Was nun wirklich kompakt ist, darüber kann man streiten. Kias Niro in der Plug-in-Hybrid-Variante (kurz PHEV) stellt einen in der Stadt schon vor Parkplatz-Schwierigkeiten. Nicht nur, weil er 4,36 Meter lang und 1,80 Meter breit ist. Die dicke Tür braucht beim Aussteigen auch noch Platz. Prognose: Die Flügeltür wird sich bei SUV durchsetzen.
Dabei geht Kia ja gerade den unprotzigen Weg. Knapp 33.000 Euro kostet der Wagen in der „Edition 7“, davon geht nochmal die Förderung von 2000 Euro runter und dann ist der Wagen nur noch 5000 Euro teurer als sein Hybrid-Bruder. Dafür kann man den PHEV laden – und das spart bares Geld. Aber dazu später.
Erst einmal steigen wir ein. Der Niro 1.6 GDI in Ausstattungslinie „Spirit“, die Smartphones induktiv laden kann und mit den getönten Scheiben einen arg dunklen Innenraum hat. Muss man mögen. Die mittlere Ausstattungslinie „Vision“ mit Lenkradheizung, Parksensoren, Regensensor, Rückfahrkamera und Sitzheizung hingegen dürfte vielen Käufern die 3000 Euro Aufpreis wert sein.
Heizung nur mit Motorwärme
Schön: Vor dem Einsteigen fährt der Sitz automatisch ein Stück zurück. Weniger schön: Mit dem Start beginnt der Motor zu brummen, das ist bei Hybridfahrzeugen sehr ungewohnt. Der Grund: die eingeschaltete Lüftung. Das muss man sich schnell abgewöhnen und eben auf die Sitzheizung setzen. Die funktioniert elektrisch.
Apropos Akku: 8,9 Kilowattstunden (kWh) sind schon fein. Das reicht für 60 elektrisch zurückgelegte Kilometer, solange man unter 130 km/h bleibt. Und wenn man die 1,6 Tonnen geschickt abbremst, dann verlängert die Rekuperation die Reichweite noch ein wenig. Weil es für ein richtiges E-Auto aber mehr Akku braucht, spendiert Kia dem Elektro-Niro, der dieses Jahr kommt, 64 kWh. Der Soul EV, Kias bisher einziges E-Auto, kommt mit 27 kWh aus – aber auch nur 250 Kilometer weit.
Aber zurück zum Plug-in-Hybrid: Wenn man die 172 km/h offizielle Höchstgeschwindigkeit ausfahren oder per Kickdown von der Ampel lossprinten will, dann schaltet sich der Verbrenner mit 105 PS/ 77 kW noch dazu, um den 45-kW-Elektromotor zu unterstützen.
Sprints gewöhnt man sich aber ohnehin ab. Der Niro ist weniger Sport, mehr Utility Vehicle. Zuverlässig, bequem, einer für die Langstrecke. Und mit vollem Akku und Tank (43 Liter Super) kommt man problemlos 900 Kilometer weit. Der Verbrauch liegt dann zwischen fünf und sechs Litern. Es gibt sogar einen Effizienzassistenten, der beispielsweise das frühe Abbremsen vor Abbiegungen empfiehlt.
Im Idealfall keine Treibstoffkosten
Aber: Das ist nur der Notfallplan. Normalerweise sollten die 60 elektrischen Kilometer dazu ausreichen, mit rund einem Liter auf 100 Kilometer zu fahren – wenn man denn laden kann. Entsprechend gibt Kia den Verbrauch (nach NEFZ) auch mit 1,3L Super/9,8kWh an. Das ist natürlich optimistisch.
In unserem Test ohne Lademöglichkeit zu Hause und mit rund 90 Kilometern am Tag schaffte der Niro 3,7 Liter und knapp 5 kWh auf 100 Kilometern. Immer noch manierlich. Damit stehen auf der Rechnung: 5,40 Euro Benzin und 1,50 Euro Strom, zusammen 6,90 Euro. Zum Vergleich: Der neue Soft-Hybrid-Sportage mit Diesel fährt auf gleicher Distanz Kosten von 8,30 Euro rein – trotz Dieselprivileg.
Im Normalfall sollten PHEV-Käufer aber mehr Lademöglichkeiten zur Verfügung haben. Entsprechendes Sparpotenzial hat der Niro, zumal der Ladesäulen-Ausbau ja mit großen Schritten voranschreitet. Mit Wallbox daheim sind deutlich unter 6,00 Euro drin. Wer auf der Arbeit umsonst laden kann und eine Pendel-Strecke von 30 Kilometern pro Fahrt hat, kann den Niro sogar ohne Treibstoffkosten fahren.
Kind und Kunst: Niro überzeugt im Alltag
Aber nun ist ein Auto ja nicht nur zum Pendeln da, deshalb haben wir mal zwei klassische Fälle nachgestellt. Nummer 1: Ein befreundeter Künstler hat eine Ausstellung, aber leider ist die Kunst oft brotlos und so übernehmen wir gerne den Transport.
Die kleinen Graphiken sind auch gerahmt kein Problem. Das größte Gemälde (1,25 mal 1,25, Öl auf Holz) passt zwar theoretisch auch in den Wagen, wenn man die Rücksitze umklappt. Aber praktisch kommt es nicht in den Innenraum, weil die Karosserie schon zuläuft, bevor die Heckklappe beginnt. Und auch die hinteren Seitentüren sind zu niedrig.
Zugegeben: Das Problem hat der Niro bei Weitem nicht exklusiv und es hat auch mit der Sicherheit des Wagens zu tun – aber die Argumentation vieler SUV-Freunde, man brauche den Wagen für den Transport von was auch immer, die müssen wir hier leider ins Reich der Fabeln verweisen.
Alltagsfall 2: Der Familienausflug. Vier Generationen plus Kinderwagen und Taschen sind für den Niro kein Problem, der Kindersitz lässt sich einfach an das Isofix-System anbringen, das Urteil der Familie fällt positiv aus. Und da der Niro auch eine optionale Anhängerkupplung mitbringt, könnte er auch Familien überzeugen, die gerne ihre eigene Unterkunft mitnehmen. Caravan-Freunde schrecken ja bislang oft noch vor alternativen Antrieben zurück.
Insgesamt ist der Niro als Plug-in ein schöner Kompromiss. Nicht supersportlich, aber ausreichend. Kein gigantisches Platzangebot, aber ausreichend. Wenig Schnick-Schnack, aber ein bisschen. Dafür macht er einen absolut zuverlässigen Eindruck. Ein Traumauto für selbstständige Chauffeure oder vorsichtige Pendler. Viel einfacher kann man in die Welt der Ladesäulen und des Leisefahrens nicht einsteigen.