.

„Wir entwickeln gerade eine Limousine, aber auch neue Lastkraftwagen und Omnibusse auf Basis der neuen Nexo-Brennstoffzellen“, verrät Ki Sang Lee, der bei der Marke für alle grünen Modelle zuständig ist. Das passt bestens zur Gesamtstrategie der Asiaten. „Bis 2025 werden wir 38 Modelle mit alternativen Antrieben im Modellprogramm haben“, verspricht er.

Die an der Entwicklung des Nexo beteiligten Ingenieuere haben von ihm alle eine Goldmedaille zum Umhängen bekommen, auf deren Vorderseite eine Eins prangt, die die erreichte Spitzenposition des Autos symbolisieren soll. Genau, Motivation auf koreanisch.

Und die deutschen Premiumhersteller? Da hängt nicht nur Audi zurück. Mercedes zum Beispiel startet im Oktober den schnittigen GLC F-Cell, doch der Mittelklasse-SUV soll mit einer Tankfüllung unter „realistischen Alltagsbedingungen“ nur gut 300 Kilometer weit kommen, weil seine beiden Tanks gerade mal 4,4 Kilogramm Wasserstoff fassen. BMW wiederum hat sich nach diversen früheren Versuchen — wir erinnern uns an das Abenteuer mit dem wasserstoffbetriebenen Siebener, der den Wasserstoff direkt im Verbrennungsmotor verpulverte, anstatt mit ihm eine Brennstoffzelle zu füttern — mit dem Wasserstoff-Spezialisten Toyota (SUV Mirai) verbandelt. Ein serienreifes Brennstoffzellen-Auto der Münchner soll frühestens 2020 starten, und das erst mal nur in ganz kleinen Stückzahlen.

Insofern ist Audis Kooperation mit Hyundai ein schlaue Idee, die viel Entwicklungskapazitäten spart. Die Koreaner wiederum profitieren von Audis feinem Lieferanten-Netzwerk, und durch die zu erwartenden Synergien sparen beide Hersteller am Ende dreistellige Millionen-Beträge. Prompt haben die Ingolstädter angekündigt, noch 2020 mit einer Kleinserie von Brennstoffzellenfahrzeugen zu starten. Wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um ein größeres SUV-Modell der Q-Reihe handeln wird.

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