Fast vier Jahre ist es inzwischen her, dass ich meiner Frau ein Pedelec gekauft habe. Ein Hercules Roberta Vario mit der genialen Nuvinci-Schaltung: Kein Hebeln rechts und links, keine lange Suche nach der perfekten Übersetzung, sondern ein einfacher Dreh am Griff. Dazu der bewährte Bosch-Motor am Tretlager, ein Akku mit 400 Wattstunden Speicherkapazität unter dem Gepäckträger sowie eine gefederte Sattelstütze für den Komfort und hydraulische Felgenbremsen von Magura für die Sicherheit.
Meine Frau war nach der Testfahrt beim Fahrradhändler hellauf begeistert – und ich überzeugt, dass sie mich künftig häufiger auf meinen ausgiebigen Fahrradtouren begleiten würde. Denkste. Nach drei, vier, zugegebenermaßen ambitionierten Runden über 50 Kilometer ins bergige Bergische Land – die Roberta locker wegsteckte, Monika hingegen immer wieder heftigen Muskelkater eintrug – durfte ich wieder alleine auf meine Feierabend- und Wochenendrunden gehen.
Roberta wurden nur noch dann und wann zum Brötchenholen oder für kürze Besorgungsfahrten eingesetzt. Schade um die über 2000 Euro, die uns die Anschaffung damals gekostet hat. Was tun? Verkaufen oder gegen ein E-MTB tauschen, von dem ich seit der ersten Begegnung mit einem Testrad mehr oder minder heimlich träume?
Hier kommt Sven Erger ins Spiel. Der ehemalige Sony- und Microsoft-Manager, selbst ambitionierter Mountainbiker, kennt derlei Probleme und hat deshalb kürzlich in München „rebike1“ gegründet, eine Plattform für den An- und Verkauf gebrauchter Premium E-Bikes. „Viele Pedelecs sind nach zwei, drei Jahren noch in erstklassigem Zustand, weil die Besitzer die Räder nicht so intensiv nutzen wie gedacht oder sie aus irgendwelchen Gründen den Spaß an der Sache verloren haben.“ Aber: Wohin damit?
Händler nehmen die Räder nur ungern und wenn auch nur zu einem eher symbolischen Preis in Zahlung, auf Gebrauchträder-Märkten in den Städten liegen die Handelspreise meist noch niedriger. Also eBay oder Kleinanzeige? Erger, gerade auf der Suche nach einer neuen Herausforderungen, analysierte zusammen mit Freunden den Gebrauchträder-Markt und erkannte: „Es gibt einen riesigen Markt für gebrauchte E-Bikes – aber noch keinen, der professionell betrieben wird.“
Die Marktlücke: Ein professionell betriebener Markt für gebrauchte E-Bikes
Na ja, immerhin gibt es in Deutschland seit 2015 die Online-Plattform Bikesale, über die Gebrauchträder aller Art gehandelt werden – von Privat an Privat. Nach bravourösem Start dümpelt die Plattform inzwischen vor sich hin. „Die meisten Räder dort sind Schrott“, findet der Münchner mit Blick auf die E-Bikes, die dort angeboten werden. Tatsächlich machen die Besitzer meist nur spärliche Angaben zu den angebotenen Rädern. Bei E-Bikes gibt es keine Angaben darüber, wie viele Kilometer die Räder bereits zurückgelegt haben und wie viel Energie die Akkus noch speichern können.
Hier geht rebike1 einen anderen, einen aufwändigeren Weg: Das Start-up unterzieht alle eBikes vorab einem gründlichen Check, bei dem nicht nur das Innenleben des Motors inspiziert wird. Gängige Verschließteile wie Kette oder Bremsbeläge werden bei der Gelegenheit auch gleich ausgetauscht. Zudem werden sämtliche Systemdaten wie Ladezyklen des Akkus oder Betriebszeiten des Motors ausgelesen und wird, wo nötig, die aktuelle Software-Version aufgespielt. „Der Gebrauchtkauf wird ohne Risiko abgewickelt, denn der Käufer erhält auch eine zweijährige Garantie auf Akku und Motor“, wirbt Geschäftsführer Erger für seinen Service.
Bei den Pedelecs, die aktuell, gut fünf Wochen nach dem Start, auf der Plattform zu Preisen zwischen 1000 und 5000 Euro angeboten werden, handelt es sich größtenteils um Vorführmodelle von Händlern, Messe-Modelle der Hersteller oder Fahrräder von Verleihstationen zum Beispiel auf Mallorca oder auf den Kanaren. Die meisten hatten auch schon nach kurzer Zeit einen Abnehmer gefunden.
Na klar, da ist das Risiko gering, auf ein Rad mit Macken zu treffen. Privatleute, die über rebike1 ihr gebrauchtes, maximal drei Jahre altes Pedelec verkaufen wollen, müssen ein Ankaufformular ausfüllen, in dem die technischen Details abgefragt werden sowie Bilder einschicken. Auf der Basis macht rebike1 dem Anbieter dann innerhalb von drei Tagen ein erstes Angebot. Stimmt er zu, wird das Fahrrad abgeholt – und nach Eintreffen in München sowie eingehender Inspektion ein konkretes Angebot gemacht. „Meist wird man sich aber einig“, so Erger.
Privatverkäufe machen derzeit aber nur etwa fünf Prozent des Geschäfts aus, meist sind es hochpreisige Einzelstücke, die ihre Erstbesitzer aus irgendwelchen Gründen leid geworden sind.
Roberta war weder besonders hochpreisig, auch kein Einzelstück. Außerdem ist sie bereits über der Altersgrenze. Und als ich beim Abendessen das Thema Verkauf vorsichtig anschneide, schaut mich meine Frau entsetzt an: „Warum das?“ Stimmt, ergibt eigentlich keinen Sinn – wenn man das Rad intensiver nutzt. Das bringt mich zur nächsten Frage: Was machen wir nochmal am nächsten Wochenende?