Kein Lärm, keine Rußpartikel, kein Kohlendioxid: emissionsfreies Fliegen ist technisch machbar, wirtschaftlich aber noch nicht. Während die meisten Luftfahrtpioniere die Batterie als Antriebsform für das elektrische Fliegen favorisieren, setzt Josef Kallo auf einen Hybriden, der Brennstoffzelle und Batterie verbindet. „Das Hybrid-System hat mehr Energieinhalt als ein Batterie-Antrieb, mit dem ein Flugzeug höchsten 20 oder 30 Minuten fliegen kann“, erklärt der Professor und Koordinator Elektrisches Fliegen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Vor drei Jahren ließ Kallo das weltweit erste viersitzige Passagierflugzeug mit Brennstoffzellenantrieb im Projekt H2Fly in die Lüfte steigen. 30 Testflüge bewiesen, dass die Technologie funktioniert. „Es hat sich gezeigt, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, diese Art von Antrieb für die Luftfahrt zu qualifizieren.“
HY4 haben die Forscher den Elektroflieger genannt, der aussieht wie zwei Flugzeuge, die an der Tragfläche zusammengewachsen sind, und auf einem Konzept der slowenischen Firma Pipistrel basiert. Hauptenergiequelle des Hybridsystems ist eine Niedertemperatur-PEM-Brennstoffzelle, die Wasserstoff und Luftsauerstoff in Wasser und elektrische Energie umwandelt. Einziges Nebenprodukt ist Wasserdampf.
Im Reiseflug versorgt die Brennstoffzelle den Elektromotor mit Strom. Lastspitzen beim Start und bei Steigflügen deckt eine Lithium-Hochleistungsbatterie ab. Ein Vorteil der Brennstoffzellen im Vergleich zu Batterien ist, dass sich Leistung und Kapazität entkoppeln lassen und sich damit die Reichweite bei nur einem geringfügig höheren Gewichts erhöhen lässt. Statt den Akku stundenlang zu laden, kann Wasserstoff zudem ähnlich schnell wie Kerosin getankt werden. Für Fluggesellschaften eine interessante Alternative, schließlich soll sich bis 2050 deren Schadstoffausstoß halbieren. Bereits ab dem kommenden Jahr soll der Luftverkehr CO2-neutral wachsen.
Seit den ersten Testflügen haben Kallo und sein Team das Brennstoffzellensystem neu ausgelegt sowie das Batteriesystem mit Kühlung, Steuerung und Regelung verbessert, um mehr Stabilität und Sicherheit zu erreichen. Jetzt geht der optimierte Flieger mit einer Reichweite von bis zu 1300 Kilometer erneut in die Lüfte. Statt nur Etappen von ein oder zwei Stunden sind in diesem Jahr zum ersten Mal Langstreckenflüge geplant. Kallo: „Wir wollen den Brennstoffzellenantrieb sukzessive zu einem Produkt entwickeln.“
In einigen Jahren ist der Akku überflüssig
Bis der Brennstoffzellen-Antrieb marktreif ist, wird es nach Einschätzung des Projektleiters allerdings noch fünf bis sieben Jahre dauern. Vorerst muss die Funktionalität verbessert und das Gewicht des Antriebs halbiert werden. Bisher arbeiten die Techniker daran noch im Labor. Tests werde es voraussichtlich im kommenden Jahr geben, erklärt Kallo.
Auch das Gewicht des Speichers will er in Zukunft durch den Einsatz von flüssigem statt gasförmigem Wasserstoff reduzieren. Und in etwa drei Jahren die Hochleistungs-Batterie komplett einsparen. Der Ingenieur rechnet damit, dass die Niedertemperatur-Brennstoffzelle 2022 über die notwendige Leistungsfähigkeit verfügt, um den Elektro-Flieger alleine in die Lüfte zu heben. Technisch ist dies auf jeden Fall möglich. Kallo: „Die Physik ist nicht gegen uns. Wir müssen nichts neu erfinden, wir müssen es in die Anwendung bringen.“
Ziel des DLR-Wissenschaftlers und seines Teams ist, ab 2020 ein 250 Kilowatt-Antriebssystem entwickelt zu haben, das als Grundlagenmodul für mehrere Anwendungen einsetzbar ist. Es kann einen Flieger mit vier bis sechs Sitzen und auch große Flugzeuge mit bis zu 20 Sitzen, die mit bis zu acht Modulen ausgestattet sind, antreiben „Die heutige Grenze des wirtschaftlich Machbaren ist ein 40- bis 60-Sitzer mit einer Reichweite von 2000 Kilometer“, so Kallo.
Elektrische Lufttaxis als Zubringer für Großflughäfen
Das größte Potential sieht der Wissenschaftler jedoch in Electric Air Taxis, die für 19 Passagiere ausgelegt sind und Regionalflughäfen, die bis zu fünfhundert Kilometer auseinanderliegen, besser vernetzen oder mit größeren Flughäfen verbinden – „sie können einen Anfang für einen schnellen Passagiertransport darstellen und zur Entlastung der Straßen beitragen“. Allein in Frankfurt würden 40 Prozent der Passagiere aus einem Umkreis von unter 700 Kilometer landen. Eine Reichweite, die in Zukunft leicht mit Brennstoffzellenflugzeug bewältig werden kann. Gerade für kürzere Strecken seien elektrische Antriebe besonders gut geeignet, weil sie lärm- und emissionsarm sind und aufgrund ihres hohen Drehmoments auch auf kurzen Bahnen starten und landen können. Kallo: „Ein Flug über den Atlantik ist noch eine Vision. Aber wir lieben Herausforderungen.“