Wer sich in einer fremden Stadt verlaufen hat, zückt einfach sein Handy und lässt sich von Google Maps oder Here leiten. Wer hingegen die Orientierung in einem großen Gebäude verloren hat, der bleibt meist verloren. Universitätsbauten, Justizpaläste und andere öffentliche Häuser lassen ihre Nutzer ratlos und bieten oft genug eine dürftige Beschilderung.
Die Technologie von „NavVis“ macht davon unabhängig. Sie lotst den Nutzer auch innerhalb geschlossener Räume ans Ziel. Das ist weltweit einmalig, nicht einmal Google kann eine so ausgefeilte Technologie bieten wie das junge Unternehmen aus München.
Eines der ersten Gebäude, in denen sich die NavVis-App testen lässt, ist das Stammhaus der TU München. Tausende Erstsemester orientieren sich dort mit Hilfe von 3D-Bildern auf ihrem Handy. Sie geben ihren Hörsaal ein und lassen sich den Weg dorthin zeigen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet dieses verwinkelte Gebäude in der Münchener Innenstadt in der NavVis-App auftaucht: Die Erfinder haben hier studiert und das Unternehmen 2013 als Spin-Off ausgegründet.
Heute verkauft NavVis seine Technologie in die ganze Welt. Die App ist dabei jedoch nur eine kleine Anwendung. Der Großteil der Kunden sind Industrieunternehmen. Mitgründer Felix Reinshagen setzt überwiegend auf diese Gruppe. „Wir vermessen bereits Autofabriken auf der ganzen Welt“, erklärt der 39-Jährige stolz. Solche Anlagen sind die komplexesten Industriebetriebe, die es gibt. Zwar werden sie vor Baubeginn minutiös geplant. „Schon vor Start der Produktion gibt es aber so viele Änderungen, dass die ursprünglichen Pläne wertlos sind“, sagt Reinshagen.
Sechs hochauflösende Kameras fürs 3D-Bild
Wenn niemand mehr weiß, welche Maschine in der Fabrikhalle eigentlich wo steht, kommt der Trolley von NavVis zum Einsatz. Das mobile Gerät verfügt über sechs hochauflösende Kameras, mit denen er seine Umgebung im Rundum-Blick scannt. Dann wird aus dieser gewaltigen Datenmenge ein 3-D-Bild erstellt.
„Dazu benutzt der Kunde zwar unsere Software. Die Daten liegen aber bei ihm“, sagt Reinshagen. Für die Firmen ist das entscheidend. Schließlich zeichnet NavVis jedes Gerät, jede Steckdose, jedes noch so geheime Werkzeug im Raum auf.
„Solche Bilder wollen viele Industrieunternehmen nicht auf dem Server eines Anbieters wie Google wissen“, sagt der NavVis-Gründer. Die Technologie ist revolutionär und einmalig. Und sie ist begehrt. Reinshagen berichtet von vielen Anfragen für Kooperationen und auch von Übernahmeangeboten.
Starke Nachfrage durch Unternehmen
Doch da bleiben die Entwickler locker: „Wir haben einen technischen Vorsprung“, sagt der Gründer selbstbewusst. Den wollen die Jungunternehmer noch eine Weile ausnutzen und Google & Co. weiter enteilen.
Auf lange Sicht will NavVis keine eigene App anbieten. Vielmehr werden Kunden die Navigation künftig in ihre eigene Anwendung einbetten. Inzwischen nutzen Unternehmen aus vielen Branchen die Technik der Münchner. Dabei gilt: Je größer ein Gebäude, desto sinnvoller wird der Einsatz von NavVis. Die Interessenten kommen folgerichtig aus dem Tourismus, sie betreiben Museen, Messen, Flughäfen, den ÖPNV und Ingenieurbüros.
Firmengründer Reinshagen ist überzeugt, dass die Indoor-Navigation tatsächlich jeder benötigt. „90 Prozent unserer Zeit verbringen wir schließlich in Räumen“. Er verweist auf das Navi im Auto: „Da haben viele zunächst gesagt: Brauche ich nicht, ist doch alles ausgeschildert und ich habe den Falk Atlas.“ Heute habe ganz selbstverständlich jeder ein Navi im Auto und auf dem Smartphone.