Was vereint London und Paris, Hamburg und Köln mit anderen Millionenstädten? Sie haben heftige Verkehrsprobleme – aber liegen an schiffbaren Flüssen. Da sollte sich doch ein Teil des Personenverkehrs auf flotte und energieautarke Wassertaxen umswitchen lassen, glauben die Erfinder der französischen „Seabubbles“.
Wer in den letzten Jahren Hightech-Segler bei großen Regatten bestaunte, wie sie scheinbar mit dem Rumpf übers Wasser flogen, mag sich gewundert haben: Wie funktioniert das? Ihr Geheimnis liegt in der Unterwasser-Konstruktion: Feste oder verstellbare Flügel an Schwertkiel und Ruder sorgen dafür, dass sich das Boot ab einem gewissen Tempo aus dem Wasser hebt. Der verringerte Wasserwiderstand bewirkt, dass die Geschwindigkeit dann sogar noch mächtig steigt.
So sieht im Grunde auch das Antriebskonzept der Seabubbles aus, mit dem zwei weltbekannte Wassersportler dem Personentransport in flussläufigen Metropolen eine besondere Ergänzung bescheren wollen: Alain Thébault hält als Segler mit einer selbstkonstruierten Flügeljacht zwei Geschwindigkeits-Weltrekorde (Spitze 95,22 km/h). Und der Schwede Anders Bringdal hat als Speed-Surfer mehrmals den Weltmeistertitel gewonnen.
Beide trafen sich per Zufall in Frankreich und entwickeln seit 2016 ein dreiteiliges Konzept, Metropolenverkehre auf den Wasseradern von Staus und Emissionen zu entlasten. Ihr Credo: „Wir machen Wasserläufe für jedermann überall auf der Welt zugänglich, indem wir ein neues Verkehrsmittel schaffen, mit der Geschwindigkeit eines Autos, für den Preis einer Taxifahrt, ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Infrastruktur der Stadt.“
Ruhige Fahrt dank digitaler Steuerung
Das Boot: Der aktuelle Typ bietet neben dem Piloten vier Fahrgästen Platz mit Pkw-Komfort, wird durch Elektromotoren angetrieben und gerät ab 10 km/h „ins Fliegen“. Überwasser-Sensoren, sagen Thébault und Bringdal, gleichen computergesteuert Wasserwellen aus und sorgen für allzeit ruhige Fahrt ohne Magenverstimmung. Gegenwärtig reichen die Batterien für zwei Stunden Fahrbetrieb, vier Stunden sind angepeilt.
Die „Docks“: Halte- und Ladepunkt sind feste Anlegestellen, in denen die „Seabubbles“ gleich wieder eingestöpselt und mit Energie versorgt werden. Sie bieten wie am Taxistand Verbindungen in mehrere Richtungen. Aufgeladen werden die Akkus der Wassertaxen via Solarstrom oder Unterwasser-Turbinen, die die Flussströmung nutzen. Also emissionsfrei.
Die Start-upper legen noch eins drauf: „In dem Zuge können wir auch gleich Plastikmüll aus dem Fluss fischen …“
Wassertaxen laufen Sturm
Die Buchung: Dafür entwickeln die Betreiber gerade eine App. Über Geo-Ortung soll der Kunde erfahren, wo und in welcher Distanz seine schnellste Verbindung klappt. Bezahlt wird dann vermutlich auch auf diesem Weg.
Ist das Zukunftsfantasie? No – denn die „Seabubbles“ sind schon real, fahrtüchtig und absolvierten diverse Einsätze auf der Seine in Paris (2017) und aktuell im April auf dem Genfer See:
Alain Thébault und Anders Bringdal haben verstanden, dass sich ihr „fliegendes Wassertaxi“ überall dort einsetzen lässt, wo nur mit kleinem Wellengang zu rechnen ist. Auf Nord- und Ostsee wäre es wohl so schwer vorstellbar wie als Shuttle von Calais nach Dover.
Ganz ohne Widerstand ging es bisher freilich nicht: Die Betreiber konventioneller Wassertaxen auf der Seine protestierten ob der neuen, wellenfreien Konkurrenz. „Gegenwärtig sind wir mit einer Sondergenehmigung unterwegs“, erzählt Marc Müller, der als Geschäftsfeld-Entwickler zum „Seabubbles“-Team zählt. „Wichtig wird vor allem der Vivatec-Salon in Paris. Das ist die größte französische Innovationsmesse – und da wollen wir mit schon vier Prototypen präsent sein.“ Dieser läuft noch bis zu diesem Wochenende.
Serie startet kommendes Jahr
Die Auslieferung der ersten Serienmodelle ist für Anfang 2019 geplant. Und für den Anfang hofft man – so Müller – in Paris auf zehn unterschiedlich große Docks als Haltestellen und Ladestationen.
Der lokale Gegenwind der angestammten Personenschiffer erinnert ein wenig an den Aufstand der Helgoland-Fährbetreiber und der verbundenen Bördeboot-Übersetzer im Hafen, als jemand auf die Idee kam, die Insel mit einer schnellen Katamaran-Fähre direkt anzulaufen. Nach jahrelangem Disput konnte der „Kat“ schließlich doch in See stechen, hat mittlerweile mehr als eine Million Passagiere befördert. Und wird gerade durch einen noch leistungsfähigeren Neubau abgelöst.
Bringdal und Thébault haben jedenfalls ihren Fünfjahresplan schon skizziert: „Wir werden in 50 Städten arbeiten, uns perfekt in die städtischen Verkehrssysteme integrieren und natürlich mit dem täglichen Leben der Stadtbewohner verbunden sein.“