Wie kann das Land mit einem dichten Netz von Ladesäulen überzogen werden? Das ist einer der Knackpunkte, wenn es darum geht, die Elektromobilität möglichst rasch voran zu bringen. Die Kosten für Säulen und deren Installation sind hoch. Das behindert die Verbreitung. Für Tobias Wagner vom Münchener Start-up ChargeX geht die ganze Diskussion allerdings in die völlig falsche Richtung. „Wir brauchen keineswegs eine eigene Ladesäule pro E-Auto“, sagt der 24-jährige Mitgründer des Unternehmens. Bei ChargeX teilen sich mehrere E-Fahrzeuge die Leistung einer Säule, so kostet jeder Anschluss nur halb so viel wie ein Einzelanschluss.
Als leidenschaftliche E-Autofahrer haben Wagner und seine Mitstreiter erkannt: „Die Fahrzeuge stehen täglich viel länger herum, als sie geladen werden müssen.“ Beispielsweise nachts in der Tiefgarage. Tagsüber in der Bürogarage folgen dann meist weitere neun Stunden Stillstand. In diesen Zeiträumen sollen und können die Speicher zwar geladen werden. Wann genau, ist dem Fahrer allerdings egal. Bislang funktioniert es dennoch immer gleich: Ankommen, einstöpseln, laden, Säule bis zur Abfahrt blockieren. So muss es aber nicht sein.
Ein Anschluss – vier Autos
Bei ChargeX hängen an einem Hauptanschluss mindestens vier Fahrzeuge. „Wir laden nämlich sequenziell“, sagt Wagner. Die Autos werden also nacheinander geladen, nicht gleichzeitig. Der Nutzer merkt davon nichts. Er stöpselt sein Fahrzeug wie gehabt in eine Wallbox ein. Das heißt jedoch nicht, dass der Ladevorgang dann umgehend beginnt.
Die von ChargeX entwickelte Software verteilt den Energiefluss vielmehr. Sie berechnet, welches Fahrzeug als nächstes Strom bekommt. „Die Autos kommen fast nie mit leergefahrener Batterie an“, sagt Wagner. „Deshalb genügen in den meisten Fällen ein bis zwei Stunden Ladezeit.“ Wer als Erster wieder wegmuss, bekommt auch als Erster Energie zugebilligt. Irgendwann sind alle Autos voll und keiner hat gemerkt, wann dies geschehen ist. Unerwartete Abfahrtszeiten können dem System dennoch mitgeteilt werden, es berechnet dann die Ladezeiten neu.
Ideal bei langen Standzeiten
„Wir benötigen nur noch einen Hauptanschluss“, erklärt Wagner den großen Vorteil. Der intelligente Mehrfachstecker von ChargeX hängt daran per Plug’n’Play-Technik. „Bei uns ist der einzig limitierende Faktor für den Ladevorgang die Zeit. Gibt es die reichlich, dann können wir massenhaft Ladestationen nebeneinanderstellen“, sagt Wagner.
Bislang begrenzt stattdessen die verfügbare Energieleistung die Menge an Ladesäulen. Deshalb sei es unwirtschaftlich, eine Tiefgarage mit vielen Einzelstationen auszustatten. „Dazu müsste die Leistung der zuführenden Stromleitung vergrößert werden. Das aber ist horrend teuer.“
Geeignet sind die ChargeX-Anlagen also für Orte, an denen viele Autos geladen werden und wo diese zudem lange stehen. „Ideal für uns sind Flughäfen: Lange Standzeiten, in denen wir irgendwann laden können“, sagt Wagner. An der Autobahn hingegen bleiben wohl die aktuellen Schnellladestationen sinnvoll.
Bislang haben die Jungunternehmer einen Prototyp von ChargeX entwickelt. Demnächst werden sie in Dresden im Volkswagen-Inkubator ihre Idee perfektionieren. Zum Jahresende sollen dann die ersten Testanlagen stehen. Die Welt wartet offenbar darauf: „Das Interesse ist riesig. Wohnungsbaugesellschaften, Firmen – wir haben schon massenweise Anfragen nach dem Produkt“, berichtet Wagner stolz.