Senkrecht startet der kleine Flieger in die Lüfte und gleitet lautlos dahin. Bis zu 300 km/h hat er drauf und sieht dabei wie ein winziger Ableger des berühmten Raumschiffs Enterprise aus. Im Hintergrund sind aber nicht die unendlichen Weiten des Weltalls, sondern ein einsames Feld in Bayern. Auf einem Flugplatz in der Nähe von München zeigten die Gründer von Lilium Aviation, was ein Elektroantrieb so alles kann.

Unter den Flügeln des weltweit ersten elektrischen Senkrechtstarter-Jets verbergen sich 36 Elektromotoren, die für eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern sorgen. Lautlos über den Wolken ist keine Science-Fiction mehr. In der zweiten Finanzierungsrunde sammelte das Münchener Start-up 90 Millionen Euro ein, um den Elektrojet zu bauen.

Auch die großen Unternehmen fliegen elektrisch

Eine fliegende Revolution, auf die auch große Flugzeugbauer setzen. Airbus, Siemens und Rolls-Royce haben angekündigt, gemeinsam einen Elektro-Hybridantrieb für Flugzeuge zu entwickeln. Der „E-Fan X“ genannte Antrieb soll 2020 in Toulouse erstmals in die Lüfte steigen.

Der zwei Megawatt starke Elektro-Motor von Siemens ersetzt eines von vier Düsen-Triebwerken an einem Passagierflugzeug mit rund 100 Sitzen aus den 80er Jahren. Ein Generator von Rolls-Royce liefert den Strom für den Elektromotor, der in einer Batterie zwischengespeichert wird. Airbus ist für die Integration der Systeme zuständig. Der Flugzeugbauer sieht in hybriden Elektroantrieben eine überzeugende Technologie für die Zukunft der Luftfahrt. Wenn beim ersten Probeflug in Toulouse allesfunktioniert, sollen später weitere Tests mit zwei hybrid-elektrischen und zwei herkömmlichen Antrieben folgen.

„Der E-Fan X ist ein wichtiger Schritt, um elektrisches Fliegen in absehbarer Zukunft zu verwirklichen“, sagte Airbus-Technikchef Paul Eremenko. Er sprach zudem die Erfahrung an, die man mit elektrischen Demonstrationsflugzeugen bereits gesammelt habe. „Für uns ist der hybrid-elektrische Antriebeine notwendige Technologie für die Zukunft der Luftfahrt.“

Elektrische Antriebe sorgen für mehr Effizienz

Bei einem herkömmlichen Flugzeug sind die Düsen-Triebwerke die teuersten Komponenten. Sie sind für das Starten und Landen ausgelegt und erbringen dabei eine unglaubliche Leistung. Einmal in der Luft wird diese Leistung aber nicht mehr benötigt. Ein elektrischer Antrieb ist für die Branche daher ein reizvoller Gedanke. Wird er komplett für den energieintensiven Start- und Landevorgang eingesetzt, können die Triebwerke viel kleiner ausfallen und Kosten und Kerosin gespart werden. „Der dann für den Flug noch benötigte Verbrennungsmotor kann viel kleiner ausgelegt und effizienter betrieben werden“, erklärt Rik De Doncker, Chef der beiden RWTH-Institute ISEA und PGS, den Charme des elektrischen Antriebs.

Elektrische Turbo-Antriebe können zudem bei gleicher Leistung deutlich flexibler als ein normales Triebwerk im Heck oder auch den Flügeln eingebaut werden. Das bietet erhebliche Vorteile. Ein Elektroflugzeug wird dadurch 20 bis 30 Prozent effektiver als ein konventionelles und kann nach Schätzung von De Doncker 30 Prozent des Brennstoffes einsparen. Das Leistungsgewicht (Kilowatt pro Kilogramm) eines hochtourigen E-Motors ist zudem sechs Mal besser als das von Kolbenmaschinen, es wird kein Sauerstoff benötigt, der Motor ist unabhängig vom Druck und sehr leise und der Strom ist im Vergleich zu Kerosin zehn Mal günstiger. In Zukunft soll der Flieger sobald er in der Luft ist auch durch eine Brennstoffzelle angetrieben werden können. „Es wird aber noch 20 Jahre dauern, bis es ein Massenprodukt wird“, schätzt De Doncker.

Regionale Flugzeuge mit Reichweiten von etwa 300 Kilometer, die ausschließlich mit Strom aus einer Batterie fliegen, hält De Doncker durchaus für möglich. Auch für Drohnen sieht er darin einen Markt. Landebahnen müssten nicht mehr so lang sein wie bisher, denn mit Elektromotoren sind Konzepte mit „Vertical Take-off and Landing“ einfacher zu realisieren. Geräusche gibt es deutlich weniger. Auch nachts könnten Flugzeuge also noch abheben. Und natürlich reduziert es die lokale Abgasemission auf null. Für die Luftfahrtindustrie ein entscheidender Punkt – hat sie sich doch eine Reduktion der CO2-Emissionen von Flugzeugen um 75 Prozent und des Geräuschpegels um 65 Prozent bis 2050 zum Ziel gesetzt.

Türöffner für neue Verkehrskonzepte

Nicht nur Lilium, auch das Startup Volocopter entwickelt senkrecht startende Flugzeuge mit Elektroantrieb. Zwei Passagiere haben in dem elektrischen Flugtaxi Platz. Intel, der Berliner Technologieinvestor Lukasz Gadowski und der Stuttgarter Autokonzern Daimler steckten erst im Sommer 25 Millionen Euro in das Luftfahrt-Startup, um diese Zukunftstechnologie zur Marktreife zu bringen.

Dass dies keine Utopie ist, davon ist auch Antriebs- und Leistungselektronik-Experte De Doncker überzeugt. Er rechnet damit, dass in den kommenden fünf Jahren kleinere regionale Verbindungen mit Batterie-Flugzeugen abgedeckt werden. Gerade auf kurzen Strecken hat elektrisches Fliegen nach Ansicht von De Doncker das Potenzial, als Türöffner zu dienen – um neue Verkehrskonzepte aufzubauen und zu erproben und gleichzeitig auf effiziente und emissionslose Technologien zu setzen. „Am Anfang wird dies vermutlich im Gütertransport eingesetzt, um damit Erfahrungen zu sammeln“, so De Doncker. Weniger die Technik, sondern eher die Wirtschaftlichkeit sei die entscheidende Frage, wann es ein Massenmarkt werde.

Die Entwicklung von E-Flugzeugen liegt im Trend

Auch deshalb stürzen sich gerade eine ganze Reihe an Startups und Unternehmen auf die elektrische Luftfahrt. Da ist beispielsweise das Startup Zunum Aero aus Seattle, das von Boeing und JetBlue Airways finanziell unterstützt wird. Im Oktober kündigten sie ein kleines Zubringerflugzeug mit einem Elektro-Hybridmotor für das Jahr 2022 an, das 80 Prozent weniger Schadstoffe und Lärm verursachen soll.

Das israelische Startup Eviation Aircraft will mit einem elektrischen Flugzeug sogar bis zu neun Passagiere fast 1.000 Kilometer weit transportieren. Strom aus Aluminium-Luft-Batterien treiben drei Propeller an, die am Heck sowie an den Flügelspitzen angebracht sind. Bereits im kommenden Jahr soll der erste Prototyp abheben und ab 2020 in die Serienproduktion gehen. Eviation-CEO Omer Bar-Yohay will damit langfristig Flugtaxis für Strecken von einigen hundert Kilometern vermarkten.

Und die englische Billigairline Easyjet will gemeinsam mit dem kalifornischen Unternehmen Wright Electric ebenfalls in den Markt einsteigen. Ein vollelektrisches Passagierflugzeug mit einer Reichweite von 540 Kilometern könnte nach Angaben von Easyjet innerhalb von 20 Jahren für Flüge in Großbritannien und Europa eingesetzt werden.

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