Wenn den Dokumentarfilmer Filip Malinowski eines umtreibt, dann sind es soziale Dramen. Und das größte, unausweichlichste Drama unserer Zeit ist mit Sicherheit der Klimawandel. Nicht für uns Europäer. Weder in Deutschland, noch in Polen, Malinowskis Geburtsland, und schon gar nicht in seiner Heimatstadt Wien.

Die Opfer, die der Klimawandel bislang fordert, erleben Menschen in Fernost, auf kleinen Pazifikinseln oder in Afrika. Zunehmende Unwetter, Hitzewellen, Dürren? Wir haben 32 Grad und Sonne im Mai. Bei uns findet höchstens mal eine Konferenz statt, auf der Anzugträger über das Klima sprechen. Klingt wenig aufregend. Deshalb haben wir Filip Malinowski gefragt, warum er für „Guardians of the Earth“ ausgerechnet dort filmen wollte.

Malinowski: Die Verhandlungen von Paris waren ein monumentales Ereignis. 20 Jahre Vorbereitung waren die Folge zahlreicher gescheiterter Abkommen in Kyoto oder Kopenhagen. Diese COP 21 (COP steht für „Conferenz of the Parties“ und bezeichnet eine UN-Vertragsstaatenkonferenz) in Paris war die Schlüsselkonferenz.

Edison: Warum bringen Sie den Film denn erst jetzt in die Kinos? Die Konferenz fand vor über zwei Jahren statt.

Malinowski: Ganz ehrlich – wir hatten Zeit. Paris wird immer mehr Gewicht bekommen. Der Film wird immer relevanter. Auf dieser Konferenz hat die Menschheit es erstmals geschafft, ein diplomatisches Abkommen zwischen allen 194 Ländern zu schließen. Gezeigt, dass man eine weltumspannende Freundschaft knüpfen kann.

Edison: Sie schätzen die Bedeutung als so groß ein?

Malinowksi: Ja. Es geht um die Rettung unseres Ökosystems, unserer Tierwelt und auch vieler Menschen. Inhaltlich. Formal geht es um nicht weniger als die Solidarität zwischen allen Ländern der Welt. Von dem Abkommen werden sich künftig viele Gesetze ableiten, die Ernährung, E-Mobilität oder auch Sanierungen betreffen.

Edison: Ein Abkommen, das viele bejubelt, aber manche als wachsweich kritisiert haben.

Malinowski: Das ist der Kompromiss: Wenn Sie eine Suppe für 200 Gäste kochen, unter denen Allergiker sind, einzelne Geschmäcker und Vorlieben beachtet werden müssen – das wird eine sehr dünne Suppe. Die Politik-Skepsis ist natürlich auch groß, und die Diplomatie ist nicht geeignet, das zu ändern. Wir sehen ja im Film auch Menschen, die zwei Nächte nicht schlafen, weil sie etwas erreichen wollen. Die wollte ich würdigen, weil sie sich dem Jahr für Jahr aussetzen – und auch etwas schaffen.

Malinowski durfte Schlüsselpersonen begleiten. Gastgeberin Christiana Figueres etwa, die damalige Generalsekretärin der UN-Klimarahmenkonvention. Sie kommt aus Costa Rica, einem Land, in dem Naturschutz eine ganz andere Rolle einnimmt als etwa in Australien. So fröhlich sie sich gibt – im Laufe der Konferenz, müde und abgekämpft, zeigt auch sie Nerven.

Australiens Umweltbotschafter Peter Woolcott hingegen ist durchaus jemand, der die Probleme des Klimawandels sieht – aber auch die Interessen seiner Heimat verteidigen will. Australien sitzt auf sehr günstiger Kohle. Zwar bricht allenthalben das Stromnetz zusammen, sodass sich der Staat nun genötigt sah, Teile der Strominfrastruktur von Tesla zu kaufen. Aber die Interessen sind immens. Und dann ist da noch Donald Trump, der aus dem Abkommen aussteigt.

Edison: Sie lassen Donald Trump das letzte Wort in ihrer Dokumentation. Welche Rolle spielt der US-Präsident für Sie?

Malinowski: Wie gesagt, 194 Länder schließen ein Abkommen, dann kommt ein Mann und sagt: Fuck You. Das ist ein schockierend großer Mittelfinger, den er den anderen 193 Ländern zeigt. Aber das war ja auch, was mich interessierte: die Ablehnung, die Spannung zwischen den Ländern. Wir leben ein Leben im Wettbewerb. Aber vielleicht ist auch manchmal der Kooperativste am Ende der Stärkste? Der Klimawandel bringt uns in eine Zwangslage, in der wir kooperieren müssen. Vielleicht sogar, um zu überleben.

Edison: Also steht Trump für eine gespaltene Gesellschaft?

Malinowski: Egal ob man links ist und sich für seine Gesellschaft aufopfern möchte; oder ob man sich als bürgerlich sieht und den eigenen Wohlstand im Blick hat – den Klimawandel treffen beide Seiten. Wohlhabende können sich vielleicht leichter retten, aber betroffen sind alle. Leute wie Trump sind ein Symbol für Menschen, die an sich selbst denken. Die gibt es auch im Alltag unter uns und in den europäischen Regierungen.

Edison: Was treibt diese Menschen an?

Malinowski: Es ist Gier; und es ist Lobbyismus. Da muss es nicht um Geld gehen, das können Freundschaften und Verpflichtungen von Politikern sein. Manche sind Dinosaurier, die können sich kein alternatives Stromsystem vorstellen. Manche haben schlichtweg Angst vor Veränderung, vor Neuem oder auch davor, dass unsere Industrie bei der E-Mobilität nicht mithalten kann. Und das trifft auch auf den Klimawandel und die Energieproduktion zu. Kohlekonzerne werden immer noch gefördert, innovative Alternativen eher nicht. Und wenn China künftig die federführenden Technologien an den Start bringt, kann das Angst machen.

Niemand stellt sich einfach so gegen die Rettung der Welt, egal aus welchem politischen Lager man kommt. So wie Trump spricht, spricht man nur, wenn man ohne das Geld der Koch-Brothers nicht in sein Amt gekommen wäre.

Der wichtigste Protagonist in „Guardians of the Earth“ ist aber kein hochrangiger Politiker. Es ist Naderev „Yeb“ Sano, der bei der Klimakonferenz 2013 in Warschau als Vertreter der Philippinen anwesend war. Dort wütete der Taifun Haiyan, mit schlimmen Folgen. Sanos Heimatstadt war betroffen, aus Solidarität trat er deshalb in den Hungerstreik und hielt eine viel beachtete emotionale Rede.

Die Fassade der sachlichen Diplomatie halten alle Protagonisten in Malinowskis Film aufrecht. Trotzdem gelingen ihm immer wieder Einblicke in die Motivation der Teilnehmer – zumindest derer, die für strengere Klimaziele eintreten. Klar, wer erklärt schon gerne einem linken Dokumentarfilmer, dass die Interessen der heimischen Ölindustrie schwerer wiegen als der Lebensraum der anderen 193 Länder?

Edison: Was werden Menschen sagen, die Ihren Film 2050 anschauen werden?

Malinowski: Ich befürchte, die Leute werden wütend und enttäuscht sein. Angela Merkel war die Vorsitzende der ersten COP, als Umweltministerin 1995 in Berlin. Sie kennt die Fakten, ist ja Naturwissenschaftlerin. Aber auch sie will nicht aus der Kohle raus. Das ist paradox. Wir werden uns zwei, drei Jahrhunderte damit befassen, die Folgen des Klimawandels zu verarbeiten. Wenn Kipppunkte erreicht werden, könnte der Regenwald für immer verschwinden, die Polkappen oder der Permafrost auftauen. Das wissen auch alle Regierungen, sie brauchen nur den IPCC-Report zu lesen.

Edison: Wir als Individuen sind da doch machtlos – wenn schon Top-Diplomaten das Klima nicht retten können?

Malinowski: Der Einzelne weiß schon eine ganze Menge: Dass Kinder in Bangladesch ihre Hände verlieren, wenn sie im Sweatshop arbeiten. Dass wir mit Fleisch und Fliegern das Klima angreifen. Aber das verdrängen wir. Dieser Verdrängungsmechanismus ist stark, zumindest so lange, bis man die Folgen selbst spürt. Wenn etwa die Gelbfiebermücke sich auch hier wohlfühlt, weil es in Europa immer wärmer wird. Hier trocknen keine Quellen aus und es verhungert kein Vieh – aber dort, wo es verhungert, ziehen die Menschen weiter und kommen als Flüchtlinge hier an.

Edison: Aber ob ich fliege oder nicht, das hat keinen Einfluss auf das Vieh in Syrien.

Malinowski: Aber es macht Sie zum Vorbild, wenn Sie nicht fliegen. Wir Menschen schauen uns sehr genau an, wie sich die anderen verhalten. Passen unser Verhalten entsprechend an. Wenn einer Bio-Strom bezieht, redet der mit Leuten drüber, erklärt vielleicht, wie einfach der Wechsel war – und generiert Anpassungsdruck. Beim Rauchen ist es ja auch so. Vor ein paar Jahren war das etwas Öffentliches, das verändert sich aber stark. Das kann genau so für hohen Fleischkonsum, dicke Karren oder unnötige Flüge kommen. Das geht ganz ohne Zwang, ohne dass Politiker Menschen ihre Autos wegnehmen müssen. Aber wenn du damit den Planeten vergiftest, finde doch dafür mal ne Lösung.

Edison: Und wer das schafft, ist ein „Guardian of the Earth“?

Malinowski: Wenn wir ein weltweites Abkommen hinbekommen, dann können wir das in Zukunft wiederholen. Wir können als Menschheit eben doch etwas bewegen. Hin zu Nationalstaaten mit bewaffneten Grenzen – oder eben zu einer großen Weltgemeinschaft. Ich hoffe, dass die Guten gewinnen, wie in den Science-Fiction-Superhelden-Filmen – und deshalb der Name meines Films.

Guardians of the Earth ist seit dem 31. Mai im Kino. Hier können Sie sich den Trailer anschauen:

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