Hannes Ametsreiter leitet Vodafone Deutschland seit fast drei Jahren – und ruft die Giga-Gesellschaft aus. Ohne Gigabit-Leitungen, so seine Überzeugung, leidet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft. Ein Angriff nicht nur auf den Platzhirsch Telekom, der sich mit Vectoring-Gewurschtel an seine Kupferkabel klammert, sondern auch auf eine immer noch analoge Gesellschaft. Wir haben ihn getroffen und gefragt, wie digital die Zukunft wird:
Edison: Herr Ametsreiter, unsere Kinder werden eine andere Welt sehen als wir – aber muss man ihnen deshalb schon mit vier Jahren Programmieren beibringen, wie es im Vodafone-Kindergarten passiert?
Ametsreiter: Es ist sehr wichtig, dass wir rechtzeitig die richtigen und künftig notwendigen Kulturtechniken vermitteln. Ich merke das bei meinen eigenen Kindern. Die sind fünf und zehn Jahre alt und sie nähern sich dem spielerisch. Sie haben einen sehr natürlichen Umgang mit Software. Sie lernen: Wenn ich diesen Befehl eingebe, dann passiert das. Es ist wichtig zu wissen, was Software kann und was ich künftig mit Künstlicher Intelligenz bewirken kann. Wenn man es schafft, Kindern dieses Wissen beim Spielen zu vermitteln, dann ist allen gedient. Es ist ja kein Zwang. Die Kinder nehmen es auf, manche entwickeln eine Leidenschaft und werden beste Programmierer. Andere werden das vielleicht nicht – aber sie finden sich in der digitalen Welt zurecht. Beides ist gut für die Gesellschaft, beides ist wichtig in zukünftigen Jobs.
Das ist das Bild der Giga-Gesellschaft, das Sie gerne zeichnen. Über die Technik reden wir gleich noch – vor allem möchten Sie aber einen Wandel der Einstellungen, schon bei jungen Menschen. Welche Veränderungen kommen da auf die Gesellschaft zu?
Gewaltige. Digitalisierung bedeutet, dass komplett neue Möglichkeiten entstehen. Maschinelles Lernen etwa bedeutet: Ein Algorithmus kann in Zukunft selbstständig entscheiden. Dieser Umbruch kommt in unglaublicher Geschwindigkeit auf uns zu. Ich bin jemand, der diese Möglichkeiten nutzen möchte – und ich möchte alle mitnehmen auf diese Reise in die Zukunft.
„Je besser man sich auf die Zukunft vorbereitet, desto besser wird sie“
Was können Sie als Unternehmen dazu beitragen?
Die Digitalisierung treibt diesen Umbruch. Es wird neue Softwaremöglichkeiten geben – und je besser man sich auf die Zukunft vorbereitet, desto besser wird sie. Es ist wichtig, Optimist zu sein. Auch dadurch wird die Zukunft besser. Sie gestalten zu wollen. Und das können wir: Wenn man eine Vorstellung von der Zukunft hat, kann man über diese mit anderen sprechen, ihnen vorstellen was neue Technologien können, einen Diskurs starten. Wir sprechen mit Kunden, Mitarbeitern und Industrie: Was kann zum Beispiel 5G? Wie nutzt der neue Mobilfunkstandard konkret?
Wenn Ametsreiter von den Möglichkeiten von 5G erzählt, dann natürlich mit einer Menge schwer verständlicher Fachbegriffe. Versuchen wir mal, die wichtigsten zu erklären:
Wenn Mitarbeiter mit Sorgen zu Ihnen kommen, oder zumindest sagen: Meine Familie hat Angst vor der Zukunft und ich bekomme sie nicht zum Optimismus überredet – was würden Sie ihm konkret raten?
Ich würde versuchen, Begeisterung zu wecken. Versuchen, meine Begeisterung zu teilen. Meine Begeisterung für eine Vision. Und dann ganz konkret zeigen, was für Möglichkeiten sich künftig der Familie, den Kindern, den Erwachsenen bieten. Man hat immer Angst vor Dingen, die man nicht kennt. Je klarer diese werden, je mehr man konkretisiert, desto mehr verliert man die Angst und sieht die Chancen.
Sie sprechen ja beispielsweise schon viel über 5G, obwohl das Thema für die meisten Menschen noch in der Zukunft liegt.
Das stimmt nicht ganz. Erste Technologieformen, die 5G ausmachen werden, funktionieren auch schon mit LTE. Ein Beispiel ist Beamforming. Das machen wir schon heute.
Was ist das?
Beim Beamforming folgen die Mobilfunkantennen uns wie der Strahl einer Taschenlampe. Als hätten wir einen Scheinwerfer auf uns gerichtet, oder auf unser Auto. Die Antenne kann uns in den Park folgen, oder wo auch immer wir einen Versorger brauchen. Damit schaffen wir bessere Qualität, bessere Versorgung, bessere Abdeckung.
Solche technischen Sprünge passieren nicht ruckartig, das sind Evolutionen. Viele Technologien, die 5G ausmachen, sind auch schon mit 4G möglich. Ich halte es für falsch, zu viele Hoffnungen nur in 5G hineinzuprojizieren. 5G ist eine Innovations-Reise. Wir wollen Teil dieser Evolution sein und den Diskurs jetzt führen. Nicht erst, wenn 5G verfügbar ist.
Und dann kommt auch das um die Ecke schauende Auto?
Das Auto der Zukunft wird branchenübergreifend gebaut. Es wird sehr viele Sensoren haben. Diese sind allesamt so konzipiert, dass sie Hindernisse erkennen. Wenn eine Gefahr aber hinter einer Ecke verborgen ist, sieht das kein Sensor. Wenn nun ein Auto um die Kurve geschossen kommt, kann es einen Unfall geben. Weil die Sensoren im Auto eben nicht um die Ecke schauen. Deshalb braucht es doppelte Böden. Per Mobilfunk sehen wir quasi in Hubschrauberperspektive auf die Stadt – und damit auch, ob ein vernetztes Auto um die Ecke kommt. 5G sieht sogar das, was für Menschen und Sensoren noch lange unsichtbar ist. Das ist einer der großen Vorteile, die der vernetzte Verkehr bringen wird. Es wird keine Unfälle mit zwei solchen Autos mehr geben. Stichwort Emissionen: Auch die können wir reduzieren. Ein vernetztes Auto fährt deutlich energiesparender. Denn es weiß, wann es die Geschwindigkeit reduzieren muss und wird das vorausschauend tun.
Also wir haben eine direktere Funkverfügbarkeit mit 5G, schnelle Reaktionsmöglichkeiten, auf der anderen Seite ein Sensor-Netz – ist das nicht noch sehr futuristisch?
In unserem 5G Mobility Lab in Aldenhoven testen wir genau das schon heute – gemeinsam mit Partnern aus der Automobilbranche. Wir bauen mit Continental einen digitalen Schutzschild für Fußgänger. In Prototypen funktionieren solche Innovationen bereits. Die Zukunft ist in der Umsetzung. Bis solche Innovationen dann in Serie verfügbar sind, wird es wiederum etwas dauern.
Auch wenn Sie das immer hören: Viele Menschen beschweren sich über Funklöcher und langsames Netz, haben noch einen jahrealten Telefonvertrag mit höchstens 0,1 Gigabit und zahlen dafür eigentlich auch zu viel. Wann werden diese Zukunftsvisionen wirklich bei Menschen mit kleinem Portmonee ankommen?
Beim Thema Funklöcher gebe ich ihnen Recht. Da muss Deutschland besser werden. Deshalb arbeiten wir gerade hart daran, die weißen Flecken im LTE-Netz zu schließen, bauen an Autobahnen und ICE Strecken aus. Im Moment bringen wir alle drei Stunden eine neue LTE-Station ans Netz. Wie sich auch Menschen mit kleinem Portemonnaie die mobile Zukunft leisten können? Wir haben die Vision, die Mobilität zu demokratisieren, sie deutlich günstiger zu machen als heute. Ich werde mir künftig ein Auto über das Handy bestellen, einsteigen wo ich will und mich autonom zum Ziel fahren lassen. Nach meiner Ankunft fährt das Auto ohne mich weiter zum nächsten Kunden – das ist eine Chance, Mobilität viel günstiger anzubieten als es heute möglich ist.
All das wird große Datenmengen verursachen. Womit rechnet Vodafone?
Vor Jahren haben alle gefragt, ob 50 Megabit pro Sekunde nicht genügen – die haben schon damals nicht gereicht. Der Traffic in unseren Netzen wächst um 40 bis 60 Prozent pro Jahr. Die Entwicklung ist unglaublich dynamisch. Ich glaube also nicht, dass wir uns Sorgen um fehlende Anwendungen für 5G machen müssen. Firmen legen ihre Inhalte in die Cloud, das Entertainmentangebot wächst, Netflix ist da nur der Anfang. Ähnliches wird auch im Sportbereich kommen. Es entstehen immer neue Dinge. Facebook hat es vor zehn Jahren nicht gegeben, heute ist der Konzern ein maßgeblicher Treiber für den Datenverkehr. Wir wollen Gigabit-Netze. Dafür brauchen wir Kabel und Glasfaser unter der Erde. Glas heißt: Nichts ist schneller als Licht und der Rest ist Softwaremodulation. Das Kupferkabel hat trotz aller lebensverlängernden Maßnahmen ausgedient. Damit haben wir Zukunft verpasst. Mit Gigabit-Netzen können wir die Zukunft jetzt gestalten – dieses Mal sollten wir die Chance nutzen.