Es gab viele Gründe, warum sich das Elektromobil trotz anfänglichen Markterfolgen nicht gegen das Auto mit Explosions-Kraftmaschine durchsetzen konnte, damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Reichweite und die langen Ladezeiten spielten wie heute eine Rolle, die schnelle Alterung der Batterien und die geringe Zahl an Lademöglichkeiten selbst in Großstädten wie New York oder Paris.
Der Hauptgrund aber war ein anderer, kein technischer, sondern letztlich ein soziokultureller, schreibt der Technologie-Historiker Gijs Mom in seinem Buch „Das Elektroauto“: Die Autos waren zu leicht zu bedienen. Gestartet wurden sie durch Betätigung eines Schalters, ein Getriebe war nicht erforderlich, für Beschleunigung und Bremsen reichten zwei Fußpedale oder auch nur ein Hebel am Lenkrad. Elektroautos machten keinen Lärm und produzierten keinen Gestank – und waren deshalb bald als Frauen-Autos verschrien.
Benziner hingegen galten als hochkomplexe „Abenteurer-Maschinen“, die nur von echten Kerlen mit technischem Verständnis beherrscht und gewartet werden konnten, die es Wagemutigen aufgrund der größeren Reichweite erlaubte, die Stadt zu verlassen und Expeditionen aufs Land zu unternehmen, die es wohlhabenden Gentlemen ermöglichte, die Kräfte und Fähigkeiten bei hohen Fahrgeschwindigkeiten auf Rennstrecken oder bei Rallyes zu messen.
Zwitterwesen ohne Gentechnik
Heute wendet sich das Blatt wieder. Die Zahl der Autos, die noch per Hand geschaltet werden, sinkt mit jedem Jahr. Und für die technischen Finessen eines Sechszylinder-Reihenmotors mit Abgasturbolader und wassergekühltem Ladeluftkühler, Nasssumpfschmierung und variablen Steuerzeiten interessieren sich nur noch Enthusiasten. Wichtiger ist jungen Autokäufern, wie schnell sie ihr Handy mit dem Auto verbinden können und ob sich der Bordcomputer mit Siri versteht. Der Antrieb selbst ist idealerweise wartungsfrei und selbsterklärend. Männer mögen früher Pfeife geraucht und Zündzeitpunkte noch selbst eingestellt haben – heute gelten andere Fähigkeiten als charakterbildend.
Was nicht heißt, dass es keine Autos mehr gibt, die zumindest ein gewisses technisches Verständnis erfordern, will man sie artgerecht und ressourcenschonend bewegen. Autos wie den Mitsubishi Outlander PHEV beispielsweise. Es handelt sich dabei um das in der Topausstattung knapp 50.000 Euro teure Technologie-Flaggschiff der Japaner aus der Klasse der Sport Utilities und der Gattung der Hybridfahrzeuge, Unterart Plug-In Hybride. Ein echtes Zwitterwesen also. Einerseits allradgetriebener Geländewagen, andererseits luxuriöse Familienkutsche. Teilweise angetrieben von einem 99 Kilowatt (kW) starken Vierzylinder-Ottomotor an der Vorderachse, teilweise von 70 bzw. 60 kW starken Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse, von denen der eine mit hochoktanigem Benzin und die beiden anderen mit elektrischem Strom gefüttert werden. Letzterer wird entweder mit Hilfe des Benziners per Generator entweder an Bord erzeugt oder alternativ über eine Steckdose zugeführt und in einer 13,8 Kilowattstunden (kWh) großen Lithium-Ionen-Batterie zwischengespeichert.
Freude am Experimentieren
Klingt hochkompliziert und hochkomplex, ist es im Detail auch, muss den Fahrer aber nicht belasten. Vorausgesetzt, man hat das Antriebsprinzip erst einmal verstanden und sich im Alltagsbetrieb mit den verschiedenen Fahr- und Bremsmodi sowie den zahlreichen Schaltern in der Konsole und am Lenkrad vertraut gemacht hat. Die 531 (!) Seiten starke Bedienungsanleitung liefert zwar zahlreiche Funktionsbeschreibungen und manch altklug Ratschläge („Vermeiden Sie das Fahren mit vollständig durchgedrücktem Gaspedal beispielsweise bei unnötigen Blitzstarts, beim Beschleunigen und beim Abbremsen“). Aber wie man die technischen Einzelsysteme effizient nutzt, um mit den Ressourcen möglichst weit, sparsam und umweltschonend zu kommen, muss sich der Fahrer im Alltagsbetrieb selbst zurechtlegen. Der Mitsubishi bietet dafür schon ab Werk eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die über den sogenannten Leistungsschalter in der Mittelkonsole, eine Eco-Taste sowie über Paddels an der Lenkradsäule sogar miteinander kombiniert werden können. Das macht alles nicht einfacher, wenn man die Steuerung der Energieströme nicht einfach dem intelligenten Bordrechner überlassen möchte. Aber mit der Vielzahl der Möglichkeiten wächst die Freude am Experimentieren – und das staunen, wie leistungsfähig und umweltschonend moderne Hybridantriebe heute arbeiten.
Die einfachste Art, einen Plug-in-Hybrid zu bewegen, ist ihn wie einen ganz normalen Benziner zu fahren und das Aussteuern der beiden Antriebssysteme dem Bordcomputer zu überlassen. Also den Leistungsschalter gedrückt, den Joystick oder Wählhebel nach hinten in die Stellung D für Drive gerückt – und ab geht die Post. Dynamisch weil bis zu Tempo 120 vollelektrisch, aber auch nur so lange wie genug Strom im Akku ist. Anschließend springt der Verbrenner an. Dieser sorgt erst einmal nicht für den Vortrieb, sondern mit konstanter Drehzahl und einem sanften Brummton für neue Energie, indem er den Akku auflädt. Es versteht sich allerdings von selbst, dass bei einer solchen Fahrstrategie die vom Hersteller versprochenen Verbrauchswerte nach der neuen WLTP-Norm von 2 Litern Superbenzin und 16,9 kWh auf 100 Kilometer Fahrstrecke bald überboten werden. Der Vorwurf ist dann allerdings nicht mehr Hersteller zu machen – der Fahrer muss sich selbst an die Nase fassen und seinen Gasfuß zügeln.
Spiel der Kräfte in bunten Farben
Wesentlich sinnvoller ist es, die Betriebsmodi des Hybridantriebs so zu nutzen, wo es Sinn macht: Den Elektroantrieb in der Stadt, den Verbrenner auf Überlandfahrten. Also im rein elektrischen EV-Modus durch das Wohngebiet zu fahren und in der Autobahnauffahrt in den Batteriespar- oder „Save“-Modus zu wechseln. Die Restladung der Batterie bleibt dann erhalten, damit am Zielort wieder vollelektrisch – leise und emissionsfrei – gefahren werden kann. Wenn man sich dann auf der Autobahn auch noch an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h hält und vorausschauend fährt, kommt man den Labor-Verbrauchswerten schon deutlich näher. Denn der Verbrenner springt dann nur selten ein. Erst jenseits von Tempo 160 wirkt der Verbrenner direkt auf die Vorderachse, wird aus dem seriellen ein parallel arbeitender Hybrid. Im Mäusekino in der Mittelkonsole lässt sich das Spiel der Kräfte in bunten Farben verfolgen.
Soweit die Theorie. Und in der Praxis? Im Testbetrieb kamen wir mit unserem kaffeebraunen Outlander auf einen 60-40 Mix beider Antriebsarten und einen von Energieverbrauch von weniger als 5 Litern Benzin und 17 kWh Strom. Wir hatten allerdings auch brav bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Batterie extern aufgeladen, über Nacht an einer einphasigen Haushaltssteckdose mit 3,7 kW, unterwegs bei kurzen Pausen an einer Schnellladesäule über den CHAdeMO-Stecker, wo er mit 22 KW Ladeleistung in etwa einer halben Stunde zu 80 Prozent wiederaufgeladen ist.
Fast 50 Kilometer im Schleichmodus
Theoretisch rollt der Outlander mit einem vollen Akku bis zu 54 Kilometer rein elektrisch, in der Praxis lag die elektrische Reichweite in unserem Fall eher bei 40 bis 45 Kilometer: Ferienzeit, die Straßen waren weitgehend frei. Durch Großstädte wie Köln kann man sich auch damit problemlos im „Schleichmodus“ bewegen, nicht nur einen, sondern theoretisch auch mehrere Tage, bis der Akku erschöpft ist. Auch Fahrten von Köln nach Düsseldorf sind damit problemlos möglich – der Verbrenner kann also in vielen Fällen ruhen.
Allerdings: Trotz umweltfreundlichem Hybridantrieb ist die Großstadt alles andere als das perfekte Revier für den knapp 4,70 Meter langen Outlander. Mit einer Höhe von 1,71 Metern kommt er zwar problemlos in jede Tiefgarage. Aber das Rangieren in enge Parklücken ist trotz allerlei Helferlein wie Kameras und Sensoren alles andere als ein Kinderspiel. Dafür ist das Raumangebot und der Sitzkomfort superb, das Kofferraumvolumen üppig, der Geräuschpegel im Innern niedrig. Da auch das Fahrwerk auf Komfort getrimmt ist – nach dem Geschmack des Autors ein wenig zu stark – ist der Outlander ein wunderschönes Reisemobil mit bis zu 800 Kilometer Gesamtreichweite, das sich dank (abschaltbarem) Allradantrieb nicht nur auf der Autobahn ausgesprochen wohl fühlt.
Dort lässt sich an Steigungen und Streckenabschnitten mit starkem Gefälle über die Peddals am Lenkrad in sechs Stufen auch schön überschüssiger Schub in Fahrenergie zurückgewinnen und dadurch die Reichweite nochmals um den einen oder anderen Kilometer verlängern. Das freut die Umwelt und lässt nicht nur die stilisierte Sonnenblume in der Cockpit-Anzeige tiefgrün erstrahlen, sondern auch Technik-Liebhaber anerkennend mit der Zunge schnalzen.
Fazit: Autos des 21. Jahrhunderts sind kinderleicht zu bedienen – und könnten trotzdem Abenteuer-Maschinen sein. Mehr davon, aber bitte zwei Nummern kleiner.