Es ist ein immer wieder gehörter Einwand gegen die Elektromobilität: Wenn die Deutschen massenhaft E-Autos fahren und alle gleichzeitig laden, kommt der große Blackout. Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Aber der Aufwand, solch ein Horrorszenario zu verhindern, ist „überraschend niedrig“, erklärte Thomas König, Vorstand beim Essener Energiekonzern E.on, als er Anfang vergangener Woche die Ergebnisse eines Stresstests der konzerneigenen Infrastruktur vorstellte.

Und selbst in der gerne mal als marode geltenden Hauptstadt gibt sich Thomas Schäfer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stromnetz Berlin GmbH, gelassen: „Wir können aktuell bereits rund 250.000 Elektrofahrzeuge integrieren, ohne dass es zu einer Instabilität des Netzes käme“, sagte er auf einer Pressekonferenz des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) diese Woche. Zum Vergleich: Anfang 2019 gab es bundesweit nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes etwas mehr als 83.000 reine E-Autos und knapp 67.000 Plug-in-Hybride.

Wer nachts lädt spart Geld – und schont die Netze

Und selbst wenn im Jahr 2030 zehn Millionen Stromer unterwegs seien, würde der Bruttostromverbrauch in Deutschland um gerade vier bis fünf Prozent zulegen, rechnet BDEW-Chef Stefan Kapferer vor. Dies sei machbar, weil das Stromsystem immer effizienter werde. Die vorhandenen Netze könnten diese zusätzliche Strommenge technisch verkraften, heißt es auch von Innogy.

Also können sich alle entspannt zurücklehnen? Nicht ganz. Denn die Energieversorger fürchten mögliche Lastspitzen, sollten die Menschen für ihre E-Autos alle zur gleichen Zeit Strom zapfen wollen. Viele Autobesitzer dürften nach der Arbeit, gegen 16.00 bis 18.00 Uhr, ihr Auto an die Steckdose schließen und die Nacht über voll aufladen wollen, erwartet ein Innogy-Sprecher.

Damit dies nicht die Netze überfordere, setzt E.on-Vorstand König auf netzdienliches Laden: Er versteht darunter zum Beispiel, die Nachfrage von Privatkunden automatisch in den Abend und die Nacht zu verschieben, ohne dass der Verbraucher es merke. Schließlich ist ja nur wichtig, dass der Akku am nächsten Morgen vor der Fahrt zur Arbeit wieder voll ist. Wer das nicht wolle, könne sich gegen eine Zusatzgebühr ausschließen lassen.

Der Gesetzgeber sollte intelligente Wallboxen fördern

Wenn sich die Konsumenten auf diese Form des Lastmanagements einlassen würden und das Netz entsprechend digital aufgerüstet würde, müsste E.on in seinem Netzgebiet insgesamt rund 1,25 Milliarden Euro investieren – verteilt über einen Zeitraum von immerhin 25 Jahren. Ohne das netzdienliche Laden wären es 2,5 Milliarden Euro. Das sind überschaubare Beträge, weil E.on heute bereits circa eine Milliarde Euro in die Netze investiert – pro Jahr. Das Szenario des Energiekonzerns unterstellt, dass in den kommenden 25 Jahren sämtliche Pkw im Eon-Netzgebiet – rund 6,5 Millionen Wagen – einen Elektroantrieb hätten und entsprechend Strom bräuchten.

Damit das netzdienliche Laden Zuhause auch funktioniert, müssen die Wallbox in den Garagen entsprechend intelligent werden. Das sollte der Gesetzgeber bei der Förderung privater Lademöglichkeiten berücksichtigen, fordert BDEW-Spitzenmann Kapferer. Und er verlangte, dass auch jeder Mieter und Wohnungseigentümer einen Ladepunkt einbauen kann, wenn er die Finanzierung sicherstellt. Heute steht dem das Miet- und Wohnungseigentumsrecht noch oft entgegen. Zudem müssten die Behörden die Prozesse für die Genehmigung
privater Ladeinfrastruktur deutlich beschleunigen. Die gleichen Regeln sollten auch für Gewerbekunden und ihre Fahrzeugflotten gelten, so Kapferer: „Das wäre ein wichtiger Treiber für den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität.“

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