Der Brite Chris Sheldrick organisierte Konzerte und war frustriert darüber, dass die Bands nie die Seiteneingänge fanden. Mohan Ganesalingam promovierte in Mathematik. Klingt nach unterschiedlichen Lebensstilen, aber zusammen entwickelten die beiden Freunde ein neues Adresssystem. Sie haben die Welt in drei mal drei Meter große Quadrate aufgeteilt und jedes dieser Segmente mit drei Worten unverwechselbar benannt. (Lässt sich leicht bei einem Blick auf die What3Words-Karte erkennen.)

Mit Clare Jones kam später eine wortgewaltige CCO an Bord; als Chief Commercial Officer ist sie für die Entwicklung des Geschäftsfeldes verantwortlich. Bei ihr passen drei Wörter sogar in eine halbe Sekunde. Glücklicherweise spricht die junge Britin dialektfrei – wir haben uns am Rande des Kongresses Metropolitan Cities in Aachen mit ihr unterhalten.

Edison: Frau Jones, braucht es wirklich ein neues Adresssystem?
Clare Jones: Karten sind veraltet. Niemand läuft mehr mit handgemalten Straßen in der Hand herum und auch das Adresssystem ist ein sehr limitierender Faktor – denn die schönsten Orte der Welt haben keine Adressen. Ein Beispiel: Berlin hat mit die schönsten Streetart-Werke, die es auf der Welt gibt. Aber auch die sind mit einer klassischen Anschrift schwierig zu finden. In der Plieninger Straße 30 in Stuttgart ist ein sehr schönes Airbnb. Im Westen der Stadt. Im Osten gibt es die gleiche Adresse und eine freundliche Dame, die allerdings nicht untervermietet. Bei ihr bin ich leider mit meinem Taxi gelandet. Und während es in Deutschland Straßennamen wie „Hauptstraße“ doppelt und dreifach gibt, gibt es in der Mongolei keine Adressen.

Edison: Zwei sehr unterschiedliche Probleme.
Jones: Wenn man bei null anfangen könnte und ein System für Adressen entwickeln würde, wie sähe es aus? Unsere Antwort ist What3Words. Also, das universelle System heißt GPS, aber niemand will 16 Ziffern aussprechen oder auch nur aufschreiben. Unsere Lösung ist, die Welt in drei mal drei Meter große Quadrate aufzuteilen, das sind insgesamt 57 Billionen, und jedem dieser Quadrate drei Wörter zuzuteilen.

So erklärt What3Words seine Idee im Werbevideo:

Daimler setzt What3Words bereits ein

Edison: Gerade in Deutschland oder England könnte man das klassische System sicherlich noch ein paar Jahre nutzen.
Jones: In London geht es eher darum, zum Beispiel den richtigen Hauseingang zu finden. Aber Milliarden Menschen haben gar keine Adresse. Und ohne Adresse kann man kein Unternehmen gründen, keine Pakete bekommen und im schlimmsten Fall nicht einmal wählen. Die Mongolei ist das erste Land, das What3Words zum offiziellen Adresssystem machte. Das betrifft Millionen Menschen. Bestellen Sie dort eine Pizza? Das geht in drei Wörtern. Gehen Sie mal auf die mongolische Facebook-Seite von Kentucky Fried Chicken. Heute sind es schon neun Staaten, die unser Adresssystem nutzen.

Edison: Das ist aber alles kostenlos – Sie als Chief Commercial Officer sollen das Produkt doch sicherlich nicht verschenken?
Jones: Ich kümmere mich vor allem um die Geschäftsentwicklung, suche Wege, wie Menschen What3Words nutzen können. Ich versuche Menschen, die mit Adressen umgehen, davon zu überzeugen, unsere zu nutzen. Der größte Hebel sind da für uns große Unternehmen, zum Beispiel Daimler.

„Die Idee von What3Words ist wunderschön schlicht“

Edison: Könnte ein Unternehmen dieser Größe das System nicht einfach kopieren?
Jones: Unsere Idee ist wunderschön schlicht – aber unser Produkt ist es nicht. Einerseits ist der Umgang mit der Sprache schwierig. Jede Sprache, die wir anbieten, hat ihre eigenen Wörter. Deswegen haben wir sie nicht übersetzt, sondern für jedes Land neu ausgearbeitet, zusammen mit Linguisten. Das ist nicht zufällig: Die Wörter sollen möglichst unähnlich klingen. Ähnliche Adressen liegen hunderte oder sogar tausende Kilometer auseinander. Das macht es unwahrscheinlich, dass man sich wie in Stuttgart verfährt. Und wenn man die Adresse leicht falsch eingibt, kann unsere App sagen: Hey, du bist in London, deine eingegebene Adresse ist in Indien. Und zeigt auch die naheliegende Version an. Das ist der zweite Teil: Unser Algorithmus ist ziemlich komplex.

Edison: Man könnte auch weiterhin GPS nutzen.
Jones: Sprachsteuerung ist ein Riesentrend. Aber weder die bisherigen Adressen, noch die GPS-Koordinaten eigenen sich für die Spracheingabe.

Edison: Welche Einsatzzwecke gibt es denn, neben der Navigation?
Jones: Wenn Lieferdienste wissen, wo exakt die Tür liegt, an die sie liefern sollen, reduziert das Spritverbrauch und Abgase. Gerade in der Stadt. Wir haben das in London getestet, auf der letzten Meile ist das nutzen unserer Adressen 30 Prozent effizienter. Es spart bei jeder Lieferung 25 Sekunden. Aber wir können noch mehr: Barrierefreie Wege navigieren, damit Rollstuhlfahrer Treppen effizient umgehen können. Blinde Menschen können mit uns vielleicht auch autonome Fahrzeuge nutzen – wir testen das gerade mit Olli. Eine australische Firma arbeitet an der Navigation von Drohnen per Stimme.

Edison: Auf was liegt Ihr Fokus?
Jones: Gute Frage, man kann sich schnell verzetteln. Wir eröffnen gerade mehrere neue Büros, etwa in Berlin, und planen mehr Kooperationen. Daimler will, dass die Fahrer das Navi nutzen, nicht das Smartphone. Aber sie wissen auch, dass unser System nur global funktioniert. Deswegen wollen wir neue Märkte erschließen. In China denken viele Menschen schon sehr digital, das kommt uns entgegen. Das wäre ein logischer nächster Schritt.

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