Wenn das die alten Griechen wüssten: Noch heute genießen wir ihren Joghurt. Wir lieben ihn – wegen seines Geschmacks, der Textur und der lebenswichtigen Proteine. Und der griechische Joghurt ist wegen seines höheren Fettanteils dazu auch noch cremiger als Naturjoghurt. Etwa vier Liter Milch sind nötig, um daraus einen Liter Joghurt zu machen. Doch: Bei der Produktion fällt eine Menge Flüssigmolke an. Ließe sich damit nicht noch etwas Sinnvolles anfangen?

Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler seit langer Zeit. In den USA und in der Bundesrepublik wurde munter gegrübelt. In einer Studie haben Forscher nun eine Lösung vorgestellt: Die Säuren und der Zucker der Molke lassen sich umwandeln und werden zu einem neuen Biokraftstoff. „Wir wollen aus der Molke wertvolle Chemikalien herstellen“, sagt Largus Angenent, Umweltingenieur und Mikrobiologe am Max-Planck-Institut der Universität Tübingen. Sein Ansatz: Jene Brühe, die bei der Joghurtproduktion anfällt und die hauptsächlich aus Milchzucker (Laktose), Fruktose und dem Gärprodukt Milchsäure besteht, mit Bakterien verrühren und die Mischung in einem weiteren Schritt in eine Paste verwandeln.

Antibiotika oder Treibstoff

In dieser Paste stecken dann die zwei feinen Verbindungen „Caproinsäure“ und „Caprylsäure“. Beide Verbindungen sind Ökoantibiotika, die sich später an Kühe verfüttern lassen. Denn künstliche Bakterienhemmer und Medikamente sind in der Viehzucht nicht mehr en vogue. Doch Largus Angenent hat noch eine Idee. Der langkettige Kohlenstoff lässt sich zu noch längeren Molekülketten verweben und wird so für Airlines interessant, denn die könnten das Filtrat eines Tages als Flugzeugtreibstoff nutzen. Jede der Optionen hat ihren Reiz. „Die Umwandlung von Sauermolke in einen Rohstoff, der den Tieren hilft, ist ein wichtiges Beispiel für geschlossene Kreisläufe, die wir in einer nachhaltigen Gesellschaft brauchen“, sagt Angenent.

Doch nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: „Zunächst lief es bei uns nicht gut“, erinnert sich der Forscher. Grund dafür: „Die offene Kultur, also das Mikrobiom, das die Umwandlung von Sauermolke in ‚Capro-‚ und ‚Caprylsäure‘ durchführt, war schwer kontrollierbar. Es entstanden unerwünschte Nebenprodukte“, sagt Angenent. „Doch nachdem wir den Aufbau von einem Ein-Bioreaktor-System auf ein Zwei-Bioreaktor-System umgestellt hatten, produzierte das System hauptsächlich die von uns gewünschten Säuren. Der Schlüssel war die Herstellung von Milchsäure aus der Laktose in der Sauermolke.“

Neue Anlage direkt neben der Milchfabrik

Die Wissenschaftler nutzten also einen Trick, um der Substanzen Herr zu werden. Zwei Reaktoren wurden miteinander verbunden. In den ersten steckten sie bei 50 Grad Celsius die Wärme liebenden Mikroben. Und im Zweiten tummelten sich die Bakterien, denen es bei 30 Grad besser gefällt. Das Resultat: Mehrere Monate lang ließen sich „Caproinsäure“ und „Caprylsäure“ gewinnen.

Bisher kostete die Forschung „zwischen einer und zwei Millionen Euro“, wie Angenent sagt. Jene Summe stammt aus staatlichen Zuschüssen und privaten Investitionen. Nun möchten die Tübinger ihre Pilotanlage vergrößern – und spekulieren darauf, die neue Technologie auch auf andere Abfallströme zu übertragen. Angenent sagt dazu: „Wir haben dafür die Firma ‚Capro-X‘ gegründet, die das Geld aufbringt, und sind daran interessiert, neue Investoren kennenzulernen.“ Wohl in ein bis zwei Jahren gehe die größere Anlage an den Start, heißt es. Und die wird dann direkt neben einer Milchfabrik stehen. Denn bislang karrt man die Sauermolke zur Entsorgung noch an weit entfernte Orte. Das kostet Zeit, Geld, belastet die Straßen – und ist nicht gerade umweltfreundlich.

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