Nelson Piquet Junior ist der erste Weltmeister der Formel E. Der in Deutschland geborene Rennfahrer fährt aktuell im Jaguar Racing Team. Im Interview erklärt er, warum er die Nascar-Rennserie liebt und den Fanboost für sich abgehakt hat, über die Bürde eines großen Namens und warum er nicht glaubt, dass der Formel E-Lauf in Deutschland für immer in Berlin bleiben wird.

Sie sind von Anfang an bei der Formel E dabei, haben alle vier Saisons erlebt. In welchem Stadium befindet sich die Rennserie: Kleinkind, Teenager oder Erwachsener?

Wir kennen das Ende nicht. Wird die Rennserie die nächsten 50 oder 100 Jahre überstehen? Vielleicht erlebt sie auch nur noch die nächsten zehn Jahre, weil dann Wasserstoff oder eine andere Antriebstechnologie dominiert. Aber aktuell macht sich die Formel E sehr gut. Sie wird jedes Jahr etwas größer und populärer. In keiner anderen Rennserie haben wir so viele Autohersteller, die ihre Teilnahme angekündigt haben.

Was sind die größten Entwicklungsschritte seit dem Beginn 2014?

Es geht in allen Bereichen des Fahrzeugs um mehr Effizienz. Dabei rückt das Feld der zehn Teams immer enger zusammen. Es gibt einige Autos, die schneller sind, aber bei der Zuverlässigkeit schwächeln. Einige Teams sind besonders gut im Qualifying, andere glänzen im Rennen. Dennoch sind wir alle sehr nah beieinander. Es ist nicht wie in der zweiten Saison, als die Regeln gelockert wurden und auf einmal Renault meilenweit vorausfuhr. Ich habe den Eindruck, das Level der Fahrer und Ingenieure wird ständig besser.

Warum macht die Formel E den Zuschauern mehr Spaß als andere Rennserien?

Ich weiß nicht, ob sie mehr Spaß macht, aber sie ist nicht so vorhersehbar wie beispielsweise die Formel 1. Dort dominieren zwei, drei Teams eine komplette Saison.

Die Fans können darüber abstimmen, welcher Fahrer 100 Kilojoule Extra-Energie als sogenannten Fanboost erhält. Das trägt doch zum Unterhaltungswert bei.

Der Fanboost ist für mich reine Zeitverschwendung. Am Anfang war es eine lustige Idee, aber inzwischen ignoriere ich es. Denn es ist schon komisch, dass immer nur zwei, drei Fahrer bei den Abstimmungen vorn liegen. Die meisten Fahrer bitten ihre Fans schon gar nicht mehr darum, für sie zu stimmen, weil es ihnen egal ist. Man kann in verschiedenen Social-Media-Kanälen abstimmen, was aber auch Raum für gekaufte Stimmen lässt.

Sie sind von Karts über Nascar bis zur Formel 1 alle Rennserien gefahren. Was gefällt ihnen aktuell am meisten?

Wie immer gibt es zwei Seiten. Bei Nascar-Rennen verändert sich der Rennverlauf durch die Enge der Rennstrecke und die vielen Pitstops laufend. Mal ist man letzter und dann wieder ganz vorn dabei. Dafür liegen die Nascar-Rennstrecken oft in nicht so reizvollen Gegenden. In der Formel E fahren wir in Innenstädten oder mit Blick auf eine Skyline. Ich liebe diese Rennkurse, die über öffentliche Straßen verlaufen, für mich gibt es nichts Besseres.

In Rennautos mit Verbrennungsmotor spüren Fahrer durch Geräusche und Vibrationen, wenn etwas nicht stimmt. Ist das in einem elektrischen Rennauto auch möglich?

Kommt ganz auf das Problem an. In Punta del Este spürte ich sofort, was los war, obwohl der Schaden hinter meinem Rücken auftrat. Ich musste das Rennen mit einer gebrochenen Antriebswelle abbrechen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Formel E?

Mehr Rennen. Die zwölf Läufe an zehn Orten der Saison sind doch gar nichts. In der Nascar-Serie bin ich in einer Saison 33 Rennen gefahren. Neben der Formel E fahre ich noch Stockcar-Rennen und die Langstrecken-Meisterschaft in Brasilien. Ich liebe es einfach, im Rennwagen zu sitzen.

Wird das Formel E-Rennen in Deutschland in Berlin verbleiben oder eher umziehen?

Das Tempelhofer Feld in Berlin ist ein traditionsreicher Ort. Das Rennen zieht ein junges Publikum an, aber Berlin ist nun mal nicht die reichste Stadt Deutschlands. Ich bin nicht der Veranstalter, aber ich vermute, wenn mehr Autohersteller in der Formel E aktiv sind, wird die Rennserie auch näher an deren Standorte heranrücken. Das ist nun mal eher in Süddeutschland.

Fahren Sie privat auch ein Elektroauto?

Ich hätte gerne eins, aber ich lebe in Monaco. Da gibt es in den Tiefgaragen nur selten Ladeanschlüsse.

Sie tragen einen berühmten Namen in der Rennszene. War der eher hilfreich oder eine Belastung für Ihre Karriere?

Ich denke, er war eine Hilfe. Er hat mir viele Türen geöffnet. Natürlich ist auch ein gewisser Erwartungsdruck da. Aber wenn ich den erfülle, dann hilft der Name schon.

Sie sind in Deutschland geboren, wie ist Ihr Verhältnis zum Land?

Ich habe hier immer gute Erfahrungen gemacht. Meine ersten Podiumsplätze in der Formel 1 und 2 habe ich hier erzielt. Beruflich hat mir Deutschland bislang immer Glück gebracht.

Vita

Für Nelson Piquet Jr. ist es die erste Saison neben Mitch Evans und Testfahrer Ho-Pin Tung im Jaguar Racing Team. Dabei ist er von Anfang an bei der Formel E dabei. In der ersten Saison 2014/2015 wurde er im Team China Racing Weltmeister. Piquet trägt einen berühmten Namen im Rennzirkus. Sein brasilianischer Vater ist dreimaliger Formel 1-Weltmeister. Geboren wurde der 32-jährige in Heidelberg, da seine Eltern damals für den Großen Preis von Deutschland im Land waren. Piquet Jr. erzielte erste Erfolge in der südamerikanischen Kart-Szene. Danach sammelte er Rennerfahrung in der Formel 3 und 2 (damals GP 2), sowie der amerikanischen Nascar-Serie. Zusammen mit Fernando Alonso fuhr er im Renault-Team in der Formel 1. Nelson Piquet Jr. lebt in Monaco.

Die Formel E

Die ABB Formula E-Weltmeisterschaft wird in zwölf Rennläufen auf zehn Strecken ausgetragen. Die Saison dauert von Dezember bis Juli. Gefahren wird auf Innenstadtkursen, also auf normalerweise öffentlichen Straßen. Die Rennen gehen nicht nach Distanz, sondern nach Zeit (ca. 50 Minuten). In der aktuellen Saison hält die Batterie (28 kWh) nur für die halbe Rennzeit. Somit wechseln die 20 Fahrer in der Halbzeit in ein zweites Fahrzeug. Ab der kommenden Saison liefert McLaren Applied Technologies eine 54 kWh-Batterie bei gleichem Gewicht. Damit entfällt der Fahrzeugwechsel. Alle zehn Teams nutzen dieselbe Batterie und dasselbe Chassis – das reduziert Kosten. Für eine Differenzierung dürfen die Ingenieure am Strom-Wechselrichter, der Hinterradaufhängung, der Motor-Getriebe-Einheit sowie der Software Veränderungen vornehmen.

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