Renault führt einmal mehr die elektrische Elite vor. Denn wenn VW beim ID oder Tesla beim Modell3 über Massenmodelle sprechen, können die Franzosen nur lachen. Nicht nur, dass sie in Europa schon zehntausende Stromer vom Typ Zoe und Twizy auf der Straße haben. Sondern jetzt treten sie auch noch auf dem weltgrößten Markt für Elektroautos im härtesten Segment an und wollen mit dem pfiffigen Kleinwagen K-ZE vom Batterieboom in China profitieren. Dabei setzen sie nicht nur auf alltagstaugliche Fahrleistungen, eine Normreichweite von guten 250 Kilometern und ein pfiffiges Design, sondern vor allem auf einen knallhart kalkulierten Kampfpreis: Viel mehr als umgerechnet 10.000 Euro soll der Winzling nach Abzug der Subventionen nicht kosten. Und da der Staat aktuell die Zuschüsse immer weiter zusammenstreicht, sind selbst 15 000 Euro noch zu viel, gibt Marketing-Chef Guillaume Sicard den Rahmen für das Prizing des Autos vor, das dieser Tage auf der Automesse in Shanghai Weltpremiere hatte.
Alles andere als eine Verzichtserklärung
Dafür gibt es ein Auto, das keineswegs nach einer rollenden Verzichtserklärung aussieht. Sondern so klein der K-ZE mit seinen 3,73 Metern auch sein mag – er macht ordentlich was her. Schließlich hat ihn Designchef Laurens van den Acker zu einem Mini-SUV aufgebockt, ein paar bunte Kontrastkonsolen aus Plastik ans Blech geclipst und ihm ein charmantes Gesicht gezeichnet. Dazu bietet der ferne Twingo-Verwandte mit seinen 2,43 Metern Radstand innen überraschend viel Platz: Vorne jedenfalls sitzt man bequem und ohne Beklemmungen. Der Rücksitz taugt zur Not auch mal für zwei Erwachsene und der Kofferraum fasst immerhin 300 Liter – zwölf Liter mehr als im aktuellen Renault Clio.
Am meisten allerdings überrascht das Fahrverhalten. Nein, nicht weil der K-ZE flüsterleise ist und einen Antritt hat wie ein GTI. Daran haben wir uns bei Elektroautos inzwischen gewöhnt. Und auch nicht, weil die Luft nach oben ziemlich schnell ziemlich dünn wird. Denn auch wenn der K-ZE trotz der immerhin 27 kWh großen Akkus um Wagenboden nur etwas mehr als 900 Kilo wiegt, darf man natürlich von einem Elektromotörchen mit 33 Kilowatt Leistung und einem Drehmoment von 125 Newtonmetern keine Wunder erwarten – so viel Leistung haben bei Mercedes & Co schließlich mittlerweile beinahe die Anlasser. Dass die Höchstgeschwindigkeit nur 105 km/h beträgt, muss man deshalb akzeptieren. Was zumindest in China leicht fällt – dort darf man auf öffentlichen Straßen ohnehin nicht schneller fahren.
Da klappert nix
Was wirklich beeindruckt, ist die Souveränität, mit der dieser Winzling über die Teststrecke rund ums Werk in Wuhan surrt. Auf der Marterstrecke rappelt und klappert nichts, auf der langen Geraden wechselt er auch bei höherem Tempo sauber die Spur, in den Kehren und beim Rangieren ist er wunderbar handlich. Und selbst die Steilkurven der Teststrecke treiben einem nicht den Angstschweiß auf die Handflächen. Der VW e-Up oder der Smart EQ fahren vielleicht schneller, aber nicht besser. Nur beim Rekuperieren, der Rückgewinnung der Bremsenergie, fällt der K-ZE gegenüber den Wettbewerbern deutlich ab: Weil Projektleiter Jeremie Coiffier diese Funktion zu teuer war, rollt der Renault einfach aus, wenn man den Fuß vom Gas nimmt. Bremsen muss man selbst. Aber das wird man ja wohl vom Fahrer noch erwarten können.
Dass die Franzosen billige Autos bauen können, haben sie vor 20 Jahren mit dem Überraschungserfolg von Dacia und vor etwa fünf Jahren mit dem Kleinwagen Kwid bewiesen, der für die Franzosen den indischen Subkontinent erobert hat. Doch der K-ZE könnte sich zu ihrem Meisterstück erweisen. Erstens, weil er als Elektroauto mehr Zukunft und weniger Konkurrenten hat. Und zweitens, weil man ihm nicht anmerkt, dass an jedem Cent gespart wurde: Er sieht pfiffig aus, die Fahrleistungen sind für einen Stadtflitzer vergnüglich, das Innenleben ist farbenfroh, die Materialqualität überraschend hochwertig. Statt fieser Plastikausdünstungen gibt es sogar eine automatische Umluft-Kontrolle gegen den Smog der Millionenmetropolen. Und auch die sonstige Ausstattung lässt manch einen europäischen Clio-Kunden vor Neid erblassen, von den Twingo-Fahrern ganz zu schweigen. Zwar spart sich Renault zum Beispiel den elektrischen Schleuder-Verhinderers ESP. Doch dafür sind nicht nur elektrische Fensterheber und die Klimaanlage in allen Autos Standard, sondern auch ein großer Touchscreen mit Navigation, Online-Infotainment, Smartphone-Integration und W-LAN-Hotspot. „Für die Höchstgeschwindigkeit interessiert sich in China niemand. Aber ohne Touchscreen muss man hier gar nicht antreten“, erklärt Marketing-Chef Sicard.
Produziert in China für den Weltmarkt
Zwar ist der KZ-E zunächst einmal ein rein chinesisches Phänomen. Das Auto wurde gemeinsam mit dem Partner Dongfeng in China entwickelt und ausschließlich dort gebaut. Doch so klein der Batterie-Bonsai auch sein mag, steht ihm die große Welt weit offen, sagt Renault-Chef Thierry Bolloré: „Das ist ein globales Projekt. Deshalb werden wir den K-ZE auch in anderen Regionen verkaufen.“ Auch der Verkauf in Deutschland dürfte deshalb nur noch eine Frage der Zeit sein. Denn außer einer neuen Typ-2-Steckdose hinter der Renault-Raute und auch einem ESP-System braucht der K-ZE nicht mehr viel für eine EU-Zulassung. Und die Fabrik in Wuhan hat schon jetzt eine Kapazität für 120.000 Autos im Jahr – und kann nahezu beliebig erweitert werden. Dass der Winzling bei uns das Zeug zum großen Star hat, daran hegt Marketing-Chef Sicard keine Zweifel: „Hier in China müssen wir uns gegen ein Dutzend ähnliche Autos behaupten. Aber in Europa wären der K-ZE konkurrenzlos.“