Einmal im Jahr verkleiden sich die gut 5000 Einwohner des walisischen Dorfs Llandrindod Wells beim Victorian Festival in altertümlicher Mode und erinnern sich an vergangene Zeiten. Jeden August handwerken sie eine Woche lang nach traditioneller Art, stellen altertümliche Gegenstände aus und stellen das viktorianische Leben in schauspielerischen Inszenierungen nach. Kurz: ein Fest der Nostalgie und der Wertschätzung des Vergangenen.
Mindestens eine Person in Llandrindod Wells allerdings blickt lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit. Hugo Spowers hält wenig davon, an alten Mustern festzuhalten – besonders in seinem Spezialgebiet, der Mobilität. Deshalb hat er bereits 2001 ein Start-up gegründet, das heute den Namen Riversimple trägt. „Wir stehen heute an einem Scheideweg“, sagt Spowers. „Es ist Zeit, uns zu verändern und an die neuen Verhältnisse anzupassen.“ In der Mobilität gehe das nur, indem man komplett neu denke. „Alte Modelle können nicht an unser Ziel einer Mobilität ohne Kosten für die Umwelt angepasst werden.“ Deshalb habe Riversimple wieder bei null angefangen.
Das Ergebnis dieses Denkprozesses ist ein superleichtes, aerodynamisches Wasserstoffauto mit dem Namen Rasa. Der Name des Zweisitzers leitet sich passend zum Konzept vom lateinischen „tabula rasa“ – sinngemäß „unbeschriebenes Blatt“ – ab. „Wir sind zuversichtlich, dass Rasa einen bedeutsamen Wandel in der Mobilität vorantreibt und langfristig den Personenverkehr global nachhaltiger macht“, sagt Spowers.
480 Kilometer Reichweite
Das Herz des Rasa ist die kleine Brennstoffzelle mit 8,5 kW Leistung, die vier jeweils an den Rädern angebrachte Motoren mit Strom versorgt. Die vergleichsweise geringe Leistung reiche wegen der leichten Bauweise – der Rasa wiegt nur rund 580 Kilogramm. Außerdem kommt ein nicht unwesentlicher Teil des Stroms gar nicht aus der Zelle: 50 Prozent der beim Bremsen entstehenden Energie landet durch Rekuperation in Supercaps, wo sie kurz zwischengespeichert wird und dann wieder für Antrieb sorgt. Statt von einem Wasserstoff-Auto spricht Sprowers deshalb auch lieber von einem „Netzwerk E-Auto“. In den Tank des Rasa passen 1,5 Liter Wasserstoff.
Insgesamt kommt der Rasa so auf eine Höchstgeschwindigkeit von 96 Kilometern pro Stunde und eine Reichweite von rund 480 Kilometer. Die Technik, die sich in dem Riversimple-Auto versteckt, will Hugo Spowers später als Open Source frei zugänglich machen, sodass sich auch andere Hersteller daran ein Vorbild nehmen können. Der Markt, glaubt Spowers, sei groß genug dafür.
Leichtbau senkt den Verbrauch
Was beim Blick auf den Rasa als Erstes auffällt, ist sein windschnittiges und sportliches Design. Auf die Aerodynamik legte das Designteam von Riversimple besonderen Wert, um den Verbrauch zu senken. So sind beispielsweise die Hinterräder bedeckt, um für weniger Reibung mit der Luft zu sorgen. Auch das Chassis aus einem extrem leichten Kohlenstofffaser-Verbundmaterial sorgt dafür, dass der Wagen weniger Energie benötigt: Das Gestell wiegt 40 Kilogramm. Damit es nicht nur sportlich und effizient, sondern auch elegant zugeht, haben die Designer dem Rasa noch Flügeltüren verpasst. Die sind zwar nicht immer praktisch, sehen aber dafür schick aus.
Das Geld für die Entwicklung hat Hugo Spowers auf unorthodoxe Weise aufgetrieben. Statt sich auf große Investoren zu verlassen, hat er Kapital unter anderem per Crowdfunding eingesammelt: Im Frühjahr 2017 erhielt das Start-up so 1,15 Millionen Euro von Unterstützern. Dazu kommen rund 1,85 Millionen Euro durch EU-Förderung (die von möglichen Brexit-Auswirkungen nicht abhängig seien, wie Riversimple immer wieder betont) und 2,3 Millionen Euro, die Riversimple 2015 von der walisischen Regierung erhielt. Demnächst soll eine weitere Crowdfunding-Runde starten.
Leasing statt Verkauf
Das Geld will Riversimple für einen ausgiebigen Test auf öffentlichen Straßen nutzen. Dabei sollen zehn bis zwanzig Rasa durch Monmouth in Wales fahren. Verläuft der Test erfolgreich, hofft Spowers 2020 oder 2021 mit der Produktion für den Markt zu beginnen. Diese soll allerdings nicht in großen Werken stattfinden „Wir werden niemals gigantische Fabriken bauen“, sagt Spowers. Stattdessen will er die Autos in kleineren, in Großbritannien verteilten Standorten bauen lassen und so Industriestandorte im ganzen Land fördern. Auch hat der Unternehmer schon weitere Modelle in Planung, darunter einen Viertürer und einen Van.
Laufen die Riversimple-Autos erst einmal vom Band, will das Unternehmen sie allerdings nicht verkaufen, sondern verleasen. Für vermutlich rund 800 Euro im Monat kann man dann sich das Fahrzeug dann monatsweise mieten – inklusive Versicherung und Wasserstoffbetankung. „So können Kunden ein technologisch hochwertiges Null-Emissions-Fahrzeug fahren, ohne sich um die nervigen Nachteile, die der Besitz eines Autos mit sich bringt, kümmern zu müssen“, meint Spowers. Vielleicht überzeugt er damit ja auch seine viktorianisch-gestimmten Nachbarn in Dorfs Llandrindod Wells.
Sehr geehrte Damen und Herren,
eine Frage eines interessierten Laien zum o. a. Thema:
Ist die Brennstoffzelle mit 8,5 kW Leistung eine Eigenentwicklung (per Patent geschützt?) oder aber als Nachbau mit „handelsüblichen Teilen“ von „jederman“ zu erstellen bzw. als fertig aufgebaute Brennstoffzelle zu beziehen? Könnte man diese Brennstoffzelle nicht auch mobil (Gewicht?) in einem Plug-in-Hybrid E-Auto einsetzen um die Reichweite des Fahrzeugs (wegen der begrenzten Batteriekapazität) auf diese Weise beliebig zu verlängern?
Ihrer geschätzten Antwort sehe ich mit Interesse entgegen.
Freudliche Grüße
Hans Ziegler